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Haftentscheide: Staatsanwaltschaften verlieren ihr Beschwerderecht

Die Staatsanwaltschaften sind nicht mehr berechtigt, Beschwerde gegen Haftentscheide von Zwangsmassnahmengerichten einzulegen. Dies hat das Bundesgericht in einer öffentlichen Beratung entschieden. Es ändert damit eine langjährige Rechtspraxis.

Agentur
sda
10.01.23 - 11:59 Uhr
Blaulicht
Das Bundesgericht legt das Gesetz zur Anordnung von Haft neu aus. (Archivbild)
Das Bundesgericht legt das Gesetz zur Anordnung von Haft neu aus. (Archivbild)
KEYSTONE/LAURENT GILLIERON

Im konkreten Fall hatte das Zwangsmassnahmengericht ein Gesuch um Haftentlassung des seit Februar 2022 inhaftierten Beschuldigten im Tötungsdelikt von Spreitenbach AG gutgeheissen. Nach einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft wurde dieser Entscheid jedoch aufgehoben. Ebenso ermöglichte ein Weiterzug durch die Staatsanwaltschaft eine abermalige Verlängerung der Untersuchungshaft.

Das Bundesgericht geht neu nicht mehr davon aus, dass die Staatsanwaltschaften ein Beschwerderecht in Haftsachen haben. Es folgt damit nicht mehr seiner rund zehnjährigen Rechtspraxis. In der Strafprozessordnung ist nämlich nicht ausdrücklich vorgesehen, dass die Staatsanwaltschaften in solchen Fällen Beschwerde einlegen können. Das Bundesgericht ging bisher von einem Versehen des Gesetzgebers aus.

In der voraussichtlich im kommenden Jahr in Kraft tretende Strafprozessordnung wurde der entsprechende Gesetzesartikel nun so ergänzt, dass «einzig» der verhafteten Person Rechtsmittel zur Verfügung stehen. Damit fällt laut Bundesgericht die bisherige Annahme weg, dass sich der Gesetzgeber über diesen Punkt ausgeschwiegen habe.

Für den Beschuldigten von Spreitenbach heisst die teilweise Gutheissung seiner Beschwerde nicht, dass er wie beantragt, sofort frei kommt. Der Fall geht zur neuen Entscheidfindung an das Zwangsmassnahmengericht zurück.

(Urteil 1B_614/2022 vom 10.1.2022)

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