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Das Kreuz mit dem Pass der Täter

Soll die Nationalität von Tätern in Polizeimeldungen genannt werden? Die Zürcher Stadtpolizei verzichtet seit Kurzem darauf. Dafür fragen seither Interessierte ständig bei der Polizei nach der jeweiligen Nationalität nach, was einen Mehraufwand für die Beamten bedeutet. Einen ganz anderen Weg geht die St. Galler Kantonspolizei – und schwört darauf.

Südostschweiz
22.01.18 - 04:30 Uhr
Blaulicht
Welche Nationalität hat der Täter? Diese Frage interessiert viele Menschen – doch wie relevant ist sie?
Welche Nationalität hat der Täter? Diese Frage interessiert viele Menschen – doch wie relevant ist sie?
KEYSTONE

Ein Drogendealer am Bahnhof? Sicher ein Afrikaner. Ein Dämmerungseinbruch in der Nachbarschaft? Der Täter kommt natürlich aus Osteuropa. Menschen sind mit Pauschalisierungen und Vorurteilen, genährt unter anderem aus vielen Polizeimeldungen, schnell zur Stelle. Hier gibt die Zürcher Stadtpolizei Gegensteuer: Sie gibt die Nationalität mutmasslicher Krimineller seit einigen Wochen grundsätzlich nicht mehr preis. Die Angabe der Nationalität lenke von wesentlichen Ursachen für kriminelles Handeln ab, sagte Polizeivorsteher Richard Wolff (Alternative Liste), als er den Entscheid kommunizierte. «Im Kopf des Lesers findet eine Vorverurteilung statt. Es werden Vorurteile gefördert», sagte Wolff zudem. Dagegen wolle er «ein Zeichen setzen».

Dennoch bemühe sich Zürich um Transparenz: Auf Anfrage von Journalisten gebe man die Staatsangehörigkeit weiterhin bekannt. Doch nicht nur diese, auch interessierte Bürger fragen seit der Praxisänderung nun ständig bei der Zürcher Stadtpolizei nach, wie der «Blick» vergangene Woche meldete. Zu in den letzten Wochen 36 verschickten für die Herkunftsthematik relevanten Polizeimeldungen sind rund 100 Nachfragen von Medien und Bürgern zur jeweiligen Nationalität eingegangen – für die Polizei ein Mehraufwand. Die Anordnung von Sicherheitsvorsteher Wolff sei ein Schuss in den Ofen, schreibt der «Blick» weiter. Trotzdem hält das Sicherheitsdepartement weiterhin daran fest.

Verlangt hatte die neue Informationspraxis die Zürcher SP. Sie lobte Wolff für seinen «richtigen Entscheid» gegen «alltagstauglichen Rassismus». Die SVP verurteilte die neuen Informationsgrundsätze. Wolff wolle «die Realität auf den Zürcher Strassen unter den Teppich kehren», schrieb die Partei.

Radikal anders in St. Gallen

Hanspeter Krüsi, Chef Kommunikation der St. Galler Kantonspolizei, mag den Zürcher Entscheid nicht kommentieren. Er lässt aber durchblicken, dass er «froh und glücklich» ist, dass sich die Situation im Kanton St. Gallen radikal anders präsentiert. Seit 2011 steht im St. Galler Polizeigesetz nämlich, dass die Polizei bei Straftaten die Staatsangehörigkeit und das Alter von Tatverdächtigen bekannt gibt. «Früher wurde uns vorgeworfen, die Nationalität von Tätern nicht zu nennen», erinnert sich Krüsi.

Das Polizeigesetz wurde laut Krüsi aufgrund von Forderungen aus der Öffentlichkeit sowie der Medien geändert – «wir sind konsequent und geben die Staatsangehörigkeit immer bekannt». Einzige Ausnahme sei gemäss dem Polizeigesetz, wenn durch die Nennung eine Person identifiziert werden könnte.

Wie die St. Galler Kantonspolizei arbeitet auch die Stadtpolizei St. Gallen nach dem Polizeigesetz. «Bei kleineren Straftaten wie etwa Sprayereien haben wir die Handhabe, die Nationalität nicht aktiv zu kommunizieren, sie aber auf Nachfrage bekannt zu geben», sagt Sprecher Dionys Widmer. Gleich geht die Stapo bei kleineren Verkehrsunfällen vor. Bei schweren Vorfällen im Strassenverkehr wird die Nationalität der Involvierten grundsätzlich genannt, wobei der Persönlichkeitsschutz Vorrang habe.

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