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Einer der grössten Schweizer Sportfunktionäre ist nicht mehr

Gian Franco Kasper ist im Alter von 77 Jahren gestorben. Der ehemalige FIS-Präsident aus Graubünden hinterliess seine Spuren in den höchsten Sportgremien und ging als angesehener Funktionär.

Agentur
sda
10.07.21 - 18:51 Uhr
Sport
Gian Franco Kasper (†)
Gian Franco Kasper (†)
Keystone/APA/APA/BARBARA GINDL

Gian Franco Kasper war jahrzehntelang einer der einflussreichsten Schweizer Sportfunktionäre. Der St. Moritzer, seit 1975 schon FIS-Generalsekretär, war von Mai 1998 bis Juni 2021 Präsident des Skiweltverbands. Nun verstarb er, kurz nachdem der Schwede Johan Eliasch zu seinem Nachfolger gewählt worden war.

Bereits zum Zeitpunkt der Wahl am 52. FIS-Kongress vor fünf Wochen ging es Kasper nicht gut. Wegen Atemproblemen lag er im Spital während mehrerer Tage auf der Intensivstation und konnte nicht an der Wahl teilnehmen.

Kasper wollte in seiner ersten Phase an der Spitze der FIS den in seiner Tradition erstarrten Weltverband modernisieren und professionalisieren. Kein halbes Jahr im Amt, hatte der Bündner schon über 30 Landesverbände besucht und vieles in Bewegung gesetzt. Sein Ziel war, innerhalb der gesamten FIS eine Aufbruchstimmung zu erzeugen und die verkrusteten Strukturen aufzubrechen. «Wir brauchen Instrumente nicht für eine Revolution, aber für eine Reorganisation», so Kaspers damalige Absicht, die er auch umsetzte.

Im medialen Kreuzfeuer

In seinen letzten Jahren als FIS-Präsident sah sich der kommunikative und gewiefte Taktiker, der sich auf dem sportpolitischen Parkett lange Zeit äusserst gewandt bewegt hatte, zunehmend medialem Gegenwind ausgesetzt. Einerseits wurde der einst mit dem Anspruch als Reorganisator angetretene Kasper in der NZZ als «Anti-Reformer» und «Hypothek für den Skisport» betitelt.

Andrerseits geriet Kasper ins mediale Kreuzfeuer als Folge von flapsigen Bemerkungen in Interviews - zu Themen wie dem fortschreitenden Klimawandel, den er anzuzweifeln schien, oder auch wegen seinen Aussagen zu der für den Sport günstigeren Situation in Diktaturen als in Demokratien. In Diktaturen müsse man sich nicht mit Umweltschützern streiten, sagte Kasper in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger. Während der alpinen WM in Are im Februar 2019 schwelte deshalb eine Kontroverse, als Folge derer sich der Bündner für seine Aussagen entschuldigte. Im Herbst jenes Jahres gab Kasper seinen vorzeitigen Rücktritt per Mai 2020 bekannt. Wegen der Coronavirus-Pandemie musste aber der FIS-Kongress um einige Monate verschoben werden, weshalb der Bündner bis Juni dieses Jahres im Amt blieb.

18 Jahre IOC-Mitglied

Im September 2000, gut zwei Jahre nach seiner Wahl zum FIS-Boss, stieg Kasper auch in den erlauchten Mitglieder-Kreis des Internationalen Olympischen Komitees auf, in dem er in diversen Kommissionen Einsitz nahm. Mit einer speziellen Dispens durfte Kasper ab 2014 trotz überschrittener Altersgrenze von 70 Jahren im Olympia-Gremium verbleiben. Im Oktober 2018 jedoch schied er altershalber definitiv als IOC-Mitglied aus. Gleichzeitig wurde er zum Ehrenmitglied ernannt.

Weitere Aufgaben und Ämter ergaben sich in Kaspers Karriere als Sportfunktionär fast automatisch aufgrund seiner Stellung als Generalsekretär und Präsident der FIS. So gehörte der sprachgewandte Bündner unter anderem von 2003 bis 2016 dem Exekutivausschuss der Welt-Antidoping-Agentur WADA an. Zudem war er von 1975 bis 1999 Generalsekretär und später auch Präsident der Vereinigung der olympischen Wintersport-Verbände (AIOWF). Ebenfalls war er jahrzehntelang Mitglied der gewichtigen IOC-Fernsehkommission sowie in den jeweiligen Koordinationskommissionen für die Winterspiele von 2002 bis 2018.

Ab 1975 bei der FIS

Kaspers Werdegang beinhaltete nach einem abgeschlossenen Studium in Psychologie, Philosophie und Journalismus an der Universität Zürich zunächst einen Abstecher in den Journalismus. Ab 1969 war er Redaktor beim St. Moritzer (Gratis-)Kurier. Zudem schrieb der Engadiner als freier Mitarbeiter für diverse Zeitungen Berichte, so unter anderem auch für die NZZ. 1974 gehörte der Sohn des legendären ehemaligen St. Moritzer Kurdirektors Peter Kasper sowohl bei den alpinen Ski- als auch den Bob-Weltmeisterschaften in seinem Heimatort zum Organisationskomitee. In seiner Verantwortung lag der Bereich Presse und Öffentlichkeitsarbeit.

Danach übernahm Gian Franco Kasper den Aufbau eines neuen Schweizer Tourismusbüros in Montreal. 1975 erfolgte auf Vorschlag von Präsident Marc Hodler der Wechsel ins FIS-Management. Um als Generalsekretär auf den Schweden Sigge Bergman zu folgen, schrieb Kasper nach der WM 1974 in St. Moritz eine Bewerbung von zwei Zeilen. Ein Jahr hörte der Bündner nichts, dann plötzlich meldete sich Hodler und verlangte, dass er nach San Francisco komme, wo gerade der Kongress stattfand. Als Kasper endlich ankam, begrüsste ihn der Berner mit den Worten: «Du bist gerade gewählt worden. Sitz ab.»

Auch Kaspers Wahl 1998 zum Präsidenten war speziell, als sein Vorgänger Hodler überraschend und mit wenig Vorlaufzeit den Rücktritt bekannt gab - und damit gewährleistete, dass sein langjähriger Generalsekretär als einziger Kandidat bereitstand.

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