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Thabo Sefolosha - Vorkämpfer über den Sport hinaus

Thabo Sefolosha ist der erste Schweizer Basketballer in der NBA. Als Aussenseiter gekommen, hinterlässt der Romand in der weltweit besten Liga Spuren weit über das Sportliche hinaus.

Agentur
sda
31.03.21 - 16:28 Uhr
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Ein leiser Abschied: Letztmals stand Thabo Sefolosha mit den Houston Rockets vor dem Beginn der Corona-Pandemie auf dem Parkett
Ein leiser Abschied: Letztmals stand Thabo Sefolosha mit den Houston Rockets vor dem Beginn der Corona-Pandemie auf dem Parkett
KEYSTONE/AP/DAVID ZALUBOWSKI

Manchmal geht während einer langen und erfolgreichen Sportler-Karriere etwas verloren: die Fähigkeit zur Selbstreflexion, die Relation des eigenen Schaffens, die Bodenhaftung. Sportstars leben nicht erst seit Corona in einer eigens für sie geschaffenen Blase, das Virus hat die Abtrennung zwischen Primus inter Pares und Max Mustermann nur für alle offen gelegt.

Dass Thabo Sefolosha in seiner letzten Saison als Profi auf das Saisonfinale in einer Basketball-Blase in Disney World Orlando verzichtete und stattdessen den leisen Abgang aus der besten Liga der Welt wählte, sagt bereits das Wichtigste über ihn aus: Trotz 14 Jahren im exklusiven Kreis der NBA mit ihren flippigen Lasershows und artistischen Halbzeit-Einlagen verlor Sefolosha die Bindung zu sich selber nie. Sein Karriere-Ende zumindest als Spitzensportler vermeldete Sefolosha dementsprechend nicht auf einer grossen Bühne, sondern in einem südafrikanischen Basketball-Podcast. In der Schweiz bemerkte dies am Mittwoch erst die NZZ, ein paar Tage nachdem die Folge gesendet worden war

Als der Romand mit den Kraken-Armen und den Cornrows auf dem Kopf 2006 in die Glitzer-Welt der NBA eintrat, tat er dies nicht auf die laute und schrille Art, die manche seiner späteren Teamkollegen und Konkurrenten auszeichnete. Der Rummel-Markt des US-Sports war dem damals 22-Jährigen so fremd, dass er sich anfänglich von ihm überraschen liess. Sefolosha erschien am Abend des Drafts mit der Kopfbedeckung der Philadelphia 76ers zum Interview mit ESPN. Er hatte nicht mitgekriegt, dass er inzwischen bereits einer neuen Organisation angehörte: den Chicago Bulls.

Vom Missverständnis zum Cover-Boy

Als die Bulls den Schweizer zweieinhalb Jahre später als Ergänzungsspieler zu den Oklahoma City Thunder transferierten, waren Sefoloshas Kritiker im Aufwind. Jene Experten, die bei der Ankunft des Schweizers in Chicago geurteilt hatten, er sehe aus wie einer, «der absolut in einer amerikanischen High-School-Mannschaft mitspielen könnte». Sefolosha gestand zwar: «So gesehen, bin ich gescheitert.» Den ersten Rückschlag als Grund zur Aufgabe seines Traums von der NBA zu verstehen, dafür fehlte ihm allerdings die Eitelkeit.

Der Wechsel von der Franchise in Chicago, die angestrengt dem Erbe von Michael Jordan nachzujagen versuchte, zu den Oklahoma City Thunder verlieh der Karriere neuen Schub. Bis 2011 erarbeitete sich der Westschweizer den Ruf als einer der besten Defensivspieler der Liga. Ein Jahr später führte Sefoloshas Weg mit Oklahoma bis in den NBA-Final, der gegen Miami Heat zwar klar verloren ging, an Sefoloshas Renommee allerdings nichts änderte. Vor allem teamintern wurden seine Dienste geschätzt. So sehr, dass ihn Teamkollege Kevin Durant in Eigeninitiative für ein gemeinsames Cover der Sports Illustrated aufbot. Der «zuverlässige Subaru» unter den Basketballern schaffte es auf das Titelblatt des bekanntesten Sportmagazins der Welt, einer Welt aus lauter Luxus-Autos.

Thabo Sefolosha vs. New York City

Neben dem Court lernten die USA eine andere Seite kennen, die von seinem südafrikanischen Vater geprägte. «Ich wurde von den Freiheitssongs Südafrikas erzogen», schrieb Sefolosha 2020 in einem Essay über seinen Umgang mit Rassismus. Immer wieder war die Stigmatisierung aufgrund seiner Hautfarbe bei ihm Thema. Angefangen bei seiner Mutter, einer Schweizerin weisser Hautfarbe, die im von einem Apartheid-Regime regierten Südafrika einen schwarzen Mann liebte.

An der Seite seiner Eltern tanzte der damals sechsjährige Junge Thabo Sefolosha am 11. Februar 1990 durch die Nacht, als Nelson Mandela nach 27 Jahren Haft freigelassen worden war. 25 Jahre später focht der Basketballer seinen eigenen Freiheitskampf aus: die Stadt New York City gegen Thabo Patrick Sefolosha. Im April 2015 war Sefolosha vor einem New Yorker Nachtklub von Polizisten attackiert und verletzt worden. Zu viert schnappten sich die Cops des NYPD den Basketballer. An den Armen zerrten sie ihn zwischen geparkte Autos, rissen ihn dort zu Boden. Sie gingen dabei so rustikal vor, dass Sefoloshas Knöchel brach.

Statt in einem aussergerichtlichen Vergleich eine Teilschuld einzuräumen, klagte der Schweizer die Stadtverwaltung New York Citys an. Der Defensivkünstler ging zum Angriff über. Sein Wurf sass. Sefolosha gewann den Prozess, für einen Teil der US-Bevölkerung machte ihn das zum modernen Bürgerrechtler. Offen bezeichnete er den US-Präsidenten Donald Trump als Eiferer und Rassisten, unter dem offene Diskriminierung wieder salonfähig gemacht worden sei.

Basketball war für Sefolosha stets Beruf und Privileg, dem er vieles, aber nicht alles unterordnete. Die eigene Familie ging dem 36-Jährigen vor. Sein Fehlen beim Corona-Neustart in Orlando im vergangenen Juli hat Sefolosha mehrere hunderttausend Franken gekostet. Trotzdem blieb er dem Anlass fern, um seiner Familie nahe bleiben zu können. Er wählte das Ende, das zu ihm passt: leise, dafür selbstbestimmt.

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