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Es gibt nur «all in»

Der HCD und das Davos Sports & Health Swiss Olympic Medical Center gehen in Sachen Leistungsdiagnostik neue Wege – und übernehmen damit eine Vorreiterrolle. Für die Spieler sind die Tests teilweise eine Tortur.

Roman
Michel
02.08.19 - 04:30 Uhr
Eishockey
Auch Félicien Du Bois leidet für den Leistungstest.
Auch Félicien Du Bois leidet für den Leistungstest.
OLIVIA AEBLI-ITEM

Der Mund ist weit geöffnet, der Atem röchelnd, der Blick verbissen. «Noch zehn Sekunden», schreit einer der anwesenden Ärzte. «Go go go», kommt es von einem anderen. Dominic Buchli schnaubt, schwitzt, kämpft. Ein letztes Aufraffen. Dann sind sie vorbei. Die 30 Sekunden, die für den HCD-Stürmer eine halbe Ewigkeit waren.

Der Wingate-Test auf dem Velo ist die letzte Übung der Leistungstests im Spital Davos. Die anaerobe Leistungsfähigkeit und Schnellkraft können so ermittelt werden. Knapp 75 Minuten wurde Buchli in verschiedenen Übungen bis an die Grenzen gefordert – entsprechend gross die Erleichterung über das Ende. «Ein schönes Gefühl», sagt der 21-Jährige erschöpft, mit einen Becher Wasser in der Hand.

Zusammenarbeit mit Verband

Leistungstests sind für die HCD-Spieler nicht neu. «Der Bedarf war bisher aber kleiner», sagt Dr. Michael Villiger, Leiter Forschung & Gesundheit in der Abteilung Sportmedizin am Spital Davos und zuständig für die Tests. Und vor allem: Oft seien die Resultate in der Schublade verschwunden. Dies soll sich nun ändern: Bereits im April, kurz nach Saisonende, mussten die Spieler zum ersten Test antraben. Dessen Ergebnisse dienten als Grundlage zur Gestaltung des Athletiktrainings in den Sommermonaten. «Wir arbeiten sehr eng mit dem Athletiktrainer Steven Lingenhag zusammen und tauschen uns regelmässig aus», so Villiger. Letzte Woche mussten die Spieler die Tests erneut absolvieren, um die Fortschritte nach dem Sommertraining zu überprüfen.

Der HCD und das Davos Sports & Health Swiss Olympic Medical Center arbeiten dabei auch mit dem Schweizer Eishockeyverband zusammen. Dessen Absicht ist es einheitliche Leistungstests zu konzipieren und so aussagekräftige Vergleichswerte der Spieler auf allen Leistungsstufen zu erhalten. Noch befindet sich dieses Projekt in einer Entwicklungsphase, wie Villiger sagt. «Wir können dabei einen wichtigen Beitrag zur Institutionalisierung und Entwicklung beitragen und haben die Möglichkeit, Neues aufzubauen.» Inspirieren liess man sich bei den einzelnen Übungen unter anderem von den Scouting-Tests der NHL.

«Gehört dazu»

Während Buchli noch immer erschöpft auf einem Stuhl sitzt, hat Enzo Corvi seine Testsession gestartet. Es beginnt verhältnismässig locker: Sprünge auf einer speziellen Platte in allen Variationen – auf beiden Beinen, auf einem Bein, aus den Knien heraus. Kraft und Explosivität können so getestet werden. Villiger: «Es ist wichtig, dass die Spieler verstehen, wofür sie die Übungen machen und merken, dass diese speziell fürs Eishockey konzipiert wurden.» Der Wingate-Test auf dem Velo zum Abschluss etwa dauert 30 Sekunden, was ungefähr einem Shift auf dem Eis entspricht – für manche Spieler eine Tortur. «Siech nomol», flucht Corvi ausser Atem. Auf Liebe stossen die Übungen bei den Spielern nicht. «Muss sein», so Chris Egli, «gehört dazu», sagt Félicien Du Bois. Der Verteidiger fügt aber an: «Zur individuellen Kontrolle sind die Ergebnisse ganz gut und wichtig.» Entsprechend sein Motto: «Es gibt nur ‘all in’.»

Tests auch bei Junioren

Nicht nur die Profis, auch die älteren Nachwuchsteams müssen die Tests durchlaufen. Schon früh kann so die Entwicklung der einzelnen Spieler beobachtet, einzelne Schwachpunkte erkannt und entsprechend trainiert werden. Auch bei unklaren Leistungseinbrüchen oder in der Rehabilitation dienen die Testergebnisse als wichtige Richtwerte.

Kraft in den Beinen, wie Quadriceps, Hamstrings, Ad-/Abduktoren, Explosivität, Maximalleistung, aerobe und anaerobe Leistungsfähigkeit – alles wird getestet, gemessen und entsprechend notiert. Villiger zieht ein positives Zwischenfazit: «Viele Spieler konnten sich im Vergleich zum ersten Test steigern.» Doch all den Zahlen und Werten zum Trotz: Am Ende zählt die Performance auf dem Eis. Oder wie es Routinier Du Bois sagt: «Wir können hier eine Tour de France fahren – wenn die Leistung während der Saison nicht stimmt, bringt alles nichts.»

Roman Michel ist Leiter Sport. Er arbeitet als Sportreporter und -moderator bei TV Südostschweiz. Weiter schreibt er für die gemeinsame Sportredaktion der Zeitung Südostschweiz und suedostschweiz.ch. Roman Michel studierte Journalismus und Organisationskommunikation und arbeitet seit 2017 für die Medienfamilie Südostschweiz. Mehr Infos

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