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Berner Obergericht sieht von Verwahrung ab

Der Mann, der 2013 zusammen mit seinem Sohn in einem Kinderheim in Spiez zwei Personen umbrachte, ist am Dienstag vom bernischen Obergericht zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Von einer Verwahrung sah die zweite Instanz hingegen ab.

Agentur
sda
19.12.17 - 17:27 Uhr
Blaulicht
In dem privaten Kinderheim wurden 2013 der Heimleiter und dessen Freundin mit über hundert Messerstichen ermordet.
In dem privaten Kinderheim wurden 2013 der Heimleiter und dessen Freundin mit über hundert Messerstichen ermordet.
KEYSTONE/LUKAS LEHMANN

Eine solche wäre lediglich das allerletzte Mittel, betonte Peter Zihlmann, Präsident der Strafkammer des Obergerichts. Solange der öffentlichen Sicherheit auch mit einer langen Freiheitsstrafe Rechnung getragen werden könne, komme eine Verwahrung nicht in Frage, kam das Obergericht zum Schluss.

Dazu kommt laut Zihlmann die Schwierigkeit, bei psychisch gesunden Ersttätern, wie dem Angeklagten, eine Risikoprognose abzugeben. Eine blosse Vermutung künftiger Delinquenz reiche für eine Verwahrung nicht aus.

Schwergewichtige Indizien

Einig ging das Obergericht mit der Vorinstanz, dass der heute 49-jährige Schweizer mit italienischen Wurzeln im Mai 2013 zusammen mit seinem damals 16-jährigen Sohn in einem privaten Kinderheim in Spiez den Heimleiter und dessen zufällig anwesende Freundin mit über hundert Messerstichen aus nichtigen Gründen skrupellos umbrachte.

Keinen Glauben schenkte das Gericht den Aussagen des Sohnes, der nach jahrelangem Schweigen vor Obergericht versucht hatte, alle Schuld auf sich zu nehmen, um den Vater zu entlasten. Manches, was der Sohn vor Gericht gesagt habe, «war schlicht falsch», betonte Zihlmann. Der Vater schwieg vor Gericht beharrlich zur Tat.

Das Obergericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte mit seinem Sohn am Tatort war. Dass der Vater auch an der Tötung der beiden Personen beteiligt war, lässt sich nicht direkt beweisen. Doch das Obergericht warf «sehr schwergewichtige Indizien» in die Waagschale.

Dazu gehört etwa die Aussage einer damaligen Bewohnerin des Kinderheims. Das Mädchen hatte Vater und Sohn am Tatvormittag die Türe geöffnet. Die beiden hatten angegeben, den Heimleiter sprechen zu wollen.

Sohn erzählte Kollegen von Tat

Das Mädchen konnte sich erinnern, dass zuerst der Vater die Treppe zur Heimleiterwohnung hochstieg, gefolgt vom Sohn. Selbst wenn der Vater der Tat im Schlafzimmer des Heimleiters nur zugeschaut hätte, würde er als Mittäter gelten, kam das Gericht zum Schluss.

Als weiteres Indiz zog das Obergericht die Tatsache herbei, dass zwei Tatwaffen verwendet wurden, ein Messer und eine vergleichsweise wirkungslose, stumpfe Waffe, wahrscheinlich eine geschlossene Schere. Dies spreche für zwei Täter.

Und schliesslich führte auch das Obergericht Zeugenaussagen an, wonach der Sohn Kollegen erzählte, er und sein Vater hätten in Spiez zwei Leute umgebracht.

Das Obergericht verurteilte den 49-jährigen Angeklagten wegen mehrfachen Mordes zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe. Bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe kann der Täter frühestens nach 15 Jahren bedingt entlassen werden.

Weiterzug ans Bundesgericht

Das Urteil des Obergerichts ist noch nicht rechtskräftig. Der Angeklagte will das Urteil weiterziehen, wie dessen Verteidigerin am Dienstagabend auf Anfrage sagte. Damit wird der Doppelmord im Spiezer Kinderheim auch das Bundesgericht beschäftigen.

Die Staatsanwältin machte unmittelbar nach der Eröffnung des Urteils noch keine Angaben zu einem allfälligen Weiterzug. Sie wolle die schriftliche Urteilsbegründung zuerst studieren, sagte sie gegenüber Medienschaