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«Persönliche Befindlichkeiten müssen im Hintergrund bleiben»

Stephan Lichtsteiner ist 35 und zurück im Nationalteam. Als Captain tut er, was er von einem Captain erwartet: Er gibt Gas und stellt die Mannschaft über alles. Für Shaqiri bricht er eine Lanze.

Agentur
sda
10.10.19 - 10:18 Uhr
Fussball

Stephan Lichtsteiner, nach mehr als einem halben Jahr sind Sie wieder Teils des Nationalteams. Fühlt es sich anders an als früher?

«Es ist wie immer. Klar, als Fussballer weisst du, dass es irgendwann vorbei ist. Meine Karriere dauert nicht mehr ewig, darum will ich es geniessen, so lange es geht. Dass ich überhaupt in meinem Alter noch auf diesem Level bin und zur Landesauswahl der Schweiz gehöre - einer Top-15-Nation -, ist ein Leistungsausweis. Das macht mich stolz und gibt mir viel.»

Hat Sie das Aufgebot überrascht?

«Ich rechnete nicht damit, bin aber auch nicht überrascht. Ich sagte immer, dass ich bereit bin, wenn es mich braucht.»

Wie interpretieren Sie das Captain-Amt? Hat sich durch die längere Absenz etwas an der Auffassung geändert?

«Als Captain bist du grundsätzlich nicht der König, der von allen auf Händen getragen wird. So geht das nicht. Die Leistung steht über allem. Es gilt, Vorbild zu sein und Verantwortung zu übernehmen. Wenn etwas ist, dann ist es die Aufgabe des Captains zu helfen. Aber wenn du nicht lieferst und nicht Gas gibst, hast du als Captain keine Glaubwürdigkeit. Du musst mit gutem Beispiel vorangehen, und zwar nicht nur an den Wochenenden, sondern auch in den Trainings. Dass ich eine Weile nicht dabei gewesen bin, ändert nichts an dieser Haltung.»

Kevin Mbabu, ein anderer Anwärter auf den Platz rechts hinten, kam bei Wolfsburg in der Bundesliga erst elf Minuten zum Einsatz. Sie sind jetzt Stammspieler bei Augsburg. Fänden Sie es legitim, dass Sie am Samstag gegen Dänemark beginnen?

«Die Frage, wer spielt, beantwortet der Trainer und niemand sonst. Er alleine entscheidet. Meine Aufgabe ist es, optimal vorbereitet zu sein, damit ich bereit bin, wenn ich eingesetzt werde. Ich wusste in meiner ganzen Karriere nie am Montag, dass ich am Wochenende spiele, weder im Nationalteam noch im Klub. Als Spieler musst du dir im Klaren sein, dass es immer um die Mannschaft geht. Persönliche Befindlichkeiten müssen im Hintergrund bleiben. Daran, dass sich Kevin Mbabu im Ausland durchsetzen wird, habe ich keine Zweifel. Die ersten Monate im Ausland sind schwierig, aber Kevin hat seine Qualitäten.»

Einige Spieler und auch der Trainer kritisierten in den letzten Tagen die Negativität der Medien im Zusammenhang mit dem Nationalteam. Wie nehmen Sie das Ganze wahr?

«Zu einem gewissen Grad gehört das dazu. Aber ich finde schon auch, dass es zuletzt zu viel geworden ist. Du bekommst immer wieder die gleiche Frage gestellt, und irgendwann denkst du: Jetzt ist es dann auch mal genug, diese Frage habe ich doch schon oft genug beantwortet, warum muss ich das Gleiche jetzt noch einmal sagen?»

Sie spielen auf die Captain-Frage an.

«Ja. Dabei ist dieses Thema doch längst geklärt. Die Hierarchie ist klar und wurde sowohl nach aussen als auch intern längst unmissverständlich kommuniziert. Selbst ich, der in den letzten Spielen nicht dabei war, musste diese Frage in vielen Interviews aufs Neue beantworten. Das kann schon mühsam sein. Wir sind um ein gutes Verhältnis mit den Medienschaffenden bemüht, aber irgendwann müssen die Journalisten verstehen, dass du auf eine immer wiederkehrende Frage nicht mehr antworten willst.»

Finden Sie, der Fall Shaqiri/Petkovic wurde von den Medien falsch dargestellt?

«Ich habe ein paar Mal gesagt, dass Xherdan immer Topleistungen gezeigt hat, wenn er für das Nationalteam spielte. Er kam immer gerne, trainierte ausgezeichnet und hatte es mit allen gut. Von dem her kann ich die Berichte über das angeblich ramponierte Verhältnis nicht unterzeichnen. Ich hatte nie das Gefühl, dass es da ein Problem gibt, wirklich nie. Für uns ist Shaq als Spieler und auch als Mensch sehr wichtig. Entsprechend froh sind wir, wenn er wieder dabei ist.»

In der Aufarbeitung der Doppeladler-Affäre und dem Achtelfinal-Aus an der WM sagten Sie, es sei einiges kaputt gegangen. Worauf bezog sich diese Aussage?

«'Kaputt gegangen' ist wohl der falsche Ausdruck. Es war einfach anders danach. Es gab sehr viele Wechsel und sehr viel Unruhe, nachdem es zuvor lange ruhig gewesen war. Vier, fünf Spieler sind nicht mehr dabei, die diese Mannschaft über Jahre geprägt haben. Dass sich dadurch etwas verändert, ist normal, und dass man mit den jungen Spielern etwas Zeit braucht, ebenfalls. Ich sehe nach wie vor viel Qualität, und die Mannschaft hat auf und neben dem Platz Spass. Was vielleicht ein bisschen kaputt gegangen ist, ist das Verhältnis zwischen Mannschaft und Medien sowie Bevölkerung. Wobei ich nach wie vor einen grossen Rückhalt von aussen spüre.»

An der Kommunikation in Ihrem Fall seit der WM haben Sie nichts zu bemängeln?

«Von Verbandsseite ist für mich alles so gelaufen, wie es sollte. Der Trainer kommunizierte immer offen mit mir und ich auch mit ihm. Ich hatte zu keiner Zeit ein Problem mit der Situation, weil ich auch wusste, dass ich ein gewisses Alter erreicht habe und der Fall früher oder später eintritt, dass es nicht mehr reicht. Dass sich der Trainer auf dieses Szenario vorbereitet, ist doch ganz normal.»

Zeigt der Besuch von Vladimir Petkovic in Augsburg nicht, dass es etwas zu bereden gab?

«Nein. Es war einfach wichtig, dass wir uns mal in Ruhe unterhalten konnten nach dem, was alles geschrieben worden ist. Ansonsten bin ich nicht der Typ, der einen Besuch als Zeichen der Wertschätzung benötigt.»

Was wurde beredet?

«Das bleibt intern. Ich kann euch sagen, was wir gegessen haben, aber ich sage nicht, was wir besprochen haben.»

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