Der Bronze-Coup im zweiten Wohnzimmer
Flurina Rigling startet in Paris erstmals bei Paralympics und gewinnt in ihrem ersten Rennen im Vélodrome National gleich Bronze in der Einzelverfolgung.
Flurina Rigling startet in Paris erstmals bei Paralympics und gewinnt in ihrem ersten Rennen im Vélodrome National gleich Bronze in der Einzelverfolgung.
Flurina Rigling sitzt im Vélodrome National westlich von Versailles auf einem grauen Plastikstuhl und bringt das Strahlen gar nicht mehr aus ihrem Gesicht. In den Minuten zuvor ist sie vor diversen Fernsehkameras gestanden. Eingehüllt in eine grosse Schweizer Fahne hat sie mehrmals versucht, in Worte zu fassen, was an diesem 29. August, dem ersten Wettkampftag der 17. Paralympischen Spiele in Paris, passiert ist.
Ein bisschen sprachlos sei sie. Als sie Platz genommen hat, dröhnt durch die Lautsprecher des Vélodromes «Les Champs-Élysées» von Joe Dassin, ein französischer Klassiker, der die zahlreichen Fans im weiten Rund zum Mitsingen animiert. Wer will, kann die Gesangseinlage als Lobeshymne für Rigling, die am Donnerstagnachmittag in der Einzelverfolgung über 3000 m Bronze und damit die erste Medaille dieser Sommerspiele für Swiss Paralympic holt.
WM-Gold und Weltrekorde
«Erleichtert» und «stolz» sind weitere Worte, welche die Zürcherin wählt, um ihre Gefühlswelt zu beschreiben nach dem wohl grössten Erfolg ihrer noch jungen Karriere als Radsportlerin. Und in den fünf Jahren, in denen sie aktiv ist, hat sie doch schon einiges gewonnen, unter anderem vier Weltmeistertitel, zwei davon in der Einzelverfolgung, ihrer liebsten Bahndisziplin.
Und apropos Lieblingssachen. Das Vélodrome National hat nun ein weiteres Argument gesammelt, weshalb es Riglings liebste Bahn sein könnte. Gewissermassen ihr zweites Wohnzimmer. 2022 holte sie in Saint-Quentin-en-Yvelines schon erstmals WM-Gold und senkte dabei zweimal den Weltrekord.
«Ich fühle mich extrem wohl hier», sagt Rigling. «Deshalb habe ich mich auch sehr gefreut, wieder hierherzukommen.» Dieses Wohlfühlen wurde auch im Rennen um Bronze offensichtlich. Als Vierte hatte sich Rigling am Mittag den Startplatz im Rennen um die Medaille gesichert. Ihre Konkurrentin, die Deutsche Maike Hausberger, hatte derweil in der Qualifikation einen später erneut gesenkten Weltrekord aufgestellt.
Ruhig und «bei sich» geblieben
Doch die Schweizerin, die kürzlich ihr Masterstudium der Politikwissenschaften abgeschlossen hat, bestach bei ihrem ersten Auftritt auf paralympischer Bühne mit stoischer Ruhe. «Bei sich bleiben», nennt es Rigling jeweils, wenn sie ihre Ziele für ein Rennen formuliert. Öffentlich würde sie nie von einer Medaille reden. Das würde nur den Raum für Negatives öffnen, sollte daraus dann nichts werden.
Es habe sie sogar motiviert, als sie gesehen habe, dass ihre Konkurrentin einen Weltrekord aufgestellt habe, meint Rigling. «Ich wusste, was sie kann, kann ich auch.» Deshalb liess sich die Zürcherin auch nicht davon beunruhigen, dass ihre Gegnerin bis zwei Runden vor Schluss vor ihr lag. «Ich muss damit leben, dass ich beim Start hinten liege, weil ich nicht aus meinem Sattel gehen kann. Deshalb muss ich das Rennen jeweils von hinten aufrollen.»
Wie gut sie das kann, hat Flurina Rigling im auf 32 Grad geheizten Vélodrome National gezeigt. Vielleicht nicht zum letzten Mal.