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Henrik Kristoffersens goldene Revanche

Henrik Kristoffersen ist Weltmeister im Riesenslalom. Der Norweger gewinnt in Are vor dem Österreicher Marcel Hirscher. Das Gold entschädigt für vieles.

Agentur
sda
16.02.19 - 07:00 Uhr
Ski alpin
Erste WM-Medaille und gleich Weltmeister: Henrik Kristoffersen
Erste WM-Medaille und gleich Weltmeister: Henrik Kristoffersen
KEYSTONE/AP/MARCO TROVATI

Er hatte sich im Zielraum hingesetzt. Er mochte nicht mehr hinsehen. Nur noch einer stand oben, der nach dem ersten Lauf führende Franzose Alexis Pinturault. Würde es wiederum nur zum 2. Platz reichen, auch jetzt, da er Marcel Hirscher in einem Riesenslalom endlich wieder einmal bezwungen hatte?

Etwaige Gedanken waren schnell verflogen. Nach gut 70 Sekunden Fahrt von Pinturault, dem nach dem Titelgewinn in der Kombination Bronze blieb, wichen die Zweifel der Freude. Kristoffersen, der zuvor bei Weltmeisterschaften der «Grossen» noch keine Medaille gewonnen, aber schon dreimal als Vierter das Podium um elf, fünf und zwei Hundertstel verpasst hatte, hatte Gold gewonnen. Als erster Norweger im Riesenslalom seit Aksel Svindal, der vor zwölf Jahren ebenfalls in Are dominiert hatte.

Zwei Zehntel als Entschädigung

Zwei Zehntel war Kristoffersen in der Endabrechnung schneller als Titelverteidiger Hirscher, der erkältet im WM-Ort eingetroffen war und seit seiner Ankunft die meiste Zeit im Bett gelegen hatte. Es sind zwei Zehntel, die den Norweger für vieles in jüngster Vergangenheit entschädigen. Achtmal war er in einem Weltcup-Riesenslalom schon Zweiter geworden, siebenmal allein seit Beginn des vergangenen Winters, und immer hatte er gegen den Österreicher den Kürzeren gezogen. Im olympischen Riesenslalom vor zwölf Monaten in Pyeongchang hatte er die Silbermedaille gewonnen - selbstverständlich hinter Hirscher.

Kristoffersens bisher einziger Weltcup-Sieg in der Basis-Disziplin liegt schon fast vier Jahre zurück. Vollbracht hat er dies beim Finale in Méribel in Frankreich. Und nun, im wichtigsten Riesenslalom dieses Winters, der zweite Sieg. Süsser kann eine Revanche nicht schmecken.

Mit jedem Scheitern schien sich bei Kristoffersen mehr Frust angestaut zu haben. Dass er da ab und zu auch einmal Dampf abgelassen, die Skistöcke weggeworfen oder gegen eine Werbebande getreten hat, ist nachvollziehbar. Auch wenn sie ihm da und dort Kritik eingebracht haben: Es sind Reaktionen eines ehrgeizigen Spitzensportlers, der aus seinen Gefühlen keine Mördergrube macht. In diesem Winter ist das Frustpotenzial bisher besonders hoch gewesen. Im Weltcup wartet Kristoffersen noch auf den ersten Saisonsieg.

Der andere Frust

Weit mehr Unverständnis hatte Kristoffersen vor gut drei Jahren abseits der Rennpiste ausgelöst. Der Streit mit den Oberen des nationalen Skiverbandes war nicht nur für Aussenstehende, sondern auch für Mannschaftskollegen nicht nachvollziehbar gewesen. Trotz unterzeichneter Athletenvereinbarung hatte er das Recht auf einen persönlichen Sponsor erzwingen wollen und hatte er deshalb vor Gericht geklagt.

Der Zwist gipfelte in Kristoffersens Startverzicht im ersten Weltcup-Slalom jenes Winters in Levi. Über den Fall hat sich längst Schnee gelegt und trägt Kristoffersen nun wie jedes andere Kadermitglied den Schriftzug des Hauptsponsors des Norges Skiforbund statt jenen seines Partners Red Bull auf Mütze und Helm. Teamintern aber hallt er gleichwohl noch nach. Kristoffersens Sympathie-Werte innerhalb der Equipe erholen sich nach wie vor nur langsam. Daran wird wohl auch der erste grosse Titel nicht viel ändern.

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