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Ralph Stöckli über Frust und Freude an den Europa-Spielen

Als Chef de Mission begleitet Ralph Stöckli ab heute eine rund 80-köpfige Schweizer Delegation in Minsk in die zweite Ausgabe der Europa-Spiele. Mit Keystone-SDA spricht er über deren Entwicklung.

Agentur
sda
21.06.19 - 08:00 Uhr
Sport
Chef de Mission Ralph Stöckli findet zu den European Games sowohl mahnende wie auch lobende Worte
Chef de Mission Ralph Stöckli findet zu den European Games sowohl mahnende wie auch lobende Worte
KEYSTONE/JEAN-CHRISTOPHE BOTT

Es war eine doppelte Premiere, die Ralph Stöckli 2015 in Baku erlebte. Nicht nur wurden erstmals überhaupt Europa-Spiele durchgeführt, der Multisportanlass in der aserbaidschanischen Hauptstadt war für den einstigen Schweizer Spitzencurler die Feuertaufe als Chef de Mission. Vier Jahre später begleitet er die zweite Ausgabe der Kontinentalkämpfe (21. bis 30. Juni) in gleicher Funktion. Im Gespräch mit Keystone-SDA erklärt der Chef, was ihn an der Entwicklung der Europa-Spiele stört, wieso sie dennoch wichtig sind und wie weit fortgeschritten Swiss Olympic mit der Planung für die Olympischen Spiele 2020 ist.

Ralph Stöckli, mit welchem Gefühl blicken Sie auf die zweite Austragung der Europa-Spiele?

«Es sind gemischte Gefühle. Ich freue ich einerseits natürlich darauf, die Schweizer Athletinnen und Athleten in Minsk im Einsatz zu sehen und den Schweizer Teamgeist zu erleben. Andererseits entwickelt sich der Anlass nicht ganz in die Richtung, die wir uns erhofft haben.»

Inwiefern?

«Europäische Kontinentalspiele als multisportive Bühne für die Athletinnen und Athleten zu etablieren, ist eigentlich ein toller Ansatz. Es ist aber nicht gelungen, die Wichtigkeit und Wertigkeit bei den einzelnen Verbänden in Europa zu stärken. Für die Schweiz etwa fielen mit Mountainbike und Triathlon wichtige Sportarten weg.»

Erleben die Europa-Spiele also bereits eine Depression?

«Man kann jedenfalls nicht behaupten, dass sich die Spiele auf einem aufsteigenden Ast befinden. Seit der ersten Austragung in Baku sind es weniger Athleten geworden, weniger Sportarten und weniger Wettkampftage. Die europäischen Kontinentalkämpfe im Wettkampfkalender richtig zu platzieren, gelang nicht.»

Wieso nicht?

«Ein Grund dafür ist die Konkurrenz durch die European Championships. Und für viele Verbände sind die Europameisterschaften eine enorm wichtige Einnahmequelle.»

2015 fand die Premiere der Europa-Spiele in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku statt, heuer geht die zweite Ausgabe der Titelkämpfe in Minsk über die Bühne. Nicht die attraktivsten Austragungsorte für westeuropäische Nationen.

«Der Versuch, die Spiele in den Niederlanden durchzuführen, ist nicht durchgekommen. Nun bleibt der Austragungsort in Osteuropa. Man erkennt dies auch an der Verteilung der Sportarten. In Minsk stehen viele Sportarten im Programm, die in Osteuropa populär und in denen die Athleten aus diesen Ländern gut sind. All diese Punkte lassen Aussagen über die Entwicklung der Spiele zu.»

Und trotzdem schickt die Schweiz über 70 Athleten nach Minsk.

«Wir von Swiss Olympic wollen in Minsk breit vertreten sein, um für die Verbände eine hohe Wertigkeit zu erreichen. Aber wir werden im Nachgang der Spiele die Situation analysieren und dann entscheiden, wie wir weiterfahren werden. Zudem sind da die Athleten, die mit grosser Freude und Engagement auf die Europa-Spiele hinarbeiten. Wenn man sieht, welchen Stellenwert sie dem Wettkampf beimessen, muss man trotzdem sagen: Die Europa-Spiele haben ihre Berechtigung.»

Auf welches Ereignis an den kommenden Spielen freuen Sie sich am meisten?

«Der speziellste Moment für mich ist, wenn das gesamte Team an der Eröffnungsfeier einlaufen darf. Dieser Moment ist einzigartig und bleibt allen Athleten für immer in Erinnerung. Unabhängig davon, wie der Wettkampf danach für einem persönlich verläuft. Denn der Spitzensport ist brutal. Es werden auch Athleten als Verlierer heimkehren.»

Wie sieht die Zielsetzung für Minsk aus?

«Die Europaspiele sollen ein wichtiger Meilenstein auf dem Athletenweg in Richtung internationaler Spitze bilden. Die Verbände mussten uns in ihren Selektionskonzepten aufzeigen, wie sie die Spiele zur Entwicklung von meist jüngeren Athleten nützen wollen. Es hat aber auch Athleten dabei, bei denen es um ganz wichtige Qualifikationspunkte für die Olympischen Spiele nächstes Jahr in Tokio geht. Auf eine Vorgabe in punkto Podiumsplätze verzichteten wir bewusst.»

Wieso?

«Da die Sportarten an den Europa-Spielen sehr unterschiedlich besetzt sind, ist es zu schwierig, vorgängig Vorgaben zu setzen. Zudem wäre dies auch nicht zielführend. Es soll in erster Linie wirklich um die Entwicklung der Sportler gehen.»

Wagen wir noch einen Ausblick auf die Olympischen Sommerspiele im kommenden Jahr in Tokio. Wie gut liegt Swiss Olympic bei der Planung im Soll?

«Wir können die Ampeln auf Grün stellen. Wir werden Ende August an einer Medienkonferenz alle Selektionskonzepte präsentieren und auch vor Ort haben wir die wichtigen Dinge aufgegleist. Nun sind wir dran, die Reiseplanung zu finalisieren.»

Eine besondere Herausforderung in Tokio wird das Wetter darstellen. Welche Massnahmen wurden ergriffen, um die Sportler auf die hohen Temperaturen vorzubereiten?

«Wir haben gemeinsam mit dem Bundesamt für Sport das Projekt 'beat the heat' ins Leben gerufen. Da geht es um die Beratung der Verbände durch einen Sportwissenschaftler. Dann wurde ein Programm für alle Trainer initiiert, in dem wir die Hitzethematik spezifisch im Hinblick auf die einzelnen Sportarten thematisieren. Und im Velodrom wurde eine Hitzekammer eingerichtet, in der die klimatischen Bedingungen simuliert werden.»

Wozu?

«Hier werden ganz unterschiedliche Tests durchgeführt. Einerseits sind es Leistungstests. Andererseits wird auch darüber geforscht, wie die Athleten ihren Körper bei den herrschenden Bedingungen richtig vorkühlen für einen Wettkampf, oder danach herunterkühlen für die optimale Regeneration.»

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