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Bissegger zuversichtlich, Küng verhalten optimistisch

Mit einem Einzelzeitfahren beginnt am Freitag in Kopenhagen die 109. Tour de France. Die Prüfung gegen die Uhr ist eine Angelegenheit für die beiden Thurgauer Stefan Bissegger und Stefan Küng.

Agentur
sda
01.07.22 - 05:00 Uhr
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Nach ihren Covid-Infektionen sind die beiden Schweizer Zeitfahr-Spezialisten primär froh, beim grossen Rendez-vous der weltbesten Radprofis überhaupt dabei zu sein. Doch damit zufrieden geben wollen sich Stefan Bissegger und Stefan Küng natürlich nicht. Für Bissegger gibt es am Freitag nur ein Ziel: «Ganz einfach: Ich will gewinnen. Etwas anderes gibt es nicht», zeigt sich der selbstbewusste Ostschweizer vor seiner zweiten Tour-Teilnahme kompromisslos. Mit dem ersten Maillot jaune, dem begehrten gelben Leadertrikot, würde er sich einen Bubentraum erfüllen.

Grund zum Optimismus hat Bissegger allemal. Der komplett flache und gut 13 km lange Kurs durch Dänemarks Hauptstadt ist ihm wie auf den Leib geschnitten. Auf einer vergleichbaren Strecke liess Bissegger im Februar anlässlich der UAE-Tour den Zeitfahr-Weltmeister Filippo Ganna - der Italiener ist am Freitag der Topfavorit - um knapp zehn Sekunden hinter sich. Es ist bis heute der einzige Sieg eines Schweizers auf Stufe World Tour in diesem Jahr.

Küng 2017 ganz nahe an Gelb

Auch wenn er seither mehr als einmal von einer Corona-Infektion ausgebremst wurde - zuletzt mit der Aufgabe der Tour de Suisse, hat Bissegger sein grosses Saisonziel nie aus den Augen verloren. Über seine Konkurrenz macht sich der 23-Jährige vom Team EF Education keine grossen Gedanken. «Dazu gibt es nichts zu sagen.» Auch Küng pflichtet dem bei: «Wenn du anfängst, dich auf die anderen zu konzentrieren, hast du schon verloren.»

Der fünf Jahre ältere Landsmann Bisseggers erinnert sich ans letzte Jahr, als er am fünften Tag im Zeitfahren unmittelbar vor seinem ersten Tour-Etappensieg gestanden hatte. «Ich habe sie alle geschlagen, und dann kam Pogacar und fing mich noch ab.»

Bereits bei seinem Tour-Debüt 2017 in Düsseldorf hat Küng am grossen Triumph geschnuppert, als er im Prolog hinter dem späteren Tour-Sieger Geraint Thomas den 2. Rang belegte. Damals fehlten ihm lediglich fünf Sekunden zum Maillot jaune.

Fragezeichen hinter Küngs Form

Hinter dem aktuellen Formstand des Zeitfahr-Europameisters stehen jedoch ein paar Fragezeichen. Nach seinen starken Leistungen in den Frühjahrsklassikern und dem 3. Platz bei Paris-Roubaix wusste Küng zuletzt mit dem ausgezeichneten 5. Gesamtrang auch an der Tour de Suisse zu überzeugen. Doch seither ist viel passiert. Zuerst die Geburt seines Sohnes Noé und kurz darauf der positive Covid-Test. Küng erlebte eine überaus turbulente letzte Woche. Noch am vergangenen Freitag wusste er nicht, ob er überhaupt am Tour-Start dabei sein kann.

An ein Training war beim Ostschweizer bis am vergangenen Wochenende wegen der Symptome nicht zu denken. Dafür konnte er sich ausführlich dem noch jungen Familienglück widmen.«Das Wichtigste ist, dass es meiner Frau und dem Kind gut geht. Von der Covid-Erkrankung habe ich mich relativ gut erholt. Sicher war es nicht die beste Vorbereitung, gerade im Hinblick auf das Auftaktzeitfahren. Die ganze Arbeit, die ich vorher geleistet habe, ist aber nicht völlig weg.»

Trotzdem befürchtet Küng, dass er am Freitag nicht auf dem erhofften Niveau sein wird. Doch das ändert nichts an seiner Einstellung: «Ich werde voll angreifen und habe nichts zu verlieren. Alles was kommt, ist Bonus.»

Weil Kopenhagens Strassen sehr breit sind, liegt es in den Händen des Veranstalters, wie viel Platz sie den Fahrern auf dem Parcours gewähren. «Wenn die Absperrgitter sehr weiträumig aufgestellt werden, wird man die Bremsen kaum einmal benutzen müssen. Wenn nicht, wird es etwas technischer», erklärt Küng, dem das liegt. Es gehe aber ohnehin nur darum, «vom ersten Meter an Vollgas zu geben.»

Wetter-Lotterie droht

Mitentscheidend über den Ausgang des Rennens könnte auch das Wetter sein. Nachdem sich die dänische Hauptstadt in den letzten Tage von seiner sonnigen Seite gezeigt hat, dürften am Freitag an der Ostsee Gewitter aufziehen. Das bereitet Bissegger Sorgen. «Ich hoffe, dass alle die gleichen Bedingungen haben und es ein faires Rennen gibt.»

Bissegger weiss, wovon er spricht. Mit regennassen Strassen hat er bei der letztjährigen Tour unliebsame Erfahrungen gemacht, als während der ersten Woche im Zeitfahren viel früher als die Konkurrenz ins Rennen starten musste. Im Kampf um den Tagessieg war er als 18. mit über einer Minute Rückstand letztlich chancenlos gewesen.

Am Freitag geht Bissegger kurz nach 16 Uhr als achter von 176 Teilnehmern erneut viel früher von der Startrampe als alle anderen Anwärtern auf den Sieg - diesmal bewusst. «Mein Team hat die Wetterprognosen studiert und entschieden, dass es besser ist, so früh als möglich ins Rennen zu gehen.»

Rund eine halbe Stunde nach Bissegger folgt Küng, dem der Regen grundsätzlich nichts ausmacht. «Wenn es ein, zwei Tropfen Regen gibt und das die Sache noch etwas schwieriger macht, bin ich nicht traurig», meinte er mit einem Lächeln.

Kurz nach 19 Uhr steht schliesslich fest, wer im ersten Maillot jaune dieser Tour erstrahlt.

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