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Chris Egli und die kanalisierte Wut

Die Schweizer Eishockeyaner haben sich an der U20-WM in Abstiegsgefahr manövriert. Für die grössten Schlagzeilen sorgt aber Chris Egli mit einem Check. Weil der Davoser Stürmer Schwedens Star William Nylander verletzt hat, hat er die Wut von Schweden bis Kanada auf sich gezogen.

Südostschweiz
28.12.15 - 22:01 Uhr
Eishockey

So hatte sich das Chris Egli nicht vorgestellt mit den Schlagzeilen im ersten grossen Auftritt auf internationaler Bühne am Samstag an der U20-WM in Helsinki gegen Schweden: Ein Check, ein Restausschluss, drei Spielsperren. Der schwedische Ärger auf die Schweizer war trotz 8:3-Sieg gross. Gleich drei Spieler des Tre-Kronor-Teams hatten sich nach Schweizer Checks verletzt, neben dem 19-jährigen Egli wurden auch sein Davoser Teamkollege Fabian Heldner sowie der in der kanadischen Juniorenliga WHL spielende Zuger Calvin Thürkauf mit Spielsperren sanktioniert. Die Wut kanalisierte sich vor allem auf Egli, der online in den «Sozialen» Medien einen wahren «Shitstorm» über sich ergehen lassen muss.

Den Prominentesten erwischt

Am Montag, als Egli von der «Südostschweiz» kontaktiert wurde, mochte er darüber nicht reden. Die Szene auf dem Eis war ihm aber noch in guter Erinnerung: «Ein Schwede hatte nach einem Turnover den Puck. Er hatte den Kopf oben und den Oberkörper gegen mich gedreht, ich dachte, er habe mich gesehen. Ich wollte die Scheibe so schnell wie möglich zurückerobern und entschied mich für den Check.» Die Schwedische Sichtweise war eine andere. «Kopfjäger», schimpften die Schwedischen Spieler, Trainer, Medien und vor allem Fans Richtung Nationaltrainer John Fust und dessen Team. Egli steht im Fokus, weil er nicht irgendeinen Schweden ins Spital checkte, sondern William Nylander: Sohn des langjährigen NHL-Profis Michael Nylander, aktueller AHL-Topskorer trotz seiner erst zarten 19 Jahre, Turnierattraktion an der U20-WM und vor allem Erstrundendraft und Hoffnungsträger der notorisch leidgeprüften Maple Leafs aus Toronto. Darum auch die Wut in Kanada, wo es Egli landesweit vor allem in die Berichterstattung der Boulvardmedien geschafft hat.

Die Videobilder des Checks (siehe Video unten) zeigen, dass Egli Nylander zwar vor allem an Brust und Schulter erwischte, aber eben auch am Kopf, wenn auch ohne Einsatz des Ellbogens. Darum gibt es an der Sanktion nichts zu monieren. Checks gegen den Kopf sind im Eishockey seit zwei Jahren und den entsprechenden Regeländerungen ohne Berücksichtigung der Umstände Tabu. Die Vorwürfe aus Schwedischen Spielerkreisen, Egli habe einen «Auftrag» von Trainer Fust gegen Nylander ausgeführt, dürften aber Hirngespinste sein. «Es ging alles schnell», sagte Egli. «Ich hatte nicht gesehen, welcher Schwede es war.»

Wie eine Staatsaffäre

Egli hat sich in seiner jungen Karriere alles andere als den Ruf eines Strafensammlers erworben. Der Stürmer bedauerte den Vorfall auch zwei Tage später noch: «Eishockey ist ein Vollkontaktsport, aber es liegt mir fern, jemanden verletzen zu wollen. Hoffentlich kann er bald wieder spielen.» Nylander konnte bereits am selben Tag das Spital verlassen, seine Verletzung an der U20-WM, die in einem Hockeyland wie Schweden ungleich grössere Beachtung geniesst als in der Schweiz, wird wie eine Staatsaffäre behandelt. Auch an der etwas skurrilen Medienkonferenz wurde die genaue Blessur – es dürfte eine Hirnerschütterung sein – nicht verraten, stattdessen wurden trotz Anwesenheit der Teamärztin keine Fragen zu Nylander beantwortet. Egli selbst sass am Sonntag beim 1:2 gegen Dänemark, das die Schweiz in Abstiegsgefahr bringt, die erste Sperre ab, auch gegen die USA und Kanada wird er fehlen. Es sei eine schwierige Situation, sagte Egli. «Ich kann der Mannschaft nicht helfen.» (kk)

 

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