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Klotens Präsident im Umfeld zwischen Krisen und Euphorie

Jan Schibli ist dem EHC Kloten schon sein ganzes Leben lang verbunden. Sportliche Krisen beschäftigen den Präsidenten besonders, weil er etwas Nachhaltiges, Langfristiges aufbauen will.

Agentur
sda
25.01.24 - 04:30 Uhr
Eishockey
Jan Schibli ist mit seinem Unternehmen auch als Sponsor beim EHC Kloten involviert (Archivbild)
Jan Schibli ist mit seinem Unternehmen auch als Sponsor beim EHC Kloten involviert (Archivbild)
KEYSTONE/STEFFEN SCHMIDT

Als bisher einziger Klub in der National League hat der EHC Kloten in dieser Saison den Trainer gewechselt. Doch auch mit Sportchef Larry Mitchell an der Bande tun sich die Zürcher Unterländer im zweiten Jahr nach dem Aufstieg schwer. Nur das Schlusslicht Ajoie hat noch weniger Punkte gesammelt.

Nach acht Niederlagen in Folge meldeten sich die Klotener am vergangenen Wochenende mit zwei 3:1-Siegen gegen den Kantonsrivalen ZSC Lions zurück. Im Interview mit Keystone-SDA spricht Klotens Präsident Jan Schibli über seine Garderoben-Ansprache, was solche Derbysiege auslösen können und weshalb sich der Verein bei der Trainersuche Zeit lässt.

Herr Schibli, vor kurzem haben Sie einen Mentaltrainer engagiert. Die Massnahme scheint schon zu fruchten, wenn man die zwei Derbysiege als Referenz nimmt.

«Das könnte man jetzt natürlich so interpretieren. Aber das glaube ich nicht. Schliesslich hat er seine Arbeit erst letzte Woche aufgenommen. Aber wir hatten natürlich eine Woche Zeit, uns auf die Spiele vorzubereiten.»

Die Phase vorher mit 10 Niederlagen aus 11 Spielen ist nicht die erste Baisse, die Sie in dieser Saison durchmachen mussten. Im November wurde Gerry Fleming nach nur 7 Siegen in den ersten 23 Partien entlassen. Wie verhalten Sie sich als Präsident in solchen Momenten?

«Es sind natürlich nicht die schönsten Zeiten, wenn man so ein Amt innehat. Aber meine Aufgabe ist ja auch die Stabilisierung des Vereins. Und die ist halt sehr langfristig. Und wenn man so langfristig denkt, ist es sehr brutal, wenn solche Phasen kommen. Das erlebe ich nicht immer als sehr angenehm. Vorher ist alles schlecht, dann gewinnt man zweimal und dann ist alles wieder gut. So ist der Sport. Das ist der normale Wahnsinn, den ich kenne aus dem Verein. Aber es wäre manchmal schön, wenn die Leute ein bisschen nachsichtiger und weitsichtiger wären.»

Am Tag nach dem 0:4 gegen den EHC Biel (5. Januar) haben Sie zur Mannschaft gesprochen. Machen Sie das öfters?

«Nein. Das war in Absprache mit der Sportkommission. Ich überschätze mich nicht. Ich habe nie professionell Hockey gespielt, und ich weiss nicht, was in einer Garderobe genau abläuft. Es ist sicher anders als in einem Unternehmen. In einem Unternehmen kann ich meine Mitarbeiter motivieren, ich verstehe das Business auf der Baustelle etc. Deshalb habe ich die Sportkommission gefragt, ob es Sinn machen könnte, zur Mannschaft zu sprechen, und es hiess, so ein Wake-up-Call sei manchmal nicht schlecht.»

Was haben Sie gesagt?

«Es waren ganz bedachte Worte und eine gute Diskussion mit der Mannschaft. Tyler Morley und Steve Kellenberger haben in verschiedenen Interviews gesagt, die Spieler stünden in der Pflicht, müssten disziplinierter spielen. Unser Spiel ist jetzt nicht sonderlich attraktiv, aber es ist das Spiel einer Mannschaft, die auf dem zweitletzten Platz steht. Wir haben nicht das Line-up eines ZSC, wir haben nicht die Einzelkönner. Wir müssen als Mannschaft zusammenstehen.»

Das zweite Jahr nach dem Aufstieg wird gemeinhin als schwieriger angesehen als das erste. Erleben Sie das auch so?

«Ja, das erlebe ich sehr genau so. Die Euphorie war gross, nachdem wir es überraschend in die Pre-Playoffs geschafft hatten, und die Leute denken, es gehe einfach so weiter. Aber das ist eben nicht so. Miro Aaltonen (19 Tore), Jonathan Ang (20) und Arttu Ruotsalainen (18) schossen in der letzten Saison Tor um Tor. Von dieser Produktivität sind wir jetzt weit entfernt. Und wir haben am meisten Gegentore (135) erhalten. So wird es schwierig, vorne dabei zu bleiben.»

Trainer und Sportchef Larry Mitchell sowie Berater Jeff Tomlinson waren während des Spengler Cups beim Team Canada engagiert. Wären sie nicht besser in Kloten geblieben, um mit dem Team zu arbeiten?

«Ich bin da relativ pragmatisch. Wenn wir Kanadier im Team haben und das Team Canada ruft, dann kann man nicht Nein sagen. Das ist für sie die grösste aller Ehren. Wir haben abgeschätzt, dass wir da mehr Schaden verursachen, wenn man sie zurückbindet und sagt, sie müssten hierbleiben. Ich war selber auch am Spengler Cup und hatte mit Larry Kontakt. Unsere zwei Assistenten Saku Martikainen und Kimmo Rintanen haben das tipptopp gelöst.»

Das Umfeld in Kloten gilt als begeisterungsfähig. Die zwei Siege gegen den ZSC haben bei den Fans schon wieder eine kleine Euphorie ausgelöst. Halten Sie eine Hochphase wie in den Neunzigerjahren, als Kloten viermal in Serie Meister wurde (1993 bis 1996), dereinst wieder für möglich?

«Mit dem Weg, den wir bestreiten, dauert das sicher eine Weile (lacht). Mir ist viel wichtiger, dass wir ein Klub sind, der Spieler entwickelt, der Jungen einen Platz bietet, auch in den vorderen Linien. Dass wir einen guten Kern an Spielern haben, und dass zum Beispiel 30-Jährige, die an einem anderen Ort nicht viel Eiszeit erhalten haben, hier wieder aufblühen können. Es ist im Prinzip dasselbe Konzept, wie es in Langnau, Ambri oder Rapperswil auch umgesetzt wird. Wir nennen uns den Klub der nicht ganz so Privilegierten.»

Wie gut lässt sich so ein Konzept im Abstiegskampf nachhaltig umsetzen? Im letzten Jahr gab es ein Defizit von 650'000 Franken.

«Ich bin überzeugt, dass es in der Liga eine Umstrukturierung braucht. Es kann nicht sein, dass die Finanzen überall ein Thema sind. Ob so eine Umstrukturierung einmal stattfindet, weiss ich nicht. Aber ich kämpfe dafür.»

Gibt es Hebel, die Sie in Bewegung setzen können, damit nicht jedes Jahr ein Verlust zu Buche steht?

«Ja, aber das braucht Zeit. Wir haben in unserem Stadion dank der Stadt Kloten nächstes Jahr einen neuen Video-Würfel. Wir wollen neue Logen und Unterhaltung rundherum auch für zahlungskräftige Kunden. Aber wir spielen Hockey, und wenn wir am Ende der Tabelle mitspielen, kommen die Leute halt weniger gern. Es ist ein Tanz auf Messers Schneide.»

Seit September sind Sie als Präsident im Amt. Wie kommen Sie mit dieser Aufgabe zurecht?

«Ich komme gut zurecht, aber es ist sicher kein Amt auf Lebzeiten. Aber ich werde dem Verein immer verbunden bleiben. Ich suche für den Vorstand immer hockeyaffine Leute, und ich kann mir gut vorstellen, später dann wieder mehr im Hintergrund zu wirken.»

Zurück zum Sportlichen. Wie lange wird Larry Mitchell noch das Doppelmandat Trainer/Sportchef ausüben?

«Wir sind wirklich intensiv auf der Suche nach einem Trainer. Die Doppelbelastung darf nichts Langfristiges sein. Wir sind in Gesprächen, aber Leute, die spannend wären für uns, sind wahrscheinlich irgendwo in einer Anstellung bei anderen Vereinen, darum braucht das Zeit. Aber mit den zwei Siegen hat mir die Mannschaft etwas emotionale Luft verschafft.»

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