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Der Fussball soll wieder in den Vordergrund rücken

Die Schweiz ist bei Halbzeit der EM-Qualifikation sportlich auf Kurs, die vergangene Woche wurde aber von Personaldebatten überschattet. Diese müssen vor den Spielen im Oktober geklärt werden.

Agentur
sda
10.09.19 - 06:00 Uhr
Fussball

«Mich stört, dass wenig über Fussball geschrieben wird», sagte Granit Xhaka am späten Sonntagabend in den Katakomben des Tourbillons, kurz bevor er und seine Kollegen das Sittener Stadion verliessen. «Vielleicht müssen wir wieder einmal ein Spiel verlieren.» Es war einer der letzten Sätze einer turbulenten Woche, in der rund um die Nationalmannschaft viel gesprochen und geschrieben worden war - und in der Diskussionen um einzelne Personalien und das Innenleben der Mannschaft wieder aufbrachen.

Der Fall Shaqiri

Er war der Stein des Anstosses der aufflammenden Debatten: Der freiwillige Verzicht von Xherdan Shaqiri auf die Spiele in Irland und gegen Gibraltar. Befindet er sich in einer persönlichen Krise? Macht ihm die unbefriedigende Situation in Liverpool zu schaffen? Fühlt er sich in der Nationalmannschaft zu wenig wertgeschätzt? Ist er beleidigt, weil der jüngere Granit Xhaka in der Hierarchie über ihm steht? Und wie ist das Verhältnis zu Vladimir Petkovic? Dieses könnte besser sein, hatte der Nationaltrainer gesagt. So lange sich Shaqiri öffentlich nicht äussert, werden die Spekulationen um seine Person weitergehen. Sportlich ist er für die Nationalmannschaft unverzichtbar.

Ein Captain auf Abruf

Petkovic tut sich und dem Team keinen Gefallen, wenn er die Rolle von Stephan Lichtsteiner weiter offenlässt und gegenüber seinem Captain nicht klar Stellung bezieht. In den letzten Tagen machte Lichtsteiner gegenüber diversen Medien unmissverständlich klar, dass er bereit ist. Das Ziel des 105-fachen Internationalen ist die Teilnahme an der EM 2020. Beim Zusammenzug im Oktober muss Petkovic Farbe bekennen. Sportlich würde eine Ausbootung des Neo-Augsburgers allerdings keinen Sinn machen. Sowohl beim 3:3 gegen Dänemark im März als auch beim 1:1 in Irland hätte Lichtsteiners Routine in der Schlussphase der Mannschaft gut getan. Zudem war in Dublin zu spüren, dass Kevin Mbabu bei Wolfsburg nicht erste Wahl ist.

Das Innenleben der Mannschaft

Nicht nur Xhaka tadelte die Medien. Das Team solidarisierte sich nach der Kritik am Auftritt gegen Irland und der aufkommenden Hierarchie-Diskussion und reagierte auf Fragen nach dem internen Betriebsklima schnippisch. Den Anfang machte Remo Freuler, Yann Sommer sah sich an der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Gibraltar sogar genötigt, einen Appell an die Journalisten zu richten. «Wir haben keine Probleme im Team», sagte Xhaka am Sonntagabend. «Man versucht immer wieder von aussen, die Mannschaft zu ärgern, was völlig unnötig ist.» Dass nicht alles so harmonisch ist, hatte allerdings Xhaka selber im SRF-Interview nach dem 4:0 gegen Gibraltar angetönt. «Wir werden die Probleme in den nächsten Wochen regeln. Dann geht es im Oktober nur noch um das Sportliche.»

Die Umwälzungen im Verband

Die Verbandsspitze hat sich seit dem Achtelfinal-Out an der WM 2018 rundum erneuert. Vladimir Petkovic ist der letzte verbliebene SFV-Funktionär, der die Turbulenzen während und im Nachgang des Turniers in Russland mitzuverantworten hatte. Zwar schaffte er es, die Mannschaft spielerisch weiter zu entwickeln und eine grössere Breite im Team zu schaffen. Der Umbruch verlief aber nicht ohne Misstöne. Auch mehr als ein Jahr nach Russland ist die Nationalmannschaft noch nicht zur Ruhe gekommen. Als Folge des Sommers 2018 wurde mit reichlich Verspätung Pierluigi Tami als Nationalmannschaft-Direktor dem Trainer zur Seite gestellt. Der Tessiner will erst nach Ende der Qualifikation seine Erkenntnisse präsentieren, intern ist er in den nächsten Wochen bereits gefordert. Er und Petkovic müssen mögliche Verstimmungen beseitigen und Klarheit schaffen, bevor es im Oktober in die entscheidende Phase der Qualifikation geht.

Die sportliche Ausgangslage

Mit vier gewonnenen Punkten war die Schweiz der Gewinner der letzten Woche - dank Georgien, bei dem Dänemark zwei Punkte liegen liess. Auch wenn die SFV-Auswahl mit einem Spiel weniger derzeit nur auf Platz 3 liegt, hat sie die Vorteile in ihrer Hand. Vorausgesetzt, die Schweiz gewinnt zum Abschluss der Kampagne gegen Georgien und in Gibraltar, reichen ihr in den beiden Oktober-Partien gegen die direkten Konkurrenten zwei Punkte, um sich eines der beiden EM-Tickets zu sichern. Auch bei einem Remis und einer Niederlage wäre noch nicht alles verloren. Dann hätten die Schweizer ihr Schicksal aber nicht mehr in den eigenen Händen.

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