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«Darauf wirst du in der Ausbildung nicht vorbereitet»

Daniel Willi war der erste, der am Sonntagabend die Unglücksstelle erreichte. Ein Ehepaar war mit dem Auto in den Steinenbach gefahren. Die 80-jährige Fahrerin hat es Willis beherztem Eingreifen zu verdanken, dass sie heute noch lebt.

03.12.18 - 18:52 Uhr
Blaulicht

Als Polizist geht manchmal alles ganz schnell, Entscheidungen müssen innerhalb weniger Augenblicke gefällt werden. So geht es auch dem 40-jährigen Kantonspolizist Daniel Willi, als er am Sonntagabend um 18.15 Uhr auf dem Polizeistützpunkt in Schmerikon einen Notruf empfängt: «In der ersten Meldung hiess es, dass in Benken ein Personenwagen in einen Kanal geraten sei. Ich solle sofort ausrücken, weitere Informationen würden folgen», erinnert sich Willi. Er steigt in seinen Wagen und fährt mit Blaulicht nach Uznach. Die Bahnschranke ist natürlich wieder einmal zum dümmsten Zeitpunkt unten. 

«Dachte kurz an meine Familie»

«Zum Glück konnte der Notruf mir den Anrufer, der die Meldung erstattet hatte, auf mein Natel verbinden», sagt Willi. Denn dieser konnte ihm sagen, dass er das Blaulicht bereits sehe und dass Willi nur bis zur Grynau zu fahren habe und nicht bis nach Benken. «Kurz darauf öffnete sich die Barriere und ich erreichte den Anrufer und seine Begleiterin.» Ein 80-jähriger Mann, der Beifahrer, sass bereits im Auto des Anrufers und wärmte sich auf. Schnell wird klar: Seine gleichaltrige Ehefrau muss noch im Auto sein. «Zu diesem Zeitpunkt war das Auto bereits fast vollständig gesunken, bloss von der Rückseite schauten noch rund zehn Zentimeter aus dem Wasser», sagt Willi.

Der Kantonspolizist überlegt kurz, nimmt eine Risikoabwägung vor. «Ich habe mir auch überlegt, ob ich es mit meiner Familie vereinbaren kann, wenn ich in dieser Situation meine Gesundheit aufs Spiel setze.» Schnell wird ihm klar: Er muss der Frau helfen. «Natürlich lernen wir in der Ausbildung, mit sehr vielen Situationen umzugehen. Doch er Moment, wenn du alleine dastehst und eine Entscheidung fällen musst, welche über Leben und Tod entscheiden kann – darauf kann dich niemand vorbereiten.»

Also entledigt er sich seines Waffengurts und anderer störender Gegenstände. Geistesgegenwärtig denkt er daran, das Abschleppseil und den Nothammer aus dem Kofferraum zu holen, bevor er sich ins eiskalte Wasser begibt. Der Mann, der den Notruf alarmiert hatte, sichert Willi mit dem Abschleppseil, während der sich ins Wasser begibt. Schnell reicht es ihm bis zum Hals. «Die Kälte habe ich da noch nicht gespürt, dafür pumpte wohl zu viel Adrenalin durch meinen Körper.» Willi kann auch nicht mehr sagen, wie viel Kraft es ihn kostete, die hintere Autotüre zu öffnen. «In so einer Situation funktioniert der Körper einfach», sagt er.

Frau kriegt Autotür nicht auf

Sicher ist: Die 80-Jährige konnte dank einer Luftblase im Auto zwar noch atmen und auch vom Fahrer- auf den Rücksitz klettern. «Die Türe hat sie aber nicht aufgebracht», sagt Willi. Als er dies tut, entweicht die restliche Luft aus dem Auto – der Wagen beginnt nun, vollständig zu versinken. «Zum Glück habe ich die Frau vorher zu fassen gekriegt und konnte sie aus dem Auto ziehen, bevor dieses sank.» Der Helfer an Land zieht den Polizisten und die Gerettete in Sicherheit. Nach und nach treffen weitere Einsatzkräfte ein, das unterkühlte Ehepaar wird von der Ambulanz ins Spital gefahren.

Auch Willi wird in einem Ambulanz-Auto erstversorgt. «Erst da wurde mir gesagt, dass auch noch ein Hund im Wagen war. Das Auto lag zu diesem Zeitpunkt aber schon auf dem Grund des Baches, für den Hund kam jede Hilfe zu spät», sagt Willi. Das Ehepaar erfährt das am Tag danch, als Willi sie im Spital besuchen geht. «Es war mir ein Bedürfnis, mit ihnen zu sprechen», sagt er rückblickend. Der Trauer des Ehepaars über den Tod des Hundes steht grosse Dankbarkeit für ihren Retter gegenüber.

Ob er mit den Medien über den Vorfall sprechen will, überlegt Willi am Tag darauf lange. «Es ist das erste Mal und es geht mir nicht darum, mich in den Mittelpunkt zu stellen», sagt er. Er findet aber: «Als Polizist ist es unsere Aufgabe, zu helfen. Wenn uns das gelingt, dürfen wir ruhig auch darüber sprechen und stolz darauf sein.» Stolz ist auch Willis Umfeld, wie die Reaktionen zeigen: «Die Kollegen im Büro gratulierten mir und das Handy klingelte am Montag fast ununterbrochen», sagt er und lacht. Dieser Sonntag wird ihm noch lange in Erinnerung bleiben. 

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