×

Glarner gewinnt mit einem Manöver einen Filmpreis

Der Schwander Sämi Ortlieb ist begeisterter Freeskier und Filmemacher. Nun hat er mit «Manöver» einen Filmpreis gewonnen. Der kreative Film stösst im Internet auf Begeisterung.

Paul
Hösli
21.09.22 - 19:30 Uhr
Kultur
Fleissiger Filmemacher: Sämi Ortlieb legt für seine Produktionen selber Hand an.
Fleissiger Filmemacher: Sämi Ortlieb legt für seine Produktionen selber Hand an.
Pressebild

Zwei Männer fahren mit den Ski auf einem nicht allzubreiten Schneestreifen, links und rechts ist alles grün. Plötzlich nimmt der vordere Skifahrer Kurs auf die grüne Wiese. Er wird doch nicht? Doch, er fährt über die Wiese –oder eben nicht. Wie von Geisterhand entsteht vor ihm ein schmales Band aus Schnee, auf welchem die beiden Skifahrer einige Schwünge ziehen, ehe sie auf das Schneefeld zurückkehren. Es ist nur eine von vielen Szenen im Film «Manöver», welche den Zuschauenden ein «Wow» oder «Hä, wie geht das?» entlocken.

Rund viereinhalb Minuten dauert der Film, in welchem Ski-Freestyler über Schanzen oder Felswände springen, sogenannte Rails aus Holzpflöcken rutschen oder mit den Ski auf einem Baumstamm balancieren. Alles schon da gewesen? Mitnichten, der Film besticht durch seine Kreativität. Denn kaum sind die Skifahrer über die Schanze gesprungen oder die Baumstämme geschlittert, wird die Schanze wieder zurückgebaut oder im Fall der Baumstämme kommen diese von ganz allein wieder auf dem Boden zu liegen – beinahe schon magisch. «Ein Meisterwerk», «so etwas habe ich noch nie gesehen» oder «absolut unglaubliche Arbeit» lauten einige Kommentare unter dem Video auf Youtube. Rund 70 000 Menschen haben auf dieser Plattform das Video angeschaut. «Es hätte Millionen von Klicks verdient», heisst es etwa in den Kommentaren weiter.

Made in Glarnerland

Für diese Lobeshymnen sorgt der Filmemacher Sämi Ortlieb. Er ist Wochenaufenthalter in Zürich, studiert an der Hochschule in Luzern Film, arbeitet als Freelancer und produziert eigene Filme. «Ich mag Skifahren, Animationsfilme und Zeichnen. Die Idee für ‘Manöver’ entstand daher aus verschiedenen Gründen und es liefen letztlich viele Fäden zusammen», erklärt der 30-Jährige. Etwa das Element mit den verschwindenden Schanzen hat er bereits in seinem früheren Film «Zügel the Hügel» verwendet.

«Etwa am drittletzten Drehtag verletzte ich mich bei der Landung am Knie und habe mir das Innenband angerissen.»

Sämi Ortlieb, Filmemacher

Der Film «Manöver» entstand bereits 2019 und wurde vollumfänglich im Glarner Hinterland gedreht. Auch der Soundtrack der Band Hazer Baba ist made in Glarnerland. Zwischen drei und sieben Ski-Freestyler sorgen für die spektakulären Bilder. Sämi Ortlieb dreht und produziert nicht nur, er macht im Film auch selber mit. «Etwa am drittletzten Drehtag verletzte ich mich bei der Landung am Knie und habe mir das Innenband angerissen», sagt der Schwander. Das gehöre aber dazu und er sei zum Glück der Einzige gewesen, der sich während des Drehs verletzt habe.

Internationale Beteiligung

Für eine einzelne Szene im Film, welche nur einige Sekunden dauert, hat Sämi Ortlieb mindestens einen Tag gedreht. Das Team, alle machten unentgeltlich mit, musste die Schanzen mit Schaufeln erstellen. Dann sprangen die Ski-Freestyler darüber und machten die Tricks, bis Ortlieb mit der Szene zufrieden war. In der Folge wurden die Schanzen, im Fachjargon «Kicker» genannt, mit der Schaufel wieder zurückgebaut. «Wir mussten sehr viel schaufeln», erzählt Sämi Ortlieb. Er sei es sich aber gewöhnt, «aber einige waren nach drei Tagen kaputt», ergänzt er und lacht.

Rund anderthalb Monate dauerten die Dreharbeiten mit den vier Haupt-Ski-Freestylern, die aus Kanada, Neuseeland und der Schweiz stammen. Dazu hat Sämi Ortlieb in die Vorproduktion und die Suche nach den geeigneten Drehorten und das Drehbuch weitere Wochen investiert.

