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Holdener: «Sei locker - das funktioniert bei mir nicht»

Wendy Holdener ist an Titelkämpfen die erfolgreichste Swiss-Ski-Athletin der vergangenen Jahre: je zwei Medaillen an den WM in St. Moritz und Are, gar deren drei an Olympia 2018 in Pyeongchang.

Agentur
sda
04.02.21 - 12:00 Uhr
Ski alpin

Vor der WM in Cortina d'Ampezzo, die für sie am Montag gleich mit der Titelverteidigung in der Kombination ihren Auftakt nimmt, spricht die Schwyzerin Wendy Holdener (27) im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA über Lehrgeld, welches sie in jüngeren Jahren an Grossanlässen bezahlen musste, über Fehler, die sie zu vermeiden gelernt hat, und über Lockerheit, die nicht ihr Ding ist.

Wendy Holdener, wenn vor einem Jahrzehnt Ihr damals 17-jähriges Ich vor dem Weltcup-Debüt erfahren hätte, was es alles erreichen wird: Wie zufrieden wäre diese junge Wendy Holdener gewesen?

«Sehr. Etwas vor dieser Zeit musste ich in der Sportschule im Fach Informatik einmal eine Aufstellung machen, wann ich in meiner Karriere wo sein will und was ich bis wann erreicht haben will. Wenn ich mir das nun anschaue, so stelle ich fest, dass ich schon früh viele Ziele und Hoffnungen hatte. Aber dass ich dann gleich so erfolgreich sein würde, hätte ich mir damals doch nicht erträumt.»

Sie haben auf die Weltcuprennen zuletzt in Garmisch verzichtet und befinden sich seit letztem Samstag in Italien. Woran feilten Sie im Hinblick auf die WM in Cortina?

«Zuerst stand ein technischer Block mit Slalom- und Riesenslalom-Training an, danach zwei Super-G-Tage. Bis zur Anreise nach Cortina, die spätestens am Samstag erfolgen wird, geht es also Schlag auf Schlag.»

Sie sind die erfolgreichste Schweizer Medaillensammlerin an den letzten Grossanlässen.

«Wenn man die letzten drei Grossanlässe nimmt, dann waren es super Jahre. Man darf aber auch nicht vergessen, dass ich bei den Titelkämpfen zuvor sehr viel lernen musste. Da zahlte ich Lehrgeld. Aber ja, wie es mir in den letzten Jahren aufging, war traumhaft. Ich werde versuchen, diesen Elan gleich nach Cortina mitzunehmen.»

Gibt es ein Erfolgsgeheimnis?

«Nein, das nicht. Aber ich hatte zuvor gewisse Fehler begangen.»

Welche denn?

«Dabei, wie ich an solche Grossanlässe heranging. Zum Beispiel wie ich mich selbst unter Druck setzte, und noch einiges mehr. Solche Dinge versuchte ich danach zu vermeiden. Dazu kam jeweils die gute Vorbereitung. Ich war fleissig und habe gut gearbeitet. Auch das Glück hatte ich teilweise auf meiner Seite. Die Medaillen waren dann die Belohnung für all das.»

Wie gedenken Sie, sich vor der WM in Cortina wieder in diesen «Medaillen-Zustand» zu versetzen?

«Etwas vom Wichtigsten sind die Vorfreude und das Vertrauen. Aber auch die Ruhe, dass man sich im Training nochmals gezielt auf die WM vorbereiten kann. Danach fühlt man sich hoffentlich gut. »

Was ist Ihr Ziel?

«Parat am Start zu stehen. Mit dem Wissen, dass ich vorne mitkämpfen kann. Gewisse Sachen kann man beeinflussen, andere nicht. Es geht also darum, sich auf die eigene Leistung zu konzentrieren. Diese probiere ich auf einem möglichst hohen Level abzurufen.»

Geht es für Sie auch darum, die nötige Lockerheit zu finden?

