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Jochen Hecht, die spielende Legende der Adler

Bei den Adler Mannheim ist Jochen Hecht gross geworden, ehe er zu 895 Spielen ins NHL-Stahlbad eintauchte. Mit 38 will der Stürmer jetzt noch den Spengler-Cup-Triumph mit den Adlern in sein grosses Palmares aufnehmen.

Südostschweiz
22.12.15 - 12:21 Uhr
Eishockey

mit Jochen Hecht sprach Hansruedi Camenisch

Mit den Adler Mannheim kommt einer der grössten deutschen Eishockeyspieler aller Zeiten an den Spengler Cup: Jochen Hecht. Den Stürmer zeichnet seine Treue zu seinem Stammklub genau so aus wie seine Vorreiterrolle in der National Hockey League (NHL). Zwischen 1998 und 2013 bestritt er insgesamt 895 Spiele für die St. Louis Blues, die Edmonton Oilers und die Buffalo Sabres. Dabei erzielte er total 200 Tore sowie 295 Assists.

Jochen Hecht, Sie sind 38 und einer der erfahrensten Spieler der Adler Mannheim. Darf man Sie als Seele der Adler betiteln?
Jochen Hecht: Nein, die Seele allein bin ich nicht. Wir sind 24 Mann hier, und alle zusammen ergeben die Seele der Adler. Ich bin nur ein Teil davon.

Speziell ist aber schon, dass sie mit Ausnahme Ihrer 15 Jahre in Nordamerika nie für einen anderen Klub als die Adler Mannheim gespielt haben.
Ich bin Mannheimer und mit den Adlern gross geworden. Hier hatte ich die Möglichkeit, Eishockeyprofi zu werden. Ich spielte dann auch vier Jahre für die Adler, bevor ich in die Organisation der St. Louis Blues nach Amerika wechselte. Für mich war es naheliegend und auch gut, während der NHL-Lockouts und dann nach Abschluss meiner Zeit in der NHL nach Hause, sprich nach Mannheim, zurückzukehren und so mit der Mannschaft und dem Verein verbunden zu bleiben. Ich lebe mit meiner Familie in Mannheim. Es ist eine schöne Stadt. Für mich gab es keinen Grund, woanders hinzugehen. Mit den Adlern kann ich in der DEL regelmässig ganz vorne mitspielen.

Aber an Angeboten von anderen DEL-Klubs dürfte es Ihnen nicht gemangelt haben?
Ja, es waren schon welche da. Aber es war nichts dabei, was von der Situation oder dem Erfolg, den ich haben möchte, besser gewesen wäre. In Mannheim wird alles getan, damit wir Ende Saison ganz oben stehen.

Was zeichnet denn die Adler Mannheim besonders aus?
Wir haben vier starke, ausgeglichene Sturmreihen, von denen jede ein Spiel entscheiden kann. Diesbezüglich ist die gesamte Liga nicht so gut aufgestellt. Andere Vereine haben zwei oder vielleicht drei, aber nicht vier gleich starke Linien.

Aber ganz offensichtlich stimmt es für Sie nicht nur auf dem Eis, auch das Innenleben der Mannschaft scheint zu passen.
Es gibt bei den Adlern in der Tat Betreuer, die ich schon seit 20 Jahren kenne. Alle sind mitgewachsen mit dem Verein. Am Anfang war Eishockey nicht viel mehr als ein Hobby. Mittlerweile ist alles hoch professionell geworden. Vieles ist vom nordamerikanischen Eishockey abgeschaut worden, auch bezüglich Drumherum. Das ist einfach toll.

Mit den Adlern sind Sie drei Mal Deutscher Meister geworden: 1997, 1998 und in diesem Jahr. Zwischen den beiden letzten Titeln liegen für Sie 17 Jahre. Kann man die Titel überhaupt miteinander vergleichen?
Nein, überhaupt nicht! Zumindest der Meistertitel 1997 kam überraschend. Wir waren damals eine sehr junge Mannschaft, der Verein befand sich im Umbruch und war fast bankrott. Mittlerweile wird von den Adlern erwartet, dass sie jedes Jahr vorne mitspielen und mindestens die Play-off-Halbfinals erreichen. In den Neunzigerjahren gab es nach dem Bosman-Urteil in der DEL keine Beschränkung der ausländischen Spielerzahl, jetzt ist sie auf zehn limitiert. Das Eishockey ist in der DEL sehr gut geworden, stark geprägt von der Taktik. Und natürlich ist der Sport viel schneller geworden. Dank der Video-Möglichkeiten wird jetzt auch alles viel gezielter geplant.

