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Wie Japan die Sommerspiele erlebt

Lange waren die Japaner gegen die Ausrichtung der Olympischen Spiele inmitten der Pandemie. Doch längst meinen die Organisatoren der Spiele, einen Stimmungswandel zu erkennen.

Agentur
sda
03.08.21 - 17:15 Uhr
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Tatsächlich hört man nicht mehr viel von denjenigen, die nicht wollten, dass die Spiele überhaupt stattfinden. Vielmehr kommt Ärger auf über die Regierung, welche die Impf-Kampagne nicht vorangetrieben hat, weswegen jetzt Zuschauer ausgeschlossen sind. Die Japaner bedauern, dass sie der Welt ihre Gastfreundlichkeit nicht zeigen können.

Auch das Organisationskomitee von «Tokyo 2020» stellt fest, dass sich die Stimmung im Land gewandelt habe. Die jüngsten Daten zeigten, dass inzwischen «die Mehrheit der Meinung ist, dass es gut war, die Spiele durchzuführen», sagte Geschäftsführer Toshiro Muto anlässlich einer Zwischenbilanz. Er schliesst das aus den Einschaltquoten und den digitalen Zugriffen, die alle Rekorde brechen würden. Rund 90 Prozent der Japaner hätten schon mal was von Olympia mitbekommen. Man beobachte einen «wachsenden Geist der Solidarität».

Aber in der japanischen Bevölkerung herrscht auch Sorge wegen der Delta-Variante des Virus, welche die Infektionen während der Spiele auf bisher nie da gewesene Höchststände treibt. Am Rand von Olympia-Wettbewerben kommt es wiederholt zu kleineren Protesten.

Die Gefühlslage in der Bevölkerung habe sich gegenüber der Zeit vor den Spielen nicht gross geändert, meint der Soziologe Yuji Ishizaka von der Nara Women's University. Was sich hingegen geändert habe, sei, dass es einfacher geworden sei, sich auch mal positiv über die Spiele zu äussern. Die Diskussion darüber, die Spiele trotz Pandemie abzuhalten, sei negativ geprägt gewesen. Da sei es für Japaner schwierig gewesen, den Wunsch, die Athleten zu unterstützen, auszudrücken. Das sei jetzt anders.

Natürlich auch wegen der grossen Erfolge der Japaner: Mit ihrer Art, wie Japans Athleten bei Olympia kämpfen und nach Siegen bescheiden und respektvoll auftreten, eroberten sie die Herzen der Bürger.

Kritische Voten gibt es aber durchaus immer noch. Es wird beklagt, dass Olympia dazu beiträgt, dass vor allem jüngere Japaner das Coronavirus nicht mehr so ernst nehmen. Die Parks im Zentrum von Tokio sind jeden Abend voll mit Jugendlichen und anderen, die mit Freunden «Olympia-Watch-Partys» veranstalten und im Supermarkt gekauften Alkohol trinken.

Auf den Strassen Tokios kommt hingegen nicht gross Olympia-Stimmung auf. Die wenigsten tragen Kleidung mit olympischen Symbolen; der Handel mit Pins beschränkt sich auf die olympischen Zonen. Immerhin habe sich die allgemeine Atmosphäre in der Stadt während Olympia geändert, sagen die Japaner. Es werde nicht mehr nur über Corona gesprochen.

Japans Regierungschef Yoshihide Suga beteuert, dass die Spiele nichts mit dem Anstieg der Corona-Fallzahlen zu tun hätten. Seine Regierung versucht den Eindruck zu wecken, die Spiele würden im Gegenteil helfen, die Pandemie einzudämmen, da Millionen zu Hause vor dem TV sässen.

Die wenigen Corona-Fälle bei Olympia lägen im «Rahmen der Erwartungen», so Muto. Die Organisatoren halten es für nahezu unmöglich, dass von den Teilnehmern der Spiele eine Infektionsgefahr für die Bürger Tokios ausgehen könnte. «Sie leben wirklich in jeder Hinsicht in einer anderen Parallelwelt», sagt IOC-Sprecher Mark Adams.

Dennoch musste die Regierung den Notstand für Tokio verlängern und auf weitere Präfekturen ausweiten. Über Ausgangssperren wird nachgedacht. Die Impfung als Mittel zur Rückkehr zur Normalität ist in Japan weniger weit gediehen als in der Schweiz. Bislang sind erst rund 27 Prozent der Japaner vollständig geimpft.

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