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Geldstrafen und Freisprüche gefordert an «Kill Erdogan»-Prozess

Nach einem längeren Unterbruch ist am Mittwoch in Bern der Prozess um das «Kill Erdogan»-Plakat fortgesetzt worden, das 2017 in Bern an einer Kundgebung gezeigt wurde. Auf dem Programm standen die fünf Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung.

Agentur
sda
02.03.22 - 18:20 Uhr
Blaulicht
Das Plakat des Anstosses am 25. März 2017 in Bern.
Das Plakat des Anstosses am 25. März 2017 in Bern.
KEYSTONE/PETER KLAUNZER

Der Staatsanwalt forderte einen Schuldspruch für die vier Beschuldigten in den Hauptanklagepunkten öffentliche Aufforderung zu Verbrechen oder Gewalttätigkeit und Landfriedensbruch. Er beantragte teilweise bedingte, teilweise unbedingte Geldstrafen im Umfang von 32 bis 40 Tagessätzen in einer vom Gericht zu bestimmenden Höhe.

Ein «unvoreingenommener Durchschnittsbürger» habe das Plakat mit der Aufschrift «Kill Erdogan with his own weapons!» («Töte oder tötet Erdogan mit seinen eigenen Waffen!») als Aufruf zur Tötung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auffassen müssen. Wenn die Beschuldigten etwas anderes sagten, seien das reine Schutzbehauptungen.

Zahlreiche Bilder und Videos zeigten, dass die vier beschuldigten Personen unmittelbar beim fraglichen Plakat gestanden seien. Teilweise befanden sie sich laut dem Ankläger auf dem kleinen Wagen, auf dem das Plakat transportiert wurde, und hantierten mit der Lautsprecheranlage.

Insofern hätten sie einen Beitrag geleistet, dass die Botschaft des Plakats weiterverbreitet worden sei - unabhängig davon, ob sie an der Herstellung des Plakats beteiligt gewesen seien oder nicht.

Die Verteidigerin und die drei Verteidiger hingegen forderten vollumfängliche Freisprüche. Die Anklage sei ungenügend. Niemand werfe den vier vor, das Plakat hergestellt zu haben. Nur dass sie sich in der Nähe des Transparents aufgehalten hätten, reiche für eine Verurteilung nicht.

Die Verteidigung verwies auch auf Aussagen einer Fachperson für bildnerisches Gestalten Mitte Januar vor Gericht. Diese Person sagte, das Wort «Kill» sei «unglücklich gewählt» und «sehr provokativ». An Klimademos werde aber auch gesagt, der Planet «brenne». Metaphorische Überspitzungen seien an politischen Kundgebungen normal.

«Ich sehe keine Adressaten dafür, Erdogan wirklich umzubringen», sagte diese Zeugenperson auch.

Interventionen der Türkei

Das umstrittene Transparent wurde im März 2017 als Teil einer kleineren, unbewilligten Kundgebung gegen Erdogan mitgeführt, welche am Rand einer grossen, bewilligten Kundgebung für Frieden in der Türkei stattfand. Eine Gruppe, welche beim alternativen Berner Kulturzentrum Reitschule gestartet war, führte es mit sich.

Noch am Tag dieser zwei Kundgebungen protestierte die Türkei wegen des Plakats beim Schweizer Aussendepartement in Bern und bestellte in Ankara die Schweizer Vize-Botschafterin ein. Es kam auch zu einem Telefongespräch zwischen den beiden Aussenministern. Die Türkei forderte eine Untersuchung, und Erdogan sagte, die Schweiz müsse aufhören, Terrororganisationen zu unterstützen.

Ein Richter des Regionalgerichts Bern-Mittelland wollte den Prozess eigentlich an zwei Tagen im Januar über die Bühne bringen. Doch geriet der Zeitplan wegen des Wirbels um einen türkischen Journalisten durcheinander, der vom Richter wegen eines Tweets zu den Beschuldigten verwarnt wurde. Am 9. März will der Richter sein Urteil bekanntgeben.

Beschuldigte sagen viel und nichts

Die vier beschuldigten Personen sagten im Januar zu den Vorwürfen gegen sie kaum etwas, benutzten aber jede Gelegenheit, den türkischen Präsidenten und seine Politik zu kritisieren. Das taten sie auch am Mittwoch beim sogenannten letzten Wort, das jeweils den Beschuldigten eingeräumt wird.

Ein Unterstützungskomitee hatte im Vorfeld des Prozesses angekündigt, dass diese öffentliche Bühne benutzt werde, um der Politik von Erdogan den Prozess zu machen. Dementsprechend griffen die vier Beschuldigten am Mittwoch erneut Erdogan an.

Der Prozess läuft unter beträchtlichen Sicherheitsvorkehrungen ab und findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Nur akkreditierte Medienschaffende sind zugelassen. Sie dürfen keine Angaben machen, welche die Identifikation von Beschuldigten und Zeugen ermöglichen könnten.

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