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Gute Aussichten: Hinter Englands Aufschwung steckt System

Das englische Fussball-Herz blutet weiter. Nach dem erneuten Penalty-Scheitern entlädt sich der Fan-Frust in Ausschreitungen und rassistischen Entgleisungen. Englands Perspektiven sind aber rosig.

Agentur
sda
12.07.21 - 12:24 Uhr
Fussball
England weint - doch die Perspektiven für das Nationalteam sind rosig
England weint - doch die Perspektiven für das Nationalteam sind rosig
KEYSTONE/AP/Dmitri Lovetsky

Einige der enttäuschten Fans kannten nach Englands bitterer Penalty-Niederlage im Final gegen Italien wieder einmal keine Gnade. Über die Fehlschützen Marcus Rashford, Jadon Sancho und Bukayo Saka prasselten in den sozialen Medien so heftige rassistische Beschimpfungen, dass sich der Premierminister Boris Johnson zum Einschreiten genötigt sah. In London kam es zu Ausschreitungen. Die Polizei vermeldete 49 Festnahmen und 19 verletzte Einsatzkräfte, wobei es vor dem Wembley-Stadion schon vor dem Anpfiff zu Scharmützeln gekommen war.

Es ist die Schattenseite von Englands manchmal elektrisierender, manchmal schockierender grenzenloser Fussball-Begeisterung. Zu dieser trägt auch die «Yellow Press» bei. Die englische Boulevardpresse überschreitet auf dem Grat zwischen Unterhaltung und Polemik oft Grenzen. Doch dieses Mal ging sie mit den Three Lions gnädig ins Gericht, das Wort Stolz überwog.

Stolze Presse

Der «Mirror» schrieb nach dem Final-Drama von den «heldenhaften Three Lions», von Englands «zerbrochenem Traum» im Penaltyschiessen. Die BBC meinte: «Es schmerzt für England. Das ist normal. Aber das bleibende Gefühl ist Stolz.» Selbst die berüchtigte Zeitung «The Sun» rückte das Positive in den Vordergrund: «Schon wieder Herzschmerz für die Löwen. Eine Qual, als England im Penaltyschiessen verliert. Aber die Löwen haben uns stolz gemacht. Keine Sorge Jungs, die Weltmeisterschaft ist schon im nächsten Jahr.»

Tatsächlich können die Engländer mit viel Zuversicht in die Zukunft blicken, sobald sich der Schmerz gelegt hat. Der erstmalige Einzug in einen EM-Final ist kein Zufallsprodukt und nicht bloss dem Heimvorteil oder dem glücklichen Los zuzuschreiben. Die Engländer brauchten zwar lange, um ihre Fehler zu erkennen, und noch länger, um diese zu korrigieren. Doch jetzt ist es gelungen, und zwar mit System.

Die Final-Premiere fusst auf einer signifikant verbesserten Nachwuchsarbeit, die sich 2017 an den Junioren-Turnieren erstmals richtig bemerkbar machte. In jenem Jahr triumphierten die Young Lions sowohl an den U20- und U17-Weltmeisterschaften als auch an der U19-EM. Es waren die Vorboten dafür, dass es auch mit dem A-Nationalteam aufwärts gehen würde.

Southgates Kritikpunkt

An seiner zweiten Endrunde als Chef des A-Teams führte der ehemalige Nachwuchskoordinator und U21-Nationalcoach Gareth Southgate England nahe an den ersten Titel seit 55 Jahren heran. Am Ende erlebte der 50-jährige ehemalige Nationalverteidiger aber sein zweites persönliches Penalty-Drama; 1996 war er im EM-Halbfinal der Fehlschütze bei der Niederlage gegen Deutschland gewesen.

Southgate geniesst mehr Kredit als seine Vorgänger. Doch einem Vorwurf kann er sich nach dem verpassten EM-Titel nicht entziehen. Wurde er auf dem Weg in den Final für seinen Pragmatismus gelobt, ist die defensive Spielweise nun wieder der Kritikpunkt.

Gegen Italien opferte Southgate in der Startformation einen weiteren Spieler aus dem hochkarätigen Angriff zugunsten eines fünften Verteidigers. Für die hoch gehandelten Stürmer Jadon Sancho und Marcus Rashford blieb im ganzen Turnier eine Nebenrolle. Sie rückten erst in den Fokus, als sie im entscheidenden Penaltyschiessen scheiterten - nachdem sie in der 120. Minute eingewechselt worden waren.

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