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Im Spätherbst der Karriere ein Weltcup im eigenen Land

Erstmals seit acht Jahren kommt die Schweizer Radquer-Elite in den Genuss eines Heim-Weltcups. Das Rennen am Sonntag in Bern ist auch für den routinierten Marcel Wildhaber speziell: Der 33-Jährige aus dem VC Eschenbach ist in seiner vielleicht letzten Saison als Aktiver.

Linth-Zeitung
18.10.18 - 11:08 Uhr
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Marcel Wildhaber kennt den Rundkurs in Bern, hat darauf sogar schon triumphiert.
Marcel Wildhaber kennt den Rundkurs in Bern, hat darauf sogar schon triumphiert.
Steffen Müssiggang/radsportphoto.net

von Andreas Züger


Marcel Wildhaber geniesst seit einigen Jahren eine Sonderrolle im sogenannten Scott-Swisspower MTB Racing Team. In der Mountainbike-Equipe um den siebenfachen Weltmeister Nino Schurter ist er als Radquer-Spezialist ein Exot. «Bisher ging das ganz gut», sagt der Galgener, «die Verantwortlichen haben wegen mir kaum zusätzlichen Aufwand, da mein Cousin oder mein Bruder jeweils als Mechaniker dabei ist. Das Team war durch meine Auftritte im Quer-Weltcup auch im Winter präsent, und ich profitierte vom Material.»


Doch nun läuft der Vertrag Ende Jahr aus. Faktisch bleibt Wildhaber aber bis am 3. Februar 2019 und somit bis zur Radquer-WM in Dänemark im Team angestellt. Danach ist Schluss. Man habe an der WM in der Lenzerheide gesehen, was für einen Stellenwert der Mountainbike-Sport in der Schweiz habe, sagt Wildhaber. Im Radquer würden Zugpferde wie Nino Schurter oder Jolanda Neff hingegen fehlen. «Für das Team ist der Quersport nicht mehr interessant. Und so bin auch ich nicht mehr interessant. Das ist verständlich und auch kein Problem für mich», sagt Wildhaber. Er findet es «richtig, dass nun wieder junge Fahrer unterstützt werden. Ich will niemandem den Platz wegnehmen, schon gar nicht in meinem Alter», fügt der 33-Jährige hinzu.


Erzwungen wird nichts


Deshalb liegt es auch auf der Hand, wenn Wildhaber nun sagt: «Ich fahre jetzt mal diese Saison. Danach … mal schauen.» Die Entscheidung wäre wohl bereits gefallen, wenn am Ende der nächsten Saison die Radquer-WM 2020 nicht in Dübendorf und somit in der Schweiz stattfinden würde. «Das wäre ein tolles Ziel. Ich plane, Stand jetzt, bis dahin.» Auf Biegen und Brechen will Wildhaber den Start an der Heim-WM aber nicht erzwingen. «Es spielen viele Faktoren mit. Wenn es mir nicht läuft, wenn die Motivation nachlässt, wenn ich nicht mehr mithalten kann, dann ist es möglich, dass ich meine Karriere nach der laufenden Saison beende.»


Das Klubmitglied des VC Eschenbach spricht von einer «grossen Investition», würde er ohne Team eine weitere Saison in Angriff nehmen. «Ohne Lohn vom Team müsste ich mehr arbeiten.» Über den Sommer tat Wildhaber dies zu rund 60 Prozent in einem Automatikerbetrieb in Rappers-wil-Jona. Immerhin: «Ich habe Kontakte und käme so an gutes Material.»


Marcel Wildhaber ist seit bald einem Jahr Vater einer Tochter. Er spricht ruhig und gelassen über die kommenden Monate. Über seine vielleicht letzte Quer-Saison. Die Weltcup-Rennen und die EKZ-Crosstour, die er bisher zweimal als Gesamtsieger beenden konnte, stehen dabei klar im Fokus.


Weil sich die Renndaten der Crosstour kaum mehr mit der französischen Rennserie überschneiden, war an den ersten beiden Veranstaltungen in Baden und Aigle ein deutlich stärkeres und international geprägtes Feld am Start als in der Vergangenheit. Wildhaber fuhr auf die Ränge 24 und 8. Er habe Respekt gehabt vor dem Saisonstart, sagt der Märchler. «Ich fuhr im Sommer ein paar Bike- und Strassenrennen. In Baden fehlte der Rhythmus noch, auch wenn ich in den Wochen davor gut trainiert hatte.»


Schöne Erinnerungen an Bern


Die ersten beiden Weltcup-Rennen der Saison liess Wildhaber Ende September in den USA aus. Am Sonntag steigt der 33-Jährige in Bern in den Weltcup ein. «Darauf freue ich mich enorm. Es wird der Höhepunkt der ersten Saisonhälfte.» Schauplatz des Radsportfests ist das Berner Freibad Weyermannshaus. «Eine tolle Strecke mit vielen Kurven. Ein guter Antritt ist gefragt. Grosse Anstiege findet man kaum, eher Wellen», erklärt Wildhaber. Im vergangenen Jahr war er bei der Premiere auf diesem Rundkurs im Rahmen der EKZ-Crosstour nicht nur dabei, er gewann das Rennen sogar.

Wildhaber wird am Sonntag der einzige einheimische Fahrer sein, der bereits 2010 in Aigle beim letzten Radquer-Weltcup auf Schweizer Boden im Elite-Feld dabei war. «Ich lag gut im Rennen, hatte dann aber einen Platten. Den Rang weiss ich gar nicht mehr.»


Auf Rang 29 fuhr er damals und war einer von nur zwei Schweizern an der Startlinie. In Bern werden es einige mehr sein. «Man merkt die Euphorie. Besonders die jungen Fahrer brennen auf das Rennen», sagt Wildhaber. Eine Sache würde er sich allerdings wünschen: «Viele junge Schweizer am Start sind Mountainbiker. Es wäre schön, wenn es einigen so gut gefallen würde, dass sie in Zukunft vermehrt auf Radquer setzen.»

 

Ohne Forster, mit Koller als Schweizer Hoffnung
Der Weltcup in Bern findet am Sonntag ohne den amtierenden Schweizer Meister Lars Forster statt. Der 25-Jährige aus Neuhaus legte nach Abschluss seiner Mountainbike-Saison am 23. September eine Pause ein. «Ich habe erst wieder mit dem Training begonnen», sagt der Cross-Country-Europameister dieses Jahres.
Bei den Frauen verzichten die Mountainbikerinnen Jolanda Neff und Sina Frei sowie die siebenfache Radquer-Landesmeisterin Jasmin Egger-Achermann (sie erwartet bald ihr drittes Kind) auf den Start in Bern. So ruhen die Schweizer Hoffnungen auf den Schultern der Schmerknerin Nicole Koller. Die 21-Jährige muss sich in der Startaufstellung weit hinten anstellen. «Da ich sowieso keine Schnellstarterin bin, sollte dies nicht allzu schlimm sein», sagt Koller. «Mein Ziel ist es, in der separaten U23-Wertung zu den besten Fünf zu gehören.» (bca)

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