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Strassenschlachten, ein Toter und Rassismus in Mailand

In Mailand stirbt ein Inter-Fan bei Ausschreitungen. Im Stadion gibt es rassistische Gesänge gegen Napoli-Spieler. Nun denkt Italiens Verbandspräsident sogar über den Abbruch der Serie-A-Saison nach.

Agentur
sda
27.12.18 - 16:43 Uhr
Fussball
Napoli-Trainer Ancelotti und sein ausgeschlossener Abwehrchef: "Beim nächsten Mal verlassen wir das Spielfeld"
Napoli-Trainer Ancelotti und sein ausgeschlossener Abwehrchef: "Beim nächsten Mal verlassen wir das Spielfeld"
KEYSTONE/EPA ANSA/MATTEO BAZZI

Der italienische Fussball versinkt kurz vor Jahresende wieder einmal im Chaos. Schuld daran sind die Fans von Inter Mailand. Rassistische Gesänge und Strassenschlachten rund um das Spiel gegen Napoli führten am Mittwoch fast zum Spielabbruch und forderten einen Toten.

Die Bilder dazu erinnern an Kriegsszenen. Verwüstungen in den Strassen, brennende Autos und Container, verletzte Menschen und Sirenengeheul. Vor dem Stadion Giuseppe Meazza in Mailand war vor dem Serie-A-Spiel zwischen Inter Mailand und Napoli, der Top-Affiche der 18. Runde am Stephanstag, der Teufel los. Die Mailänder Ultras traten als Aggressoren auf und hatten am Ende selbst einen Toten zu beklagen.

Gemäss Angaben der Polizei hatten rund hundert Fans von Inter Mailand mit Stangen und Steinen einen Mini-Bus mit Ultras aus Neapel angegriffen. Was danach passierte, ist noch unklar: Wahrscheinlich fuhr der Mini-Bus in die angreifende Menge und überfuhr einen 35-jährigen Norditaliener aus Varese - ein der Polizei bekannter Mann aus dem Fan-Lager des Provinzvereins Novara. Der Mann erlag am frühen Donnerstagmorgen seinen Verletzungen im Spital.

Die Mailänder Fan-Horden waren auf ihrem gewalttätigen Saubannerzug gegen Supporter von Napoli nicht allein. Wie bekannt wurde, sollen sich auch Fans aus den verbrüderten Lagern der Klubs von Novara und OGC Nice beteiligt haben. Auf Nebenschauplätzen gab es zudem unzählige Messerstechereien. Mindestens vier Menschen wurden dabei teilweise schwer verletzt.

Die beiden Teams und die meisten der rund 64'000 Zuschauer im Giuseppe Meazza wussten von den Vorfällen in den Seitenstrassen des Stadion-Quartiers nichts. Doch auch für sie hielten die Inter-Ultras ihre unwürdige Show bereit. Wie so oft, wenn Napoli im Norden antritt, gab es Schmähgesänge mit rassistischem Inhalt gegen die Spieler aus dem Süden - mit Vorliebe gegen solche mit dunkler Hautfarbe.

«Beim nächsten Mal verlassen wir das Spielfeld», sagte Napolis Trainer Carlo Ancelotti hinterher. Sein Abwehrchef, der Senegalese Kalidou Koulibaly, hatte sich während der Partie nicht mehr unter Kontrolle und flog zehn Minuten vor Schluss wegen Reklamierens beim Schiedsrichter vom Platz.

Zwei Stadionsperren für Inter

Der Mailänder Polizei-Chef fordert nun ein hartes Vorgehen gegen das Inter-Publikum. Die Curva Nord, dort wo die Ultras und der militante Teil der Fans die Spiele verfolgen, soll bis Ende März gesperrt werden. Ausserdem sollen Inter-Fans bis zum Saisonende nicht mehr zu Auswärtsspielen reisen dürfen. Einen ersten Entscheid hat die Lega Calcio bereits gefällt. Inter Mailand muss seine nächsten beiden Heimspiele gegen Sassuolo und Bologna unter Ausschluss der Öffentlichkeit austragen.

Der italienische Verbandspräsident Gabriele Gravina ging in seinen Gedanken sogar noch weiter. «Jetzt ist es genug. Was geschehen ist, darf nicht mehr toleriert werden. Nun braucht es etwas Radikales.» Er dachte laut darüber nach, die ganze Saison der Serie A abzubrechen. «Wir müssen uns Gedanken darüber machen. Es ist auch ein Problem der öffentlichen Sicherheit und soll auch so behandelt werden. Selbst wenn wir über die Frage diskutieren müssen, ob überhaupt noch gespielt werden soll oder nicht.»

Zu einem Abbruch der Serie-A-Meisterschaft 2018/19 kommt es selbstredend nicht. Auch die Runde vom Samstag, dem Abschluss der Vorrunde, finde regulär statt, teilte Gravina später mit. «Aber wir müssen eine harte Linie fahren. Wir müssen die Reglemente anpassen, damit die Schiedsrichter in ähnlichen Fällen die Spiele abbrechen können.»

Innenminister mit Nähe zur Ultra-Szene

Im Verlaufe des Tages meldete sich auch Innenminister Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Regierungspartei Lega Nord zu Wort. «Man darf nicht wegen eines Fussballspiels sterben. Anfang nächstes Jahr biete ich die Verantwortlichen der Fan-Gruppierungen und Vereine der Serie A und B zu einem Gespräch auf. Die Stadien und ihre Umgebung müssen wieder ein gewaltloser Ort der Freude und des Spasses werden.»

Salvini nahm in seinem Tweet nur Bezug auf die Ausschreitungen vor dem Stadion von Mailand. Die rassistischen Gesänge gegen die Napoli-Spieler im Giuseppe Meazza erwähnte er nicht. Für den Stadtpräsidenten von Neapel, Luigi de Magistris, ist das keine Überraschung. «Hätte dieses Spiel abgebrochen werden können? In einem Land, dessen Innenminister noch vor wenigen Jahren selbst in der Kurve stand und selbst rassistische Lieder sang?», lautete seine rhetorische Frage über Twitter.

Innenminister Matteo Salvini ist bekennender Milan-Fan und hat sich erst vor wenigen Tagen bei einem Treffen zum 119. Geburtstag seines Lieblingsvereins mit führenden Köpfen aus der Mailänder Ultra-Szene ablichten lassen.

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