Letzte Saison waren Sie mit 37 Jahren Play-off-MVP in der DEL. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Sehr viel, ich bin stolz darauf. Ich gab alles, damit die Adler Meister wurden. Der MVP-Titel zeigt mir, dass meine Anstrengungen gesehen wurden. Die Regular Season verlief nicht ganz so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Umso besser lief es mir dann in den Play-offs. Ich bin froh, dass ich meinem Team helfen konnte auf dem Weg zur Meisterschaft.

Sie sind am 21. Juli 38 Jahre alt geworden. Ende Saison läuft Ihr Vertrag aus. Was planen Sie danach?
Ich will diese Saison gut über die Runden bringen, gutes Eishockey spielen und mit den Adlern den Meistertitel verteidigen. Erst danach werde ich entscheiden, wie es weitergeht. Da setze ich mich jetzt nicht unter Druck.

Mannheim mischt zurzeit in der DEL an der Tabellenspitze mit. Was darf man von den Adlern am Spengler Cup in Davos erwarten?
Wir freuen uns auf diese Zeit und werden unser Bestes geben. Es wird bestimmt ein schönes Turnier mit starken Mannschaften. Wir werden alles tun, um den Spengler Cup erstmals zu gewinnen.

Sie spielten bereits einmal, 1997, mit den Adlern am Spengler Cup. Was bedeutet dieses Traditionsturnier für einen so prominenten Spieler wie Sie?
Das war eine wirklich schöne Erfahrung – nicht nur wegen des Eishockeys, sondern auch das ganze Drumherum passte. Sportlich treten am Spengler Cup neben dem Team Canada europäische Top-Teams an. Für uns ist es deshalb ein guter Vergleich, wie wir in Europa dastehen.

Ausserhalb von Deutschland kennt man Sie primär aufgrund Ihrer 15 Jahre in der National Hockey League. Was hat Ihnen diese Zeit in Nordamerika gebracht?
Ich bin in der NHL erwachsen geworden. Als junger Mann ging ich 1998 nach Amerika, und 2013 kehrte ich als Familienvater nach Deutschland zurück. Für mich war die ganze Zeit ein unglaubliches Erlebnis. Als NHL-Profi erlebte ich schöne Jahre. Ich lernte im Eishockey sehr viel. Es hat einen ganz anderen Stellenwert und eine andere Professionalität als in Europa. Ich kann jedem nur raten, die Möglichkeit zu nutzen, wenn er die Chance erhält rüberzugehen, selbst wenn er in der AHL spielen muss. Das tat ich anfänglich auch. Es wird ihn bereichern. Man kann so viel lernen und weiss dann viel besser in bestimmten Situationen umzugehen, auch wenn es nicht gut läuft. Die NHL-Zeit war eine tolle Erfahrung, die ich nicht missen möchte.

Soll ein junger Eishockeyspieler schon im Juniorenalter nach Nordamerika wechseln oder zuerst in Europa in der Landesmeisterschaft Fuss fassen?
Das muss jeder für sich entscheiden. Ich ging erst mit 21 Jahren rüber, weil ich vorher persönlich nicht bereit war, so weit von zu Hause wegzugehen. Aber nochmals: Wenn jemand die Möglichkeit hat, in Nordamerika zu spielen, sollte er sie nutzen.

Sie stürmten zehn Jahre lang für die Buffalo Sabres – weshalb diese Klubtreue?
Bis ich 31 Jahre alt war, hatten die Buffalo Sabres die Rechte an mir. Danach boten sie mir einen richtig guten Vertrag an, den ich dann auch unterschrieb. Wir hatten zu jener Zeit zwei kleine Kinder und wollten nicht unbedingt umziehen. In Buffalo hatten wir viele gute Freunde, und die Mannschaft war auch vielversprechend damals. Das ist leider heute nicht mehr so.

Sie waren zusammen mit Marco Sturm der erste deutsche Stürmer, der sich in der NHL durchsetzte. Wie wichtig war das fürs deutsche Eishockey?
Es war gut für die anderen zu sehen, dass da jemand ist, der den Durchbruch in der NHL schaffte. Wir konnten anderen die Hoffnung geben, dass eine reelle Möglichkeit besteht, diesen Weg auch zu gehen. Vorher hiess es drüben, die Deutschen wollen nicht unbedingt in die NHL; die verdienten gutes Geld auch Daheim. Wir zeigten dann, dass die Deutschen doch bereit sind durchzubeissen.

Zurzeit ist Nino Niederreiter auf dem besten Weg, sich als erster Schweizer Stürmer in der NHL zu etablieren. Trauen Sie ihm das zu?
Auf jeden Fall. Wir schauen morgens immer die Highlights von den NHL-Spielen aus der vergangenen Nacht. Niederreiter scheint mir sehr begabt zu sein. Ihm traue ich eine lange Karriere in der NHL zu.

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