«Nicht unbedingt. Ich bin keine Athletin, die locker an solche Rennen herangeht. Das war ich noch nie. Ich habe das auch so akzeptiert, was dazu führte, dass es danach häufig wieder besser herauskam. Mir einfach sagen: 'Sei locker', das funktioniert bei mir nicht. Ich muss Vertrauen in mein Können haben - und eine Riesenfreude, dass es bald losgeht.»

Cortina ist im Weltcup der Frauen ein Klassiker. Ein Ort, wo fast jedes Jahr zwei oder drei Rennen stattfinden. Sie waren aber in Ihrer gesamten Weltcup-Karriere genau einmal da. Kann es ein Nachteil sein, dass Ihnen gegenüber vielen Konkurrentinnen teils Erfahrungswerte fehlen?

«Damit befasse ich mich nicht, weil ich es eh nicht ändern kann. Ich ging im Januar 2019 extra nach Cortina, um die WM-Strecke kennenzulernen. Ein Super-G ist ja nicht wie eine Abfahrt immer gleich gesteckt. Den schaut man sich dann vor dem Rennen an. Da mache ich mir nicht gross Gedanken. Was die technischen Events betrifft: Da konnten sich vielleicht die Italienerinnen gezielt vorbereiten, aber sonst keine. Das wird für alle in etwa ähnlich sein.»

Die WM beginnt aus Schweizer Sicht mit einem Paukenschlag, der Kombination. In dieser Disziplin sind Sie zweifache Titelverteidigerin, ihre Teamkollegin Michelle Gisin ist Olympiasiegerin. In diesem Winter wurde jedoch keine Kombinationen ausgetragen. Wissen Sie überhaupt noch, wann Sie letztmals ein Rennen in dieser Disziplin bestritten haben?

«Das wird wohl in Crans-Montana gewesen sein.»

Genau, im Februar 2020 belegten Sie dort Rang 5. In Cortina wird die Kombination aus Super-G und Slalom gefahren. Ein Vorteil für Sie?

«Jein. In den letzten Jahren bestand die Kombination an Grossanlässen aus Abfahrt und Slalom. Trotzdem konnte ich meine Ziele erreichen. Deswegen möchte ich nicht voreilig urteilen. Aber für mich ist ein Super-G schon einfacher, weil es da keine langgezogenen Kurven gibt. Von dem her nehme ich an, dass ich im Speed-Teil weniger Mühe haben werde. Wenn die Kombi mit einem Super-G gefahren wird, kommt es den Technikerinnen eher entgegen. Aber es ist alles Einstellungssache.»

Mit welchen weiteren WM-Einsätzen planen Sie - Parallelrennen, Team-Wettbewerb, Riesenslalom und natürlich Slalom?

«Die Trainer lassen es mir offen. Wenn ich mich körperlich gut fühle und viel Energie habe, dann möchte ich alles fahren.»

Sie erlitten Anfang September eine Verletzung am Wadenbein und mussten mehrere Wochen pausieren. Wie stark wurde Ihre Saison durch diesen Unfall beeinträchtigt?

«Es war ein bisschen gemein, weil ich dadurch die eigentlich wichtigste Vorbereitungsphase auf den Ski verpasste. Ich stand bei der Rückkehr unter grossem Zeitdruck. Gleichzeitig war dann aber auch schön, wie alles aufging und ich rechtzeitig für Sölden zurückkam. Aber die vergleichsweise wenigen Trainingstage auf den Ski machten sich schon bemerkbar.»

In Form fehlender Konstanz in dieser Saison?

«Das war sicher ein Grund dafür. Ich bin aber sehr froh, dass ich von diesem Vorfall nicht mehr viel merke. Ich hatte doch auch Glück, wie gut alles herauskam und dass ich nicht länger ausfiel.»

Im Januar standen Sie unter anderem im Slalom in Flachau als Dritte auf dem Podest, auch im Riesenslalom und im Super-G gab es Top-10-Resultate. Gleichzeitig schieden Sie auch mehrmals aus. Wie gehen Sie damit um?

«Hochs und Tiefs lagen tatsächlich nahe beieinander. Ich habe aber genau im Kopf, wie ich Skifahren will. Ich bleibe positiv eingestellt und bin heiss darauf, dass es an der WM bald losgeht.»

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