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Die Bluttat von Rupperswil AG verfolgt die Angehörigen «für immer»

Wie immer nach einem Verbrechen hat sich auch nach dem Vierfachmord von Rupperswil AG die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Täterschaft fokussiert. Georg Metger, der Lebenspartner der getöteten Frau, schildert die Zeit danach im neu erschienenen Buch «Für immer».

Agentur
sda
13.04.18 - 10:31 Uhr
Blaulicht
Georg Metger, der Lebenspartner der getöteten Frau, schildert die Zeit nach dem Vierfachmord von Rupperswil AG im Buch "Für immer".
Georg Metger, der Lebenspartner der getöteten Frau, schildert die Zeit nach dem Vierfachmord von Rupperswil AG im Buch "Für immer".
Bild: Wörterseh-Verlag

Eines vorweg: Die Skepsis, mit der manche an das Buch herangehen mögen, stellt sich beim Lesen als unbegründet heraus. Es ist ein sehr persönlicher, damit auch subjektiver Bericht. Es ist aber keine Zur-Schau-Stellung privatester Angelegenheiten. Der Autor will auch kein Kapital schlagen aus dem Unglück: Die Tantiemen für das Buch wird er für wohltätige Zwecke spenden.

Das Schreiben - erst nur für sich selbst - habe ihm geholfen, sich in der schwierigen Zeit zurecht zu finden, heisst es im Buch. Mit der Veröffentlichung habe man bewusst bis nach dem Prozess gegen den Täter gewartet. Der Prozessverlauf sollte nicht beeinflusst werden.

Am 16. März 2018 verurteilte das Bezirksgericht Lenzburg AG den 34-jährigen Schweizer aus Rupperswil wegen mehrfachen Mordes und anderer Delikte zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe und einer ordentlichen Verwahrung.

Tag der Gegensätze

Das Buch beginnt mit dem Tattag, dem 21. Dezember 2015, einem Tag krassester Gegensätze. An jenem Montag vor Weihnachten bringt Metger seiner Carla den Kaffee ans Bett, bevor er sich liebevoll von ihr verabschiedet, um wie immer durch das friedliche Dorf zur Arbeit zu fahren. Im Auto überlegt er sich schon mal das Silvestermenü - Träume. Stunden später prallt er hart auf dem Boden der Realität auf.

Seine 48-jährige Lebenspartnerin, deren 19- und 13-jährige Söhne und die 21-jährige Freundin des Älteren sind tot, ermordet. Auch Metger wird verdächtigt, befragt, zwar noch in der gleichen Nacht entlassen aber, wie er später erfährt, monatelang überwacht. Der Verdacht belastet ihn. Er versteht aber, dass die Polizei in alle Richtungen ermitteln muss.

In einem Strudel

Der heute 50-Jährige wird in einen Strudel gezogen, in dem er sich nur mit grösster Anstrengung und mit Hilfe naher Freunde und seiner eigenen Söhne über Wasser halten kann: Aufdringliche Journalisten, hemmungslose Beiträge in sozialen Netzwerken, scheinbar herzlose Beamte, eigene Schuldgefühle, weil er seine Lieben nicht schützen konnte.

Metger lernt, wie er mit seinen durcheinander wirbelnden Emotionen umgehen kann, um nicht zusammenzubrechen, nämlich «jeden Tag nur einer einzigen Emotion zu widmen». Er hat in der Wohnung seines älteren Sohnes Unterschlupf gefunden. All die kleinen Alltagsverrichtungen hier, sein Beruf sowie das Mittun in «seiner» Theatergruppe geben ihm Halt.

Nicht weinerlich

Ehrlich und ohne Weinerlichkeit beschreibt Metger, wie er das erste Jahr nach der Tat «überlebt», aber noch weit entfernt ist von einem neuen Dasein. Er schildert Trauer, Wut und Hass auf den Täter. Auch wenn er es nicht will: Tat und Täter «beeinflussen meine Existenz und verändern meinen Blick auf alles», schreibt er.

Ganz vorsichtig wendet er sich mit der Zeit einem neuen Leben zu. Dies ist nur möglich, wenn er den Tod der vier Menschen akzeptiert. Am zweiten Jahrestag der Bluttat stehen denn auch vor allem schöne Erinnerungen im Vordergrund. Eins weiss Metger inzwischen: «Nichts ist mehr wie zuvor, und dennoch ist manches gut».

Hilfe von Profi

Der Verlag hat Georg Metger die Journalistin Franziska K. Müller zur Seite gestellt. Der zügige Text und dessen Komposition zeigen, dass da ein Profi am Werk war. Es gibt Spannungsbögen, aktuelles Geschehen wechselt ab mit - manchmal reichlich idealisierenden - Rückblenden; auf Beobachtungen von äusseren Abläufen folgen Schilderungen innerer Vorgänge.

Auch allgemeine Fragen werden aufgeworfen: Die strikten Regeln für den Umgang mit DNA-Informationen, die grosse Aufmerksamkeit für den Täter, gegenüber der sich mancher Hinterbliebene vernachlässigt fühlt. Solche Aspekte bedürfen wohl der öffentlichen Diskussion.

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