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«Ich liess es immer gerne rumpeln»

14 Saisons lang hat es Dino Wieser beim HCD krachen lassen. Seine fünfte schwere Hirnerschütterung war für den unerschrockenen Flügelstürmer dann aber die eine zu viel. Nach erfolglosen Comeback-Versuchen ist er still zurückgetreten. Jetzt profitieren die U17-Junioren des HCD von den reichen Erfahrungen des 33-Jährigen.

Hansruedi
Camenisch
02.02.23 - 17:00 Uhr
Eishockey
Dino Wieser führt sein Leben im und für das Eishockey auch nach seinem frühen Rücktritt weiter.
Dino Wieser führt sein Leben im und für das Eishockey auch nach seinem frühen Rücktritt weiter.
zVg/ca

Sein ganzes Leben lang stürmte Dino Wieser, der zwei Jahre jüngere Bruder von Marc Wieser, für den HCD. Als Zwölfjähriger kam der Kübliser zu den Mini Top nach Davos. In der ersten Mannschaft des HCD gab der Flügelstürmer in der Saison 2005/06 sein Debüt. Dino Wieser bestritt für Davos 663 Partien in der Nationalliga A respektive National League. Viermal triumphierte er mit dem HCD als Schweizer Meister, 2011 gewann er den Spengler Cup. Für die Schweiz absolvierte er 35 Länderspiele mit den WM-Teilnahmen 2015 in Prag und 2016 in Moskau als Höhepunkte. Er schuf sich einen Namen und sehr viel Respekt als unerschrockener Angreifer und Fore-checker am linken Flügel. Dino Wieser war allerdings mehr als ein kompromissloser Bandenhobler. 121 Treffer sowie 146 Assists in 663 Meisterschaftsbegegnungen zeugen auch von seinen spielerischen Qualitäten. In den Playoffs im Frühling 2017 war er gar HCD-Topskorer. Und in der Kabine galt sein Wort etwas. Von 2013 bis 2019 amtete er als Assistenz­captain.

Wiesers schonungsloser (Kampf-)Stil auf dem Eis forderte allerdings seinen Tribut. Am 3. Dezember 2019 schied der Stürmer im Heimspiel gegen die SCL Tigers mit einer Hirnerschütterung aus. Es war die fünfte schwere in seiner Karriere und die eine zu viel, wie sich weisen sollte. Nach einer langen Genesungsphase scheiterten Comeback-Versuche. Dabei war er mit einem neuen Vierjahres-Vertrag in die Meisterschaft 2019/20 gestartet. Rückblickend weiss man, dass Dino Wieser im Alter von erst gut 30 Jahren seinen letzten Eishockeymatch bestreiten konnte.

DZ: Dino Wieser, wie geht es Ihnen jetzt gesundheitlich?

Dino Wieser: Danke, mir geht es recht gut. Im Alltag oder auch, wenn ich mit den Jungs auf dem Eis bin, spüre ich gar nichts mehr von meinen Verletzungen. Ich bin sehr zufrieden. Vor allem bereitet mir das, was ich jetzt machen darf und kann, Spass. Einzig wenn ich lange in den Computerbildschirm schaue, bekomme ich noch ein bisschen Kopfschmerzen. Aber da gibt es ja auch andere Leute, die davon Kopfweh bekommen… (lacht).

Ihr letztes Meisterschaftsspiel bestritten Sie am 3. Dezember 2019 im besten Eishockeyalter als 30-Jähriger. Wie verarbeiteten Sie danach Ihr allzu frühes Karriereende?

Lange herrschte viel Ungewissheit. Es war eine mühsame Zeit. Vor allem musste ich mich zunächst selber damit zurechtfinden, auf meinen Körper zu hören und den Körper, primär den Kopf, wieder auf Vordermann zu bringen. Das Eishockey rückte ich in den Hintergrund. Über ein eventuelles Comeback machte ich mir zunächst wenig Gedanken. Als es mir gesundheitlich wieder besser ging, erhielt ich schon das Gefühl, es könnte nochmals klappen. Aber eine innere Stimme sagte mir, ich solle darauf verzichten. Mit dem Rücktrittsentscheid konnte ich Frieden schliessen.

Wie fühlen Sie sich nun als Vollblut-Eishockeyaner mit erst 33 Jahren in der Zuschauerrolle?

Vielleicht war es mein Vorteil, dass ich nicht von einem Match zum nächsten aufhören musste, sondern dass dieser Entscheid allmählich reifte. Während der Auszeit erhielt ich in der Natur und auch sonst während der Genesung die nötige Distanz zum Eishockey.

Würden Sie erneut auf die Karte Eishockey setzen, wenn Sie das Rad der Zeit um 20 Jahre zurückdrehen könnten?