Über zwei Monate am Computer

Um die Illusion mit der sich von Zauberhand zurückbauenden Schanze und der Bewegung zu erzeugen, hat Sämi Ortlieb einzelne Bilder aneinandergereiht, Stop-Motion genannt. «Wir schaufelten, gingen zur Seite und ich machte das Foto, Schritt für Schritt», erklärt er. Die Nachbearbeitung erfolgte dann am Computer, welche rund zweieinhalb Monate dauerte.

Die Dreharbeiten waren nicht nur kräfteraubend, aufgrund der Dauer der Szenen hatte er mit den Elementen zu kämpfen. «Weil sich das Licht über den ganzen Tag gesehen immer wieder veränderte.» Die Arbeit mit der Natur sei herausfordernd gewesen, «aber ich konnte gleichwohl mit ihr interagieren», erklärt Ortlieb. So begann es einmal mitten im Dreh zu schneien. «Da mussten wir uns schon überlegen, ob wir noch weiterdrehen wollten. Ich musste bei der Nachbearbeitung wacker daran schrauben, dass es lichtmässig funktionierte.»

Ehre zeichnete sich erst nicht ab

Der Aufwand von Sämi Ortlieb und seinem Team hat sich nun ausgebezahlt. «Manöver» wurde am Ona-Filmfestival in Venedig in der Kategorie «Best Post Production» ausgezeichnet. Also die Auszeichnung für die beste Nachbearbeitung. Das Ona-Festival ehrt Kurzfilme, die die Themen Sport im Freien, Natur und Umweltbewusstsein behandeln.

«Das habe ich erst an der Preisverleihung selber erfahren.»

Sämi Ortlieb, hat in Venedig einen Filmpreis gewonnen

Dass er diese Ehre erfahren durfte, hatte sich nicht abgezeichnet. Sämi Ortlieb liess den Film zuvor einigen Filmfestivals zukommen, «Manöver» wurde aber überall abgelehnt. Ins Rollen kam das Ganze erst durch die Videoplattform Vimeo, auf welcher Ortlieb den Film veröffentlichte. Die Betreiber der Webseite hätten sich eines Tages aus dem Blauen heraus gemeldet und wollten mit dem Film Onlinepremiere feiern. «Das ist ein grosses Ding, es sind nur wenige ausgewählte Projekte im Jahr», erklärt Ortlieb. Wie die Betreiber auf den Film aufmerksam wurden, weiss er hingegen nicht genau. «Er lief an einem Filmfestival in Amerika, vielleicht haben sie ihn dort gesehen.» Auf Vimeo wurde «Manöver» bis heute rund 210 000 Mal aufgerufen.

Allein in Venedig

Durch die Vermarktung auf Vimeo wurde der Film immer bekannter und in der Folge an diversen Festivals in ganz Europa und Nordamerika vorgeführt. Und so wurden auch die Organisatoren des Ona-Filmfestivals auf «Manöver» und Ortlieb aufmerksam und luden ihn nach Venedig ein. «Es war ein cooler Anlass und machte grossen Spass. Zudem war ich noch nie dort», so Ortlieb.

Dass er den Preis gewinnen sollte, wusste Ortlieb im Vorfeld hingegen nicht, wie der Filmemacher sagt: «Das habe ich erst an der Preisverleihung selber erfahren.» Er reiste am Samstag, 10. September, für eine Nacht mit dem Zug in die Lagunenstadt – ganz alleine. «Eigentlich wäre die Einladung für zwei Personen gewesen, aber auch das habe ich erst vor Ort erfahren», sagt er und lacht. Das schmälert seine Freude über den Preis jedoch nicht, und Sämi Ortlieb ergänzt: «Die Auszeichnung ist eine schöne Anerkennung und eine Wertschätzung für die Arbeit, welche wir in den Film investierten.»

Paul Hösli ist Redaktor bei den «Glarner Nachrichten» in Ennenda. Wenn er keine Artikel über das regionale Geschehen verfasst, produziert er die Zeitung. Zudem ist er der Stellvertreter von Ruedi Gubser für das Ressort Sport. Er ist seit 1997 bei der «Südostschweiz», im Jahr 2013 wechselte er intern von der Druckvorstufe in die Redaktion. Zuerst in einem 40-Prozent-Pensum und seit 2016 zu 100 Prozent. Mehr Infos

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Kultur MEHR
prolitteris