×

Wie weiter mit dem SC Bern?

Vor nicht allzu langer Zeit war der SCB noch der Liga-Primus. Mittlerweile sind die Berner nicht einmal mehr die Nummer 1 im Kanton. Nach dem Playoff-Out steht der Klub vor schwierigen Entscheiden.

Agentur
sda
28.03.23 - 04:30 Uhr
Eishockey

Biels Siegtor im sechsten Spiel der Viertelfinalserie nur 1,5 Sekunden vor der Schlusssirene war für den SC Bern ein Ende mit Schrecken. Als alle schon mit einer Verlängerung rechneten, vertändelten Colton Sceviour und Josh Teves in der eigenen Zone ohne Not den Puck und ermöglichten Mike Künzle so den späten Bieler Lucky Punch. Die Szene steht sinnbildlich für eine weitere denkwürdige SCB-Saison.

Durch eine Transferoffensive wollte der Klub nach drei schlechten Jahren sich wieder der Spitze nähern. Die Top 6 und damit die direkte Playoff-Qualifikation waren das Minimalziel. Rückblickend erlebte der SCB eine weitere schwierige Saison mit vielen Unruhen. Trotzdem: Besser als der 8. Rang war man seit dem letzten Meistertitel im Jahr 2019 nie mehr (9., 9. und 11.).

Und doch, zufrieden kann man in Bern mit dem seit September Gezeigten nicht sein, auch wenn das schlimmstmögliche Szenario mit dem Verpassen der Playoffs abgewendet werden konnte. In der Hauptstadt sind die Ansprüche definitiv höher, müssen sie es aufgrund der Voraussetzungen zwingend sein. «Das entspricht nicht unseren Erwartungen», bestätigte Captain Simon Moser.

Söderholms Verbleib ungewiss

Zwischen 2016 und 2019 war der SCB drei Mal Schweizer Meister geworden. Seit der Entlassung von Kari Jalonen Anfang 2020 hat der 16-fache Champion fünf Trainer beschäftigt. Ob Toni Söderholm auch in der nächsten Saison an der Bande stehen wird, ist indessen offen. Sportchef Andrew Ebbett bestätigte am Sonntag nach dem abrupten Saisonende im Interview mit «MySports», dass sowohl der Klub als auch der Finne eine Option besitzen, aus dem bis 2024 laufenden Vertrag auszusteigen.

Jüngst kam das Gerücht auf, wonach der frühere deutsche Nationaltrainer beim EHC Red Bull München den Amerikaner Don Jackson als Headcoach beerben könnte. Söderholm selbst wollte sich zu seiner Zukunft am Sonntagabend nicht konkret äussern. «Morgen arbeite ich wieder. Dann beginnen wir die Saison abzuschliessen. Das steht jetzt an erster Stelle.»

Eine vorzeitige Trennung würde nicht überraschen, ist es Söderholm doch nicht gelungen, die Mannschaft zu stabilisieren, seitdem er im November von seinem Vorgänger Johan Lundskog übernommen hatte. Im Dezember hatte man zwar einen Lauf, ansonsten waren die Resultate aber mehr schlecht als recht.

Das wirkte sich auch auf den Publikumsaufmarsch in der PostFinance Arena aus. 14'750 Zuschauer besuchten im Schnitt die 26 Spiele in der Qualifikation. Das sind mehr als 800 weniger als in der Saison vor der Corona-Pandemie; während viele andere Klubs seither einen Zuschauerzuwachs verzeichneten.

Handlungsspielraum bei den Ausländern

Zu einem grossen Umsturz im Team dürfte es im Sommer nicht kommen, weil viele Spieler noch über einen weiterlaufenden Vertrag verfügen. Als einziger Neuzugang steht bislang Verteidiger Samuel Kreis fest, der vom EV Zug zu seinem Stammklub zurückkehrt. Handlungsspielraum gibt es auf den Ausländerpositionen. Da bewies der SCB in den letzten Jahren bei Transfers allerdings nur selten ein gutes Händchen.

Die Verträge mit den Kanadiern Colton Sceviour, Tyler Ennis (beide 33/Stürmer), Cody Goloubef (33) und dem erst im Februar verpflichteten Josh Teves (28/beide Verteidiger) laufen aus. Landsmann Chris DiDomencio, ein steter Unruheherd im Team und auf dem Eis, kehrt nach nur einem Jahr vorzeitig zu Fribourg-Gottéron zurück.

Auch der Verbleib des kanadischen Verteidigers Eric Gélinas, der verletzungsbedingt nur 15 Spiele bestritt, ist trotz weiterlaufendem Vertrag ungewiss. Der unumstrittene Topskorer Dominik Kahun (27) und der Schwede Oscar Lindberg (31) sind noch bis 2027 respektive 2024 an den Verein gebunden.

Die Crux mit dem ausländischen Torhüter

Stellt sich die Frage, ob der SCB dem Trend nach der Erhöhung der Ausländerzahl von vier auf sechs folgen soll, und wie Biel, der ZSC, Lugano, Kloten, Ambri-Piotta und zuletzt auch Lausanne künftig ebenfalls auf einen ausländischen Goalie setzen soll.

Die Playoffs jedenfalls haben schonungslos aufgezeigt, dass Biel über den klar besseren Torhüter verfügte. Der finnische Olympiasieger und Weltmeister Harri Säteri stellte sein Gegenüber Philip Wüthrich deutlich in den Schatten, was nicht zuletzt die Fangquote (94,2 zu 88,5 Prozent) beweist.

Zwar bestreitet Wüthrich, der in vier von sechs Spielen einen haltbaren Treffer kassierte, seine erste Playoff-Serie auf diesem Niveau und hat mit 25 Jahren seine Entwicklung noch nicht abgeschlossen. Die Frage ist aber, ob der SCB mit seinen grossen Ambitionen das Risiko eingehen kann oder will, auch in der nächsten Saison auf einen «eigenen» Torhüter zu setzen?

Es ist nur eine von vielen wichtigen Fragen, auf die die Verantwortlichen in den nächsten Tagen und Wochen eine passende Antwort finden müssen, damit der einstige Liga-Primus wieder zu alter Stärke zurückfinden kann.

Die Kommentarfunktion wurde für diesen Artikel deaktiviert.
Mehr zu Eishockey MEHR