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Zürcher Obergericht verurteilt Fluglotsen wegen Beinahe-Katastrophe

Ein Skyguide-Fluglotse, der 2011 einen Beinahe-Zusammenstoss zweier Flugzeuge verursacht hatte, wird für seinen Fehler bestraft. Das Zürcher Obergericht hat ihn am Mittwoch zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Skyguide kritisiert das Urteil.

Agentur
sda
12.12.18 - 15:56 Uhr
Blaulicht
Der Flughafen Zürich gilt wegen der sich kreuzenden Pisten als besonders anspruchsvoll - für Piloten wie auch für Fluglotsen: Blick auf einen Lotsen-Arbeitsplatz bei Skyguide. (Archiv)
Der Flughafen Zürich gilt wegen der sich kreuzenden Pisten als besonders anspruchsvoll - für Piloten wie auch für Fluglotsen: Blick auf einen Lotsen-Arbeitsplatz bei Skyguide. (Archiv)
KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER

Der 36-Jährige wurde wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs zu einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 210 Franken verurteilt. Die Probezeit beträgt zwei Jahre.

Der Skyguide-Mitarbeiter hatte im März 2011 zwei Swiss-Maschinen mit insgesamt über 260 Menschen an Bord kurz nacheinander die Start-Erlaubnis erteilt - allerdings auf den sich kreuzenden Pisten.

Einer der Piloten bemerkte die Gefahr und brach den Start im letzten Moment ab. Wenige Sekunden später erteilte auch der Lotse den Befehl - allerdings erst, nachdem bei ihm ein Alarm losgegangen war.

Ein Gutachten geht davon aus, dass der Start zu diesem Zeitpunkt aber gar nicht mehr hätte abgebrochen werden können, weil die Maschine schon zu schnell unterwegs war. Ein Startabbruch bei solch hohem Tempo hätte ebenfalls zu einem schweren Unfall geführt.

Die Crew im zweiten, voll besetzten Flugzeug bekam von der brenzligen Situation nichts mit. Dass es nicht zur Katastrophe kam, ist gemäss Gericht einzig dem einen Piloten zu verdanken, der aus dem Cockpitfenster zufällig das seitlich heranfahrende Flugzeug sah.

Zu viel Arbeit, fehleranfällige Technik

Der Lotse gab beim Prozess an, dass er das Gesamtbild kurz aus den Augen verloren habe, weil er sich um anstehende Messflüge gekümmert habe. «Es gibt aber eine Pflicht zur ständigen Überwachung», sagte der Richter. Ein Lotse müsse das Gesamtbild jederzeit im Kopf haben. «Er hat schlicht die Prioritäten falsch gesetzt.»

Mit seinem Urteil bleibt das Obergericht unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die 180 Tagessätze und somit die doppelt so hohe Bestrafung gefordert hatte. Die Oberrichter erkannten aber gleich mehrere strafmildernde Gründe.

Zum einen das hohe Arbeitspensum, das dem Lotsen damals aufgebürdet wurde. Er war seit Stunden im Dienst. Zudem sei sein Arbeitsplatz «ergonomisch suboptimal» gewesen und das Alarmsystem fehleranfällig.

Der Richter äusserte denn auch Verständnis. «Wir sind uns sehr bewusst, dass diese Tätigkeit äusserst anspruchsvoll ist.» Weil hier aber schon kleine Fehler zu Katastrophen führen könnten, würden auch fahrlässige Gefährdungshandlungen geahndet. Ähnliche Regeln gelten beispielsweise für Baufirmen.

Die Vorinstanz, das Bezirksgericht Bülach, war im Dezember 2016 anderer Meinung und sprach den 36-Jährigen frei. Es vertrat die Haltung, dass der Lotse nicht für etwas verurteilt werden könne, das gar nicht passiert sei.

Er bleibt angestellt

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann noch ans Bundesgericht weitergezogen werden. Skyguide dürfte diesen Schritt voraussichtlich auch gehen, denn der Flugsicherung geht es ums Prinzip. Ein solches Urteil mache die Flugsicherung keineswegs sicherer, sondern gefährde vielmehr die Sicherheitskultur, teilte das Unternehmen noch während der Urteilseröffnung mit.

Die Luftfahrt sei darauf angewiesen, dass Lotsen, Techniker und Piloten ohne Angst Vorfälle von sich aus melden könnten. Nur so könne die Sicherheit kontinuierlich verbessert werden.

Der Lotse wird trotz Verurteilung nicht entlassen. Er arbeitet seit dem Vorfall im Hintergrund und kümmert sich um die Weiterentwicklung der Sicherheit. Aktuell absolviert er zudem eine Ausbildung, um wieder in seine alte Funktion zurückkehren zu können.

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