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Terrorismusverdacht in Lugano - BA eröffnet Strafverfahren

Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) vermutet hinter der Messerattacke von Lugano einen terroristischen Hintergrund. Dies sagte Direktorin Nicoletta della Valle am Dienstag an einer Medienkonferenz in Bellinzona. Die Bundesanwaltschaft (BA) eröffnete ein Strafverfahren.

Agentur
sda
24.11.20 - 23:36 Uhr
Blaulicht
Tatort Kaufhaus an der Piazza Dante in Lugano.
Tatort Kaufhaus an der Piazza Dante in Lugano.
KEYSTONE/Ti-Press/Pablo Gianinazzi

«Dieser Angriff überrascht mich nicht», sagte Nicoletta della Valle, die der Medienkonferenz per Video zugeschaltet war. Das Fedpol arbeite Hand in Hand mit der Tessiner Kantonspolizei, um den Fall zu untersuchen. «Diese Zusammenarbeit funktioniert sehr gut.»

Della Valle verwies auf den anderen Fall in der Schweiz, der im Moment bezüglich eines mutmasslichen terroristischen Hintergrundes untersucht werde: die Messerattacke von Morges, bei der Mitte September ein 29-jähriger Portugiese erstochen worden war. Der Täter war dem Nachrichtendienst des Bundes bekannt.

Täterin war den Behörden bekannt

Auch die 28-jährige Frau, die am Nachmittag kurz nach 14 Uhr in einem grossen Luganeser Kaufhaus zwei Frauen angegriffen hatte, sei den Behörden bekannt gewesen, sagten sowohl della Valle als auch Matteo Cocchi, Kommandant der Kantonspolizei Tessin. Es müsse nun geklärt werden, ob die Frau eine Verbindung zur Terrororganisation Islamischer Staat (IS) habe. Für weitere Details sei es noch zu früh.

Das Tessiner Online-Portal «tio.ch» berichtete bereits am Nachmittag, die Täterin habe «sono dell'Isis» - «Ich bin vom Isis» (IS) oder «Allah akbar»- «Gott ist grösser (beziehungsweise: der Grösste)» gerufen. Diese Fakten hätten sich jedoch nicht: der Grösste)" gerufen, hält «tio.ch» fest. Am Abend teilte das Fedpol per Twitter mit, dass die Frau bereits bei polizeilichen Ermittlungen im Jahr 2017 mit jihadistischem Hintergrund aufgefallen sei.

Sommaruga spricht mit Tessiner Regierung

Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga telefonierte mit dem Tessiner Regierungspräsidenten Norman Gobbi, um ihr Mitgefühl zum Ausdruck zu bringen für die betroffenen Frauen und die Tessiner Bevölkerung und um die Unterstützung des Bundes zuzusichern, wie es auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA hiess.

Gobbi sagte vor den Medien, man gehe davon aus, dass die Frau radikalisiert worden sei. «Die Situation ist von grösstem Ernst», sagte der Vorsteher des Tessiner Justiz- und Polizeidepartements. Falls sich die vom Fedpol geäusserte Vermutung bestätigen lasse, wäre der Kanton Tessin zum ersten Mal mit einem terroristischen Akt konfrontiert. «Wir sind entschlossen, die Sicherheit unserer Bürger zu verteidigen», schloss Gobbi.

Der Kommandant der Tessiner Kantonspolizei Cocchi sagte, die Bedrohung durch den Terrorismus sei omnipräsent. Es sei wichtig, rasch zu reagieren, und das habe man getan. Die Untersuchung des Falles werde vom Fedpol geleitet.

Am Dienstagnachmittag kurz nach 14 Uhr war es in einem grossen Kaufhaus in Lugano zu einer Messerstecherei gekommen. Bei der Täterin handelt es sich nach Angaben der Tessiner Kantonspolizei um eine 28-jährige Schweizerin. Sie griff im Innern des Kaufhauses zwei Frauen an, eine von ihnen mit einem Messer. Eines der Opfer wurde dabei schwer verletzt. Später twitterte Gobbi weitere Details zum Tathergang in Lugano. Demnach haben andere Kunden im Kaufhaus Manor die Täterin unmittelbar nach dem Angriff überwältigt.

Wien verurteilt «islamistischen Terrorismus»

Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz verurteilte noch am Abend den «islamistischen Terroranschlag in Lugano». Seine Gedanken seien bei den Opfern, schrieb der Regierungschef in Wien auf Twitter und sicherte der Schweiz seine Unterstützung «in diesen schwierigen Zeiten» zu. Man werde dem islamistischen Terrorismus in Europa gemeinsam die Stirn bieten und die eigenen Werte verteidigen.

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Ob das Motiv nun ein politisches/religiöses oder ein anderes war oder nicht, ist fast schon irrelevant. Vor einiger Zeit hätte niemand spontan an Islamismus gedacht, weil es auch keinen Grund dafür gab. In der Zwischenzeit ist aber viel Wasser den Rhein runtergeflossen, und zwar viel blutgetränktes. Da ist es nur natürlich, zuerst an Terrorismus zu denken. Wenn es dann nicht so war, ist das Resultat der Tat zwar nicht weniger schlimm, aber die politische Brisanz ist aus dem Thema raus. Im Übrigen macht ein rechts- oder linksterroristischer Anschlag einen islamistischen nicht weniger verbrecherisch und umgekehrt auch nicht. Es ist dieselbe totalitäre, menschenverachtende Gesinnung.

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