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Ein Augenschein beim Schweizer Auftakt der Geisterspiele

Am Samstagmorgen begann die Zeit der Geisterspiele. Wir nahmen einen Augenschein in Aarau, wo um 11 Uhr das erste Geisterspiel auf Schweizer Boden angepfiffen wurde.

Agentur
sda
07.06.20 - 06:01 Uhr
Fussball

Der Eintritt ins Stadion Brügglifeld ist für die paar wenigen Privilegierten dank der neuen Lockerungen unkomplizierter als angekündigt: doch kein Fiebermessen und doch kein Formular Ausfüllen. Sogar das Stadion-Restaurant ist geöffnet.

Sicherheitsleute sorgen dafür, dass nur Berechtigte aufs Gelände kommen. Ein Sicherheitskonzept sieht gelbe, orange und rote Zonen vor. Aber schnell einmal wird klar: Angst macht das Coronavirus nicht mehr gross. Wer Masken tragen muss, schiebt sie bei jeder Gelegenheit unters Kinn. Dem Türsteher kommt zu spät in den Sinn, dass er eigentlich noch hätte fragen sollen, ob es uns heute gut geht.

Auf dem Brügglifeld mahnt noch wenig an professionellen Fussball. Nur weil die Spieler viel mehr und viel lauter und viel energischer kommunizieren, wird dem Beobachter klar, dass hier nicht Hobby-Kicker am Werk sind. Ein halbes Dutzend Zaungäste schauen von ausserhalb der Anlage zu. Die Matchuhr wird zweimal zu spät gestartet. Anstoss hat zu Beginn beider Halbzeiten das Heimteam, was wiederum keinem Akteur auffiel, weil beide Teams ohnehin bei Halbzeit das gesamte Personal auswechselten.

Die Stimmung zusammengefasst: Alle sind froh, dass wieder Fussball gespielt werden darf, auch wenn es niemandem Freude bereitet, dies im leeren Stadion zu tun. «Es war sehr angenehm, wieder einmal ein Spiel zu sehen», sagt Andres Gerber, der Sportchef des FC Thun, nach dem Spiel. «Wer Bundesliga schaut, hat sich an Geisterspiele bereits gewöhnt. Es war nicht mehr speziell.»

Stefan Glarner, Thuns Captain, ordnet die Partie in Aarau (1:1) im Rückblick «wie ein typisches Vorbereitungsspiel» ein. Die Stimmung werde in den nächsten Wochen sicher fehlen.

Innovationen für Geisterspiele

Die fehlende Stimmung wird niemand wegreden können. Versuchsballons wurden schon mehrere gestartet. Ein deutscher Entwickler erfand eine Anfeuerungs-App für Fans, mit der auch bei Geisterspielen trotz leerer Ränge Stimmung im Stadion gemacht werden kann. Der FSV Frankfurt testet dieses Modell. Fernsehsender bieten Ton-Optionen an, die vorgaukeln, es wären Fans im Stadion. Die Fans von RB Leipzig organisierten 100 Banner mit motivierenden Sprüchen, um das Stadion optisch aufzupeppen. Die Banner wurden schliesslich nicht ausgehängt, weil die eine oder andere Aussage in Anbetracht der Krise mit schon fast 400'000 Toten weltweit nicht mehr angebracht war. Und auch die Aktion von Borussia Mönchengladbach mit 1000 Pappfiguren wird in der Schweiz kaum Nachahmer finden. Geisterspiele sollen Geisterspiele bleiben.

Mit richtigen Geisterspielen wird die Saison in der Schweiz nicht zu Ende gespielt. Seit Samstag sind Veranstaltungen mit 300 Anwesenden erlaubt; ab dem 5. Juli und nach den nächsten Lockerungsschritten dürften es mehr werden, eventuell 1000. Die Young Boys hoffen insgeheim sogar, im Juli womöglich 5000 Leute ins Stadion lassen zu dürfen, so dass sie alle ihrer 20'000 Saisonkarten-Besitzer zu einem der letzten vier Heimspiele einladen dürften.

Immer mehr Klubs entscheiden sich dazu, die gegebenen Möglichkeiten auszunützen. Der FC Aarau wird für jedes Heimspiel in der Challenge League wie die meisten Klubs der zweithöchsten Liga 300 Leute ins Stadion lassen. Rund 150 Plätze sind für die Teams, Betreuer, Offizielle, Medien und Stadionpersonal vergeben. Die übrigen 140 bis 150 Plätze will der FCA unter allen Interessensgruppen (Sponsoren, Gönner, Fans, Saisonkartenbesitzer) gleichmässig verteilen.

Für Geisterspiele in der Super League bleiben nebst den Kontingenten für Teams, Offizielle und Medien im nächsten Monat nur 50 bis 100 Plätze übrig. Aber auch in der Super League überlegen sich die Klubs, Leute ins Stadion einzuladen. Der FC Basel beispielsweise will die verfügbaren Plätze unter die Dauerkartenbesitzer verlosen.

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