Dank Reset in neuen Sphären
Wer die Schweizer NHL-Spieler aufzählt, der beginnt kaum mit Philipp Kuraschew (24). Der Berner ist eine von vier Verstärkungen aus der NHL, mit denen die Schweiz am Donnerstag gegen Schweden spielt.
Wer die Schweizer NHL-Spieler aufzählt, der beginnt kaum mit Philipp Kuraschew (24). Der Berner ist eine von vier Verstärkungen aus der NHL, mit denen die Schweiz am Donnerstag gegen Schweden spielt.
2018 von den Chicago Blackhawks als Nummer 120 gedraftet, war Kuraschew in dieser Saison der Stürmer mit der zweitmeisten Eiszeit im Team. Durchschnittlich stand er 19:01 Minuten auf dem Eis. Mehr Vertrauen erhielt einzig das Supertalent Connor Bedard. Zudem erzielte der 18-Jährige in der abgelaufenen Qualifikation als Einziger bei Chicago mehr Skorerpunkte als Kuraschew, der in 75 Partien 18 Tore und 36 Assists produzierte, nachdem er die ersten sechs Spiele wegen einer Handgelenkverletzung verpasste hatte. Zuvor waren dem Schweizer nie mehr als 25 Punkte in einer Regular Season in der NHL gelungen.
Trainingsgemeinschaft mit Meier
Die Steigerung führte Kuraschew einerseits auf eine gute Saisonvorbereitung zurück, nachdem er sich Ende März 2023 an der Schulter verletzt hatte. Er nutzte die knapp sechs Monate bis zum Start des Trainingslagers mit den Blackhawks, «um schneller und stärker zu werden und mich mental gut vorzubereiten» sagte Kuraschew. «Ich brauchte diese Zeit, um einen Reset vorzunehmen, machte oft frei, um mal weg vom Eishockey, weg von allem zu kommen. Die neuen Gedanken halfen mir sehr für die Saison.»
Kuraschew, dessen Wohnsitz in der Schweiz seit längerem St. Gallen ist, trainierte den zweiten Sommer zusammen mit dem aus Herisau stammenden Timo Meier. «Wir haben ein gutes Setup in St. Gallen, pushen uns gegenseitig, das hilft enorm», erzählt Kuraschew. Auch aufs Eis gingen die beiden gemeinsam. «Es macht Spass mit ihm, wir verbringen auch neben dem Training viel Zeit miteinander.»
Faktor Bedard
Ein weiterer Faktor für die erhöhte Punkteproduktion war, dass er fast immer mit Connor Bedard eine Sturmlinie bildete. «Das macht einen grossen Unterschied», sagt Kuraschew. «Er verfügt über eine extrem gute Spielübersicht. Am Anfang war es schwierig, denn man muss mit ihm stets bereit sein, er schafft es auch dann die Scheibe zu dir zu bringen, wenn du das Gefühl hast, dass dies nicht möglich ist. Das zeichnet ihn neben den Fähigkeiten mit dem Puck aus.»
Imponiert hat Kuraschew zudem, wie gut Bedard als 18-Jähriger mit den sehr hohen Erwartungen umgegangen ist. Die beiden verbringen auch neben dem Eis ab und zu Zeit miteinander, vor allem auf den Auswärtsreisen. «Er ist eher ein ruhiger Typ, aber wir haben es sehr gut zusammen», sagt Kuraschew.
Wenig Siege
So viel Spass es ihm machte, mit Bedard zusammenzuspielen, so frustrierend verlief die Saison. Chicago gewann bloss 23 der 82 Partien, schlechter waren einzig die San Jose Sharks. Kuraschew gab zu, dass es manchmal schwierig gewesen sei, die Motivation hochzuhalten.
Der Berner unterschrieb im vergangenen Sommer einen zweiten Vertrag mit den Blackhawks, der über zwei Jahre datiert ist und ihm 4,5 Millionen Dollar einbringt. Sein Ziel ist es, so lange wie möglich bei Chicago zu bleiben, da die Stadt einiges bietet. So geht er ab und zu Basketball, Baseball oder American Football schauen. Das United Center, die Heimstätte der Blackhawks, ist bekannt für eine grossartige Atmosphäre. Kuraschew nimmt das Wort Spektakel in den Mund. Wenn man an der blauen Linie stehe, bekomme man rasch Gänsehaut. «Das gibt ein gutes Gefühl.»
Ein solches sollen auch die Fans rasch wieder bekommen. Nachdem die Blackhawks von 2010 bis 2015 dreimal den Stanley Cup in die Höhe gestemmt hatten, kamen sie nie mehr über die Achtelfinals hinaus. In diesem Jahr verpassten sie zum vierten Mal hintereinander die Playoffs. «Die Fans wissen, in welcher Situation wir momentan sind», sagt Kuraschew. «Hoffentlich lernen wir aus der vergangenen Saison und machen einen Schritt vorwärts.»
Druck als Motivation sehen
Zunächst aber will Kuraschew mit dem Nationalteam Erfolg haben. Er wird in Tschechien bereits seine vierte Weltmeisterschaft bestreiten. Erstmals war er 2019 dabei, als die Schweizer in den Viertelfinals gegen Kanada 0,4 Sekunden vor dem Ende der regulären Spielzeit das 2:2 kassierten und danach in der Verlängerung verloren. Bei seiner zweiten WM-Teilnahme 2021 fehlten gegen Deutschland (2:3 n.P.) 44 Sekunden zum Halbfinaleinzug. Und nachdem Kuraschew mit den Schweizern auch 2022 im Viertelfinal gescheitert ist (0:3 gegen die USA), soll es diesmal nun klappen mit dem Weiterkommen. «Logisch haben wir viel Druck, wir müssen diesen jedoch als Motivation sehen», sagt Kuraschew.