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Frankreichs freiwillig stiller Held

Die Schlagzeilen nach Frankreichs Finaleinzug an der Heim-EM gehören eindeutig Antoine Griezmann. Beim 2:0-Sieg gegen Deutschland hilft mit Goalie Hugo Lloris aber auch ein anderer tatkräftig mit.

Südostschweiz
09.07.16 - 07:16 Uhr
Fussball

Eine Auszeichnung als Top-Entertainer wird Hugo Lloris zumindest in seiner Zeit als Profifussballer wohl nicht mehr erhalten. Wenn er bei Medienkonferenzen vorne auf dem Podium sitzt, fallen seine Antworten zwar sachlich, aber eben auch emotionslos aus. "Einer, von dem bislang kein Gefühlsausbruch, kein ironisches oder pointiertes Statement in Erinnerung geblieben ist", wie der "Spiegel" vor rund zwei Wochen in einem Porträt den Goalie beschrieb. "Für die Franzosen gilt er als nichtssagender Durchschnittsprofi".

Dafür hat es der aus gutem Hause stammende Lloris - sein Vater ist Banker in Monte Carlo, seine verstorbene Mutter war eine Anwältin - aber sehr weit gebracht in seiner Karriere. Er ist seit letztem Sommer Captain bei Tottenham Hotspur, vor seinem Transfer nach London war er es bei Lyon und seit Februar 2012 (damals unter Laurent Blanc) ist er es auch permanent in Frankreichs Nationalteam. Er sei ein stiller, aber guter Leader, sagen die einen. Für andere besitzt er zu wenig Strahlkraft und hat er zu wenig Durchsetzungsvermögen abseits des Platzes.

Sein ehemaliger Coach Frédéric Antonetti, der ihn 2006 in Nizza zur Nummer 1 gemacht hatte, beschreibt Lloris als "nicht einfachen Kunden für Journalisten". Dafür sei er perfekt für einen Trainer. "Ich würde nicht sagen, er drescht Phrasen. Er sagt das Wichtigste." Das sei in der Kabine das gleiche. "Er spricht wenig, aber man hört ihm zu", so Antonetti. Über Lloris' Rolle in der "Equipe Tricolore" sagt ein Fakt eigentlich alles aus. Der Final gegen Portugal wird das 58. Spiel seit 2010, in dem er sein Team auf das Feld führen wird. Er hat Trainer Didier Deschamps mit dem Achtelfinal gegen Irland als Rekord-Captain abgelöst.

In seinem vierten grossen Turnier als Stammgoalie wusste Lloris bislang zu überzeugen. Bemerkenswert sind insbesondere seine Reflexe auf der Linie. Allein im Halbfinal gegen Deutschland verhinderte er damit gegen Emre Can (14.) und Bastian Schweinsteiger (27.) zweimal den drohenden 0:1-Rückstand, dazu in der Schlussphase gegen Joshua Kimmich das Anschlusstor.

Davon sprach nach dem Einzug ins Endspiel aber kaum niemand. Das war dem Goalie mit dem starken südfranzösischen Akzent durchaus recht. Die Showbühne überlässt er lieber den anderen. Am Sonntag wird er im Erfolgsfall nicht darum herumkommen, im Rampenlicht zu stehen. Dem Captain des siegreichen Teams in Saint-Denis wird die Coupe Henri-Delaunay überreicht.

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