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Masters-Finalisten Tsitsipas und Thiem mit glänzenden Perspektiven

Kommt im nächsten Jahr die Ablösung der grossen drei durch die nächste Tennis-Generation? Dominic Thiem und Stefanos Tsitsipas muss der grosse Durchbruch an den Grand Slams zugetraut werden.

Agentur
sda
19.11.19 - 10:01 Uhr
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Vor drei Jahren hatte sich Dominic Thiem erstmals für die ATP Finals qualifiziert. Er trainierte in London mit der damaligen Nummer 1 der Junioren, einem Griechen namens Stefanos Tsitsipas. Am Sonntagabend standen sich die beiden im Masters-Final wieder gegenüber, und der jüngere setzte sich im Tiebreak des dritten Satzes durch. Ein Vorzeichen für die kommende Saison?

Es ist jedes Jahr die gleiche Frage. «Und ich glaube, ich beantworte sie jedes mal gleich», meinte Roger Federer am Samstag nach seinem Halbfinal-Aus gegen Stefanos Tsitsipas, das seine Wettkampf-Saison beendete. Die Frage lautet: Ist die nächste Generation bereit, Federer, Novak Djokovic und Rafael Nadal endlich auch bei den Grand Slams das Fürchten zu lehren?

Die ATP Finals waren in den letzten 15 Jahren das Turnier, bei dem sich am häufigsten Aussenseiter (wenn man einen Top-8-Spieler als Aussenseiter betrachten kann) durchsetzten. David Nalbandian 2005, Nikolai Dawydenko 2009, Grigor Dimitrov 2017, Alexander Zverev 2018 und nun Stefanos Tsitsipas. Sowohl Nalbandian wie auch Dawydenko, Dimitrov oder Zverev war zugetraut worden, nach diesem bisher grössten Triumph ihrer Karriere auch noch den letzten Schritt ganz nach oben zu gehen. Keiner von ihnen schaffte ihn dann aber auch.

Federer beantwortet die Frage deshalb vorsichtig. «Es ist sicher möglich.» Er verweist darauf, dass Djokovic, Nadal und er nicht jünger, die Jungen dafür immer besser würden. Umgekehrt seien die «alten» gesünder als in anderen Jahren. «Die Chancen der Jungen steigen aber sicher.» Der letzte Major-Sieger, der nicht Federer, Djokovic oder Nadal hiess, war am US Open 2016 Stan Wawrinka.

2020 ein neuer Grand-Slam-Champion

Alexander Zverev wurde nach seinem Ausscheiden im Halbfinal deutlicher. «Ich glaube, dass es nächstes Jahr einen neuen Grand-Slam-Champion geben wird, weil die Jungen unglaublich gutes Tennis spielen», meinte er. «Es kann Daniil (Medwedew) sein, Stefanos (Tsitsipas) oder Dominic (Thiem). Ich bin auch noch dabei.» Thiem pflichtete ihm nach der unglücklichen Finalniederlage bei. «Sicher können wir es nächstes Jahr schaffen.»

Die Voraussetzungen sind tatsächlich vielversprechend. Federer scheint Thiem die besten Chancen zu geben. «Er ist in der absoluten Blüte seiner Karriere», lobte er den Niederösterreicher, der mit 26 Jahren der älteste und erfahrenste der nächsten Generation ist. Thiem ist derzeit hinter dem überragenden Nadal klar der zweitbeste Sandplatz-Spieler und stand am French Open schon zweimal im Final. Er kann also mit dem Druck bei den Major-Turnieren bestens umgehen, und hätte er dieses Jahr nicht zweimal im dümmsten Moment eine Erkältung eingefangen, wäre für ihn auch in Australien und am US Open mehr möglich gewesen. Thiem hat unter dem neuen Coach Nicolas Massu auf schnellen Belägen enorme Fortschritte gemacht, die er an den ATP Finals mit seinen Siegen gegen Federer und Djokovic eindrücklich unter Beweis stellte.

Tsitsipas will sich Zeit geben

Am vorsichtigsten äusserte sich in London ausgerechnet der Champion. Tsitsipas sieht zwei Gründe für die Dominanz der Big 3 bei den Grand Slams. «Man müsste sie früh im Turnier schlagen können. Je länger es dauert, desto stärker spielen sie», stellt er fest. Und dann ist da das Format über drei Gewinnsätze. «Würde bei den Grand Slams Best of 3 gespielt, hätte es sicher mehr neue Sieger gegeben.» Er selber will sich nicht unter Druck setzen, nachdem er im Sommer in eine tiefe Krise geraten war. «Ich werde jetzt nichts versprechen oder voraussagen. Schauen sie sich Rafa (Nadal) an. Er sagt immer: 'Ich spiele nicht, um das Turnier zu gewinnen. Ich gehe in jedes Spiel mit dem Ziel, dieses Spiel zu gewinnen.' Genau so geht es.»

Dennoch hat Tsitsipas alles, um der Nachfolger von Roger Federer zu werden. Als Grand-Slam-Sieger, aber auch als Publikumsliebling mit wehenden Haaren und Surfer-Look. Selbst sein Gegner ist fast schon ein Fan. «Es ist grossartig für das Tennis», schwärmt Dominic Thiem. «Er hat ein sehr attraktives Spiel, die einhändige Rückhand, kommt viel ans Netz, eine wunderschöne Technik auch. Ich bin 100 Prozent sicher, dass er um die grossen Titel spielen wird.» Er sei aber ebenso sicher, dass er ihn herausfordern könne und hoffentlich noch viele grosse Finals gegen ihn spielen werde.

Wie nahe der Grat zwischen Überflieger und Versager ist, musste Tsitsipas im Sommer erfahren. Nach dem schnellen Aufstieg verlor er sich in den sozialen Medien, scheiterte immer öfter in den ersten Runden und legte sich dabei auch mit den Schiedsrichtern an. Im Alter von 21 Jahren darf so etwas auch mal verziehen werden. Tsitsipas hat daraus gelernt und scheint wieder auf der Überholspur. Und nur zur Erinnerung: Roger Federer war fast 22-jährig, als er in Wimbledon seinen ersten Grand-Slam-Titel gewann.

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