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Alleine kann selbst Lewandowski nicht helfen

Unter Leitung von Robert Lewandowski wollte sich Polen vom Erbe der erfolgreichen Generation der Siebzigerjahre lösen. An der EM stürzt das System «Lewandowski» aber bei erster Gelegenheit ein.

Agentur
sda
15.06.21 - 15:39 Uhr
Fussball
Ein ungewohnter Anblick: Robert Lewandowski hat sich in einem Fussball-Trikot zuletzt selten so enttäuscht gezeigt
Ein ungewohnter Anblick: Robert Lewandowski hat sich in einem Fussball-Trikot zuletzt selten so enttäuscht gezeigt
KEYSTONE/EPA/Kirill Kudryavtsev / POOL

Polens Nationalcoach Paulo Sousa hätte gewarnt sein müssen. Mit Bestimmtheit hat der 50-jährige Portugiese, der den FC Basel 2015 zur Meisterschaft führte, die Geschichte des Champions-League-Finals mitbekommen. Ein taktischer Fehlgriff von Trainer-Überfigur Pep Guardiola könnte Manchester City den Titel in der Königsklasse gekostet haben. Mit unerprobter Aufstellung wollte Guardiola Final-Gegner Chelsea überraschen und überforderte damit sein eigenes Team. Sousa tat es dem Spanier im EM-Auftaktspiel gleich.

Polen ringt seit Jahren mit der Bürde, einen - in dieser Saison sogar den - besten Fussballer der Welt für sich zu reklamieren: Robert Lewandowski. Zuletzt war Jerzy Brzeczek daran gescheitert, ein funktionierendes System «Lewandowski» für das Nationalteam zu etablieren. Anfang Jahr musste er deshalb gehen. Seither steht Sousa Polens Nationalteam vor, hat in sechs Spielen aber weder ein funktionierendes taktisches System noch eine Kern-Mannschaft gefunden.

Gegen die Slowakei liess er die von ihm implementierte Dreierkette in bislang unbekannter Besetzung antreten, im Mittelfeld setzte Sousa erstmals überhaupt von Beginn an auf die Dienste von Torinos Karol Linetty. Für den Start in eine EM-Endrunde ein falsches Signal, ein katastrophales in Polens Fall. Denn mit dem 1:2 wurden die Chancen auf die Achtelfinals empfindlich geschmälert.

Sousa agiert hilflos

Sousas Umstellungen hätten gegen die Slowakei eine bessere Einbindung von Topstar Lewandowski erwirken sollen, sie führten zu einem überforderten Mittelfeld und einer instabilen Abwehr. Beim 0:1 nach einer guten Viertelstunde düpierte Robert Mak die polnische Abwehr im Alleingang, ehe der Ball via Pfosten und Rücken von Wojciech Szczesny ins Tor prallte. Und für die Gegenseite musste Sousa konstatieren: «Das Zentrum des Spiels war zu weit weg von Robert. Unser Angriff hat nicht so funktioniert, wie er sollte.» In 90 Minuten schloss Weltfussballer Lewandowski fünf Mal auf das slowakische Tor ab, Gefahr generierte er aber nie.

In der Heimat trug die Auftaktniederlage Lewandowski viel Kritik ein. Der 32-Jährige, der in der abgelaufenen Bundesliga-Saison den 40-Tore-Rekord des legendären Gerd Müller geknackt hat, sei «einer der Schwächsten auf dem Spielfeld» gewesen, bilanzierte die «Gazeta Wyborca». Für den früheren polnischen Internationalen Kamil Kosowski war dem Spiel seiner Landsmänner kein Konzept anzumerken: «Ich bekam den Eindruck, dass wir nicht wirklich wussten, was, wie und mit wem wir spielen wollten», schrieb der 43-Jährige in seiner Kolumne bei «Przeglad Sportowy».

«Ich hätte mir mehr gute Pässe gewünscht», sagte Lewandowski nach dem Spiel. Dem Ausnahmestürmer ist dieses Problem von Endrunden bekannt. Während er in den Qualifikationsphasen an seine Effektivitätsrate aus dem Klub herankommt, erzielte er an den Europameisterschaften 2012 und 2016 sowie der WM 2018 in Russland addiert nur zwei Tore. Ein Zeichen dafür, dass nicht Lewandowski das Problem ist, sondern die Mitspieler, die ihn gegen grössere Gegner entlasten oder unterstützen sollten. Mit Arkadiusz Milik und Krzysztof Piatek mussten zwei, denen diese Rolle zugetraut worden wäre, für die EM wegen Verletzungen Forfait geben.

Für die Polen hätte die EM 2021 endlich eine Art Erlösung bringen sollen. Alle Generationen werden am Abschneiden des Teams der Siebzigerjahre gemessen, als Polen zum Olympiasieg und zu WM-Bronze stürmte, angeführt vom überragenden Kazimierz Deyna. Auch er galt als einer der besten Fussballer seiner Zeit. Nur war die Last auf mehrere Schultern verteilt. Für Lewandowski ist Hilfe nicht abzusehen. Gut möglich also, dass die Arbeit des Weltfussballers nur im Klub Früchte trägt. Alleine wäre er mit diesem Schicksal nicht.

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