Ja, auf jeden Fall! Eishockey war mein Leben und ist es noch immer, nun einfach in einer anderen Rolle. Ich ging immer gerne ins Eisstadion und bin nach wie vor gerne hier. Wenn ich als Spieler keinen Spass an diesem Beruf gehabt hätte, würde ich jetzt nicht die Jungen trainieren. Vielleicht würde ich in jungen Jahren etwas mehr Sorge zu meinem Körper tragen, als ich es damals tat. Und ich würde das ganze Eishockey jeden Tag noch etwas mehr geniessen – trotz allem Druck, den man als Spieler von aussen, von den Medien oder auch wegen des Geldes hat. Mit diesem Druck muss man als Eis­hockeyprofi klarkommen.

Was fasziniert Sie denn am Eishockey?

Das ganze Spiel. Als Eishockeyaner ist man ein «Gambler» auf dem ganzen Feld. Man ist ein Kämpfer und fordert sich gegenseitig heraus. Eishockey ist ein grossartiger Teamsport, in welchem man zusammen etwas erreichen kann. Das hat mich immer fasziniert.

Sie erlebten im Playoff-Viertelfinal 2007 gegen die ZSC Lions einen unerwarteten, aber kometenhaften Einstieg beim HCD.

Wir lagen in jener Viertelfinalserie gegen die ZSC Lions mit 1:3 zurück. Nur noch eine Niederlage trennte den HCD vom Saisonende. Da warf Arno Del Curto mich, meinen Bruder Marc und Flurin sowie Gian-Andrea Randegger im fünften Match ins kalte Wasser. Das kam für uns unerwartet und ging so schnell. Wir hatten nichts zu verlieren, spürten keinen Druck und konnten einfach voll gehen. Ausgerechnet von uns Jungen erwartete niemand etwas Besonderes. Rückblickend war es natürlich ein fantastischer Einstieg. Wir gewannen jenes fünfte Spiel, kehrten danach die Serie und wurden Schweizer Meister.

Dino Wieser (rechts) und sein älterer Bruder Marc 2018 auf ihren Plätzen nebeneinander in der HCD-Kabine.
Dino Wieser (rechts) und sein älterer Bruder Marc 2018 auf ihren Plätzen nebeneinander in der HCD-Kabine.
zVg/ca

Welches erachten Sie persönlich als Ihre sportlichen Höhepunkte?

Natürlich alle vier «Kübel», die ich mit dem HCD gewann, also die Schweizer Meistertitel 2007, 2009, 2011 und 2015. Wir hatten generell mit Arno Del Curto eine sehr schöne Ära mit einem super Kern in der Mannschaft. Weiter waren meine beiden WM-Teilnahmen mit der Schweiz in Prag 2015 und im folgenden Jahr in Moskau besonders coole Erlebnisse. Ich war nicht der ausgeprägte Superkönner, und mein Spielertyp war in der Nati nicht immer gefragt. So brachte ich es auf nicht mehr als 35 Länderspiele.

Sie waren immer ein Vorzeigekämpfer mit dem speziellen Ruf eines exzellenten «Bandenhoblers». Hat Sie das nie gestört? Schliesslich hatten Sie ja auch spielerisch viel drauf. In der Saison 2016/17 waren Sie Playoff-Topskorer des HCD.

Man erinnert sich natürlich immer primär an die Stärken. Mein grösster Trumpf war nun mal, für andere auf dem Eis Raum zu schaffen und den Puck auszugraben. Ich liess es gerne rumpeln. Aber ich hatte bestimmt auch im spielerischen, konstruktiven Bereich meine Fähigkeiten.

Sie hielten während Ihrer ganzen ­Karriere stets dem HCD die Treue.

Mein Herz schlägt für den HCD. Ich liebe diesen Club. Dass ich nie wegging, hing auch mit dem ganzen Umfeld und den Umständen zusammen, etwa mit der Natur im Sommer und dem Skifahren im Winter. Alle meine bevorzugten Hobbys kann ich in Davos vor der Haustüre ausüben. Und ich habe hier auch Kollegen, mit denen ich nicht über das Eishockey reden musste. Im Unterland hätte ich keinen Club gefunden, der mir all das hätte bieten können, was ich in Davos habe.

Mit Ihrer Treue zum HCD erlebten Sie als Aktiver (fast) nur einen Trainer: Arno Del Curto.

Das war eine coole Zeit. Ich konnte von Arno Del Curto sehr viel lernen. Er förderte Spielertypen wie mich. Für mich war Arno der perfekte Trainer.

Sie haben ein sehr enges Verhältnis zu Ihrem Bruder Marc.

Wir sind in der Tat brutal zusammen­geschweisst. Schon in jungen Jahren machten wir alles gemeinsam. Mit 15, 16 wohnten wir bereits allein in Davos.

Wie sehen Sie Ihre Zukunft?

Die sehe ich im Eishockey an der Bande. Meine aktuelle Tätigkeit als Assistenztrainer des Davoser U17-Teams bereitet mir riesigen Spass. Mit den Jungs zusammen zu arbeiten und ihre glänzenden ­Augen zu sehen, wenn sie auf das Eis kommen, ist wunderschön. Zusätzlich bin ich bei den Schweizer U16-Junioren tätig. Für mich ist es cool, mich selber bezüglich Eishockey weiterzubilden und vor allem mein Wissen weiterzugeben.

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