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Supermacht dank Superstars? Saudi-Arabien strebt nach oben

Premier League, La Liga oder Ligue 1? Für alternde Fussball-Stars lautet die Antwort immer häufiger Saudi Pro League. Der Staat macht kein grosses Geheimnis aus seinen ambitionierten Vorhaben.

Agentur
sda
07.06.23 - 21:38 Uhr
Fussball
Nach Cristiano Ronaldo wechselt auch Karim Benzema nach Saudi-Arabien. Während der Portugiese 200 Millionen Euro pro Jahr verdient, sind es beim Franzosen immerhin 100 Millionen Euro
Nach Cristiano Ronaldo wechselt auch Karim Benzema nach Saudi-Arabien. Während der Portugiese 200 Millionen Euro pro Jahr verdient, sind es beim Franzosen immerhin 100 Millionen Euro
KEYSTONE/EPA/Daniel Gonzalez

Der surreale Transfercoup mit Cristiano Ronaldo war offensichtlich nur der Anfang. Saudi-Arabien strebt nicht nur im Eiltempo dem Status als neue Sport-Supermacht entgegen, sondern könnte schon in diesem Sommer ein niemals für möglich gehaltenes Trio in seiner eigentlich zweitklassigen Pro League vereinen.

Ronaldo ist schon da und auch Frankreichs Weltklasse-Stürmer Karim Benzema verbringt den Herbst seiner Karriere lieber in der asiatischen als in der europäischen Champions League. Dazu sah es lange danach aus, dass auch Weltmeister und Ronaldos Dauerrivale Lionel Messi für seine letzte Karriere-Phase als Spieler in den Golfstaat umsiedeln würde. Dem ist nun aber nicht so. Messi hat ein Angebot von Inter Miami, einer Franchise aus der amerikanischen Major League Soccer, angenommen. Dies bestätigte er am Mittwochabend gegenüber katalanischen Medien. Teilhaber bei Inter Miami ist David Beckham.

Ronaldo rührt die Werbetrommel

Endlose finanzielle Ressourcen und Spieler wie Ronaldo - mit diesen Mitteln will Saudi-Arabien zum Big Player in der Sportszene aufsteigen. Ronaldo, der bei seinem vorher fast unbekannten Klub Al-Nassr rund 200 Millionen Euro pro Jahr verdienen soll, ist bereits als Werbefigur gewonnen. Jüngst hat er sich dafür ausgesprochen, dass weitere Stars nach Saudi-Arabien wechseln sollen. «Wenn die kommen, grosse Spieler und grosse Namen, junge Spieler, alte Spieler: Die sind alle willkommen. Wenn das passiert, wird die Liga besser», sagte der 38-Jährige, der 2016 mit Portugal Europameister wurde.

Natürlich geht es nicht vorrangig um die Liga, sondern eher um die globale Perspektive im Sport. Saudi-Arabien hofft - gemeinsam mit Ägypten und Griechenland - die Fussball-WM 2030 auszurichten. Das ist das wichtigste sportpolitische Ziel des Kronprinzen und faktischen Herrschers des Landes, Mohammed bin Salman. Ein Formel-1-Rennen, Box-Weltmeisterschaften und eine eigene Golf-Serie sowie 2029 die Asien-Winterspiele finden bereits in Saudi-Arabien statt. Doch der Fussball spielt eine noch viel bedeutendere Rolle.

Der Staat macht kein Geheimnis daraus, die ambitionierten Vorhaben grosszügigst zu alimentieren. Die Vereine Al-Nassr (mit Ronaldo) und Al-Ittihad (bald mit Benzema) sowie der Meister der zweiten Liga, Al-Ahli, gingen erst am Montag mehrheitlich in die Hand eines saudischen Staatsfonds über. Dieser hatte vor zwei Jahren bereits federführend den Premier-League-Klub Newcastle United mit dem Schweizer Internationalen Fabian Schär übernommen.

Ronaldo: Liga kann zu Top 5 gehören

Die Vereine wurden also in Unternehmen umgewandelt. Ziel sei auch, damit die saudischen Klubs attraktiver für internationale Stars zu machen. Dem saudischen Königshaus war es in den vergangenen Jahren besonders lästig, dass ausgerechnet Katar dem grossen Nachbarn in der internationalen Sportpolitik den Rang abgelaufen hat. Das soll sich nun - da die WM in Katar Geschichte ist - ändern. In der Liga des Emirats spielten zwar zeitweise Xavi Hernandez und Raul - eine Ansammlung derart klangvoller Namen, wie sie nun in Saudi-Arabien selbst ohne Messi Realität wird, gab es in Katar aber nie.

Kronprinz bin Salman versprach zugleich, die Saudi Pro League unter die besten zehn Ligen weltweit zu bringen. Superstar Ronaldo kann sich da sogar noch ehrgeizigere Ziele vorstellen. «Meiner Meinung nach, wenn sie die Arbeit fortsetzen, kann die saudische Liga in fünf Jahren unter den besten fünf Ligen der Welt sein», sagte der Portugiese, der nach eigenen Angaben ein weiteres Jahr für Al-Nassr spielen wird.

Viel Geld im Spiel

Wie mächtig die Inszenierungen im Golfstaat werden können, hat bereits Ronaldos Vorstellung rund um den Jahreswechsel gezeigt. Für Benzema könnte es in diesem Sommer ein ähnliches Brimborium geben. Doch nicht nur der Show-Faktor ist hoch, sondern erst recht die Gehälter.

Ronaldos 200 Millionen pro Jahr wären bei Messi, der Saudi-Arabien wenigstens als Tourismus-Botschafter erhalten bliebe, noch deutlich gesteigert worden. Für Benzema scheint die Aussicht auf 100 Millionen Euro pro Jahr reizvoller als weitere Titelchancen mit Real Madrid. Ronaldo (38) und Benzema (35) sind zwar nicht mehr die Jüngsten, gehören aber neben ihrem Wert als eigene Marke auch sportlich noch immer zum Kreis der internationalen Spitze.

Vorwurf des Sportswashings

Um ihr Image scheinen sie sich bei einem Wechsel nach Saudi-Arabien nicht zu sorgen. Kritiker werfen dem Land nämlich vor, mit dem Engagement im Profisport den eigenen Ruf aufpolieren zu wollen - im Fachjargon Sportswashing zu betreiben. Unter bin Salman hat sich das konservative Königreich gesellschaftlich zwar geöffnet und gewährt etwa Frauen mehr Freiheiten.

Zugleich werden Gegner der Regierung weiter mit aller Härte verfolgt. Amerikanische Geheimdienste machen den Kronprinzen auch für den brutalen Mord an dem regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi in der saudischen Botschaft in Istanbul verantwortlich.

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