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Der FCZ und das heikle Jahr der Bestätigung

Meistertrainer weg, Mittelfeld-Stabilisator weg, bester Torschütze weg: Der FC Zürich steigt mit einigen Unwägbarkeiten in die Saison der Bestätigung. Und doch strotzt der Präsident vor Zuversicht.

Agentur
sda
15.07.22 - 03:00 Uhr
Fussball

Ist es die Euphorie, die ihn noch beflügelt? Oder ist es tatsächlich so, wie Ancillo Canepa es sagt: dass die FCZ-Ausgabe 2022/23 noch besser ist als die letztjährige? Und dass Franco Foda die absolute Idealbesetzung für die Nachfolge des in die Bundesliga abgewanderten Trainers André Breitenreiter ist?

Das Hoch im Hause Canepa hat die Hitzewellen bislang überdauert. Genüsslich berichtet der Präsident zwei Tage vor dem Meisterschaftsstart vom gestiegenen Interesse an seinem Klub. Gegen 9000 Saisonkarten habe man abgesetzt im Vergleich zu 4000 im Vorjahr. Und als der FCZ mit dem Meisterkübel per Schiff über den Zürichsee tingelte, sei der Zuspruch an den Anlegestellen riesig gewesen. Dass der Kapitän den autogrammfreudigen Präsidenten nach dem Halt in Meilen vergass, könnte Canepa so gedeutet haben, dass der FCZ-Dampfer derzeit auch ohne ihn rundläuft.

Im Zuge des Meistercoups musste der FCZ in der Zwischensaison indes nicht nur den Trainer (zu Hoffenheim) ziehen lassen. Mit Assan Ceesay (zu Lecce in die Serie A) und Ousmane Doumbia (zum ambitionierten Ligakonkurrenten Lugano) verliessen auch zwei Schlüsselspieler die Mannschaft. Ceesay hinterlässt eine Lücke von 20 Ligatoren (und 11 Vorlagen), Doumbia war als omnipräsenter Aufräumer das defensive Gewissen im Mittelfeld. Hinzu kommt die Ungewissheit, ob der Abwehrchef Becir Omeragic und der 18-jährige Shootingstar Wilfried Gnonto auch nach der Schliessung des internationalen Transferfenster Ende August noch Teil des Teams sind.

Gnonto und Omeragic ungewiss

Unmittelbar vor dem Auftakt am Samstag, der zum Unverständnis der Zürcher auf dem Kunstrasen der Young Boys und nicht etwa in einem Derby beim FC Winterthur erfolgt, wartet der Klub noch auf ein akzeptables, sprich siebenstelliges Angebot für den umworbenen italienischen Neo-Internationalen Gnonto, dessen aktuelles Arbeitspapier mit dem FCZ bis 2023 läuft. Stimmt die Offerte, würde sich der FC Zürich wie im Fall von Becir Omeragic nicht querstellen. Jedoch lagen die bisherigen Gebote für Gnonto aus Italien und den Niederlanden deutlich unter den Erwartungen. Das bestätigte Interesse des Premier-League-Klubs Leeds ist noch lose, könnte Canepas Vorstellungen aber eher entsprechen, sollte sich etwas Konkretes ergeben.

Das Wunschszenario wäre, dass Gnonto in diesem Sommer für gutes Geld verkauft wird, dem Klub aber leihweise erhalten bleibt. «Noch eine Saison in der Super League würde ihm guttun», findet Zürichs Sportchef Marinko Jurendic. «Er war ja letzte Saison noch nicht mal Stammspieler», meint Canepa. Wie realistisch das Szenario mit der Leihe ist, lässt sich schwer abschätzen.

Auch ein Abgang von Omeragic scheint nicht unwahrscheinlich. Im Alter von 20 Jahren weist der Schweizer Internationale bereits die Erfahrung von 79 Super-League-Partien (und vier Länderspielen mit dem A-Nationalteam) vor. Jurendic attestiert dem Innenverteidiger die Reife für den Schritt ins Ausland, sieht aber eine Einschränkung: «Er wäre aus sportlicher Sicht parat, die Meniskusverletzung vom Frühling hat ihn aber zurückgeworfen.»

Besser als im Meisterjahr?

Unabhängig vom Verbleib der beiden Talente lautet eine der spannenden Fragen, wie gut sich der auf mehreren Schlüsselpositionen modifizierte Sensationsmeister im kniffligen Jahr der Bestätigung schlägt. Auf dem Papier scheint das Loch im Gefüge gross. Und doch ist Ancillo Canepa überzeugt, dass sein Klub ohne Qualitätsverlust geblieben ist. Die Frage, wie er die Mannschaft im Vergleich zur Vorsaison einstufe, beantwortet der Präsident so: «Besser!»

Besser? «Das Gerüst der Mannschaft ist ja noch da, und die Zugänge sind qualitativ besser als die Abgänge», führt Canepa aus. «Doumbia war defensiv stark, der beste Staubsauger der Liga, aber nach vorne kam nicht viel. Cheick Conde kann beides. Ceesay machte 20 Tore, aber erst im vierten Jahr.» Ihn sollen der robuste Ivan Santini und der norwegische Internationale Ole Selnaes vergessen machen, hinzu kommt der neue Flügelspieler Jonathan Okita, der in den Testspielen zu gefallen. Und die möglichen weiteren Abgänge? Auf die Eventualitäten mit Omeragic und Gnonto sei man vorbereitet, sagen Canepa und Jurendic.

Aller Zuversicht zum Trotz wäre ein zweiter Coup des FCZ in der Liga mit den Young Boys und dem FC Basel eine vergleichbar grosse Überraschung. Die Qualifikation für den Europacup - laut Canepa für Schweizer Klubs nebst Transfereinnahmen die einzige Möglichkeit, das strukturelle Defizit zu decken -, bleibe das übergeordnete Ziel, sagt der Präsident.

Kaum Anlaufzeit

Für den diesjährigen Europacup bedingt die dreistufige Qualifikation, dass der FCZ gleich zum Saisonbeginn auf der Höhe sein muss. Bereits am nächsten Dienstag muss der Klub in Aserbaidschan bei Karabach Agdam ran.

Fünf Wochen hatte Franco Foda seit dem Trainingsstart am 10. Juni Zeit, um seine Ideen zu vermitteln. Unter dem 56-jährigen Deutschen, der mit dem österreichischen Nationalteam die WM-Qualifikation verpasste, soll die Mannschaft auf dem Fundament Breitenreiters aufbauen, taktisch aber flexibler agieren. Wie das aussehen könnte, liess sich aus den Testspielen herauslesen: Mal spielte der FCZ mit der bewährten Dreier-/Fünferkette, mal verrichteten vier Verteidiger die Abwehrarbeit. «Die Vorbereitung gefiel mir über weite Strecken sehr gut. Die Mannschaft ist engagiert und wissbegierig», sagt Foda.

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