Murat Yakin sucht den EM-Goalgetter
Wer schiesst an der EM in Deutschland die Tore für das Schweizer Nationalteam? Bevor am Freitag, 17. Mai, das Kader verkündet wird, spricht Trainer Murat Yakin über die Personalien im Angriff.
Wer schiesst an der EM in Deutschland die Tore für das Schweizer Nationalteam? Bevor am Freitag, 17. Mai, das Kader verkündet wird, spricht Trainer Murat Yakin über die Personalien im Angriff.
Die Europameisterschaft rückt näher, noch gut fünf Wochen dauert es, bis die Schweiz in Köln ihr erstes Gruppenspiel bestreitet. Der erste Zusammenzug ist bereits am 27. Mai angesetzt. An diesem Montag wird sich der Grossteil des Kaders fürs Vorbereitungscamp in St. Gallen versammeln. Doch wer sind die Spieler, welche die Schweiz an der 17. Austragung der Europameisterschaft vertreten werden? «Das Gerüst steht», sagt Yakin im Gespräch mit Keystone-SDA. «Ein bisschen Luft rundherum besteht noch.»
Die grösste Frage, welche die Schweiz derzeit beschäftigt, ist die nach dem Goalgetter. Aus den letzten fünf Partien resultierten nur drei Treffer. Der in der Qualifikation beste Torschütze, Zeki Amdouni (sechs Tore), erlebte bei Premier-League-Abstiegskandidat Burnley ein schwieriges Jahr und verlor sowohl im Klub als auch im Nationalteam den Stammplatz. Die zweitbesten Torschützen der Qualifikation sind Renato Steffen, der seine drei Tore alle im ersten Spiel gegen Belarus erzielte, und Ruben Vargas mit ebenfalls drei Treffern.
Volles Vertrauen in Embolo
Theoretisch ist der Fall klar: Mit Breel Embolo ist seit einigen Wochen der Stürmer zurück auf dem Platz, auf den im Nationalteam zuletzt stets Verlass war. Mit seinen vier Toren in seinen letzten sechs Nati-Pflichtspielen verhalf er dem Team zu den wichtigen Siegen gegen Spanien, Tschechien, Kamerun und Serbien.
Jedoch hat der 27-Jährige in dieser Saison kaum Spielpraxis gesammelt. Nach seinem Kreuzbandriss ist er erst zu vier Teileinsätzen für Monaco gekommen, wobei er bereits wieder einen Treffer erzielte. Für Yakin ist daher klar, dass er nicht auf Embolo verzichten kann. «Breel ist an der EM dabei», hält er bereits fest. Natürlich immer unter der Voraussetzung, dass er in den verbleibenden Partien keinen Rückschlag erleidet.
Der Angreifer hat zuletzt aber vor allem neben dem Platz Schlagzeilen gemacht. Sein Name tauchte in Prozessen wegen Drohung und angeblich gefälschter Covid-Zertifikate auf. Darauf möchte der Nationaltrainer jedoch nicht eingehen. «Das sind Geschichten, die ein paar Jahre zurückliegen», wiegelt Yakin ab. Embolo sei nun «älter und reifer» geworden. Dass der langjährige Fan-Liebling nun verschmäht werden könnte, bezweifelt der 49-Jährige. «Sobald er sein erstes Tor an der EM erzielt, ist vieles wieder vergessen.»
Mögliches Comeback von Seferovic
Die Torerfolge an der EM kann Yakin jedoch nicht von einem Spieler abhängig machen, der fast die gesamte Saison verpasst hat. Wie schwierig die Situation ist, zeigt der Umstand, dass beim letzten Zusammenzug plötzlich Namen wie Haris Seferovic oder Joël Monteiro fielen. Der «Mann aus Sursee» erhielt in der Qualifikation bloss eine halbe Stunde Einsatzzeit und wurde seit seinem Wechsel in die Vereinigte Arabische Emirate nicht mehr berücksichtigt. Und Monteiro verfügt noch immer nicht über den Schweizer Pass.
«Die Türe für Haris war nie zu», bekräftigt Yakin nochmals. Für den 32-Jährigen gelte dasselbe wie für die anderen: «Wir beobachten jedes Wochenende und sammeln von allen Spielern die Daten.» Tatsächlich befindet sich Seferovic mit Al-Wasl auf Meisterkurs – auch dank dessen neun Toren, die er in 21 Meisterschaftsspielen erzielt hat (vier weitere in den Cup-Wettbewerben). Doch was sind diese auf diesem Niveau wert? Yakin erklärt, dass solche Faktoren in die interne Bewertung einfliessen. Für den 93-fachen Nationalspieler spricht derweil, dass er im Team bestens bekannt ist.
Dies ist das grosse Minus bei Monteiro. Der YB-Stürmer, der den Schweizer Pass nach letzten Informationen des Fussballverbandes noch vor der EM erhalten soll, verfügt über Qualitäten, die Yakin schätzt. «Er hat gute körperliche Voraussetzungen, ist gross und schnell. Das sind wichtige Elemente für einen Stürmer», so Yakin. Und mit zwölf Meisterschaftstreffern weist auch der 24-Jährige eine ansehnliche Quote auf. «Leider hat er sich jetzt zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt verletzt.»
Kein Bedauern in der Causa Tabakovic
Es gibt einen Schweizer, der mit derzeit 21 Toren auf bestem Weg ist, die Torschützenkrone der Liga zu gewinnen: Haris Tabakovic, der Stürmer des Zweitligisten Hertha BSC, kommt trotzdem nicht für ein EM-Aufgebot infrage. Im November des letzten Jahres entschied sich der 29-jährige Grenchner für einen Nationenwechsel und gab sein Debüt für Bosnien.
Bedauern, dem Stürmer keine Chance gegeben zu haben, verspürt Yakin jedoch nicht. «Haris wird in diesem Jahr 30 Jahre alt und spielt in der 2. Bundesliga», so der Nationaltrainer. «Ich sage nicht, dass die Liga schlecht wäre. Aber was wäre sein Aufgebot nach der WM für ein Zeichen gegenüber unseren jungen Angreifern gewesen?» Als Beispiele nennt Yakin neben dem 23-jährigen Zeki Amdouni auch Noah Okafor (23, AC Milan), Ruben Vargas (25, Augsburg), Andi Zeqiri (24, Genk) und Dan Ndoye (23, Bologna). Für ihn und den Verband habe es Priorität gehabt, diese jungen Spieler noch mehr ins Team zu integrieren, sagt Yakin.
Deshalb wird der Nationaltrainer wohl auch an der EM neben Embolo auf die junge Garde zählen, bei der Kaderverkündung nächste Woche in Lausanne vielleicht aber auch eine Überraschung aus dem Hut ziehen.