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Proteste im US-Sport gegen Rassismus und Polizeigewalt

In den USA machen Sportler ihre Wut und Enttäuschung über die Polizeigewalt im Land deutlich wie nie zuvor. Diverse Mannschaften und Spieler boykottieren ihre Einsätze.

Agentur
sda
27.08.20 - 06:35 Uhr
Sport

Die jüngste Gewalttat von Polizisten gegen einen schwarzen Amerikaner am Wochenende hat viele Spieler ein weiteres Mal schwer getroffen. Ausgelöst von einem historischen Playoff-Boykott der Milwaukee Bucks verzichteten Teams und Spieler in der NBA, MLB, MLS und WNBA auf ihre Wettkämpfe. Ob die durch die Corona-Pandemie lange unterbrochene und nun in einer abgeschotteten Blase gespielte Saison in der stärksten NBA überhaupt noch fortgesetzt wird, ist nun Gegenstand von intensiven Debatten.

Tennis-Star Naomi Osaka schloss sich dem Protest an und verzichtete unmittelbar vor dem US Open auf ihren für Donnerstag angesetzten Halbfinal am Premier-Turnier in New York. Der kombinierte Frauen- und Männer-Anlass reagierte mit einem kompletten Unterbruch des Spielbetriebs und einer Pause bis Freitag. Von Profisportlern aus der NBA und der NFL gab es Zuspruch für den Schritt der Bucks. Der ehemalige US-Präsident Barack Obama schrieb: «Ich preise die Spieler der Bucks, die einstehen dafür, woran sie glauben, Trainer wie Doc Rivers und die NBA und WNBA dafür, ein Zeichen zu setzen. Es wird all unsere Institutionen brauchen, um für unsere Werte einzustehen.»

Wie die NBA mitteilte, sollen die Begegnungen neu angesetzt werden. Auch die Oklahoma City Thunder spielten nicht gegen die Houston Rockets, die Los Angeles Lakers mit ihrem Star LeBron James hätten gegen die Portland Trail Blazers den Einzug in die Viertelfinals der Playoffs perfekt machen wollen, wie auch die Bucks gegen Orlando.

Auf den Tag genau vier Jahre nachdem Colin Kaepernick, der damalige Quarterback der San Francisco 49ers, sich bei einem Testspiel vor der NFL-Saison erstmals während der Nationalhymne hingekniet und das Land in eine emotionale Debatte verwickelt hatte, blieben die Basketballer der Bucks am Mittwoch in ihrer Kabine. In einer allem Anschein nach nicht schon lange vorbereiteten Aktion boykottierten sie das fünfte Spiel der Playoff-Serie beim Stand von 3:1 Siegen. Der Grund: Die jüngste Gewalttat von Polizisten gegen einen Afroamerikaner, dem am Wochenende in den Rücken geschossen worden war. Der Tatort ist in weniger als einer Stunde von Milwaukee mit dem Auto zu erreichen.

«Trotz der überwältigenden Plädoyers für Veränderungen hat es keine Handlungen gegeben. Unsere Konzentration kann deswegen heute nicht dem Basketball gelten», hiess es in einer von den Bucks-Profis in den Katakomben der Halle in Orlando verlesenen Reaktion auf den Boykott. «Wenn wir auf dem Platz stehen und Milwaukee und Wisconsin repräsentieren, wird von uns das höchste Niveau erwartet, dass wir alles geben und uns gegenseitig in die Verantwortung nehmen. Wir erfüllen diesen Standard und fordern das gleiche von unseren Gesetzgebern und der Strafverfolgung.»

Tags zuvor hatte Doc Rivers bereits mit einem emotionalen Kommentar seinen Schmerz und seine Wut zum Ausdruck gebracht: «Es ist für mich erstaunlich, warum wir dieses Land weiterhin lieben und dieses Land uns nicht zurück liebt», sagte der Trainer der Los Angeles Clippers als Reaktion auf das Video der Schüsse auf Jacob Blake.

Die stärkste Frauen-Basketball-Liga der Welt, die WNBA, verzichtete wie die NBA auf alle geplanten Partien für den Tag. In der Major League Soccer fanden fünf der sechs geplanten Spiele des Tages nicht statt. Auch in der Major League Baseball wurden am Mittwoch Begegnungen abgesagt.

«So etwas habe ich noch nie gesehen. Man muss den Milwaukee Bucks eine Menge Respekt zollen», sagte Basketball-Legende Charles Barkley dem TV-Sender CNN. «Ich finde es sehr couragiert, was die Milwaukee Bucks heute Abend gemacht haben.» Von den Team-Besitzern, die nicht informiert waren, gab es Rückendeckung für die Basketballer.

«Scheiss darauf, Mann. Wir verlangen Veränderung. Krank davon», schrieb Lakers-Superstar James in Grossbuchstaben und mit vielen Ausrufezeichen versehen nur Minuten nachdem klar war, was die Bucks getan hatten. «Wir verlangen Veränderung», twitterte Donovan Mitchell von den Utah Jazz - verbunden mit einer Respektbekundung an die Bucks.

Schon vor dem Einzug der Profis in die Anti-Corona-Blase nach Florida hatten die Anti-Rassismus-Proteste im Land eine grosse Rolle gespielt. Einige Basketballer waren der Meinung, dass mit einer Fortsetzung der durch die Pandemie unterbrochenen Saison der Fokus auf dieses so wichtige Thema verloren gehe. Spieler und Trainer hatten zwar nahezu täglich in Interviews auf den Tod von George Floyd und weiterer schwarzer Menschen hingewiesen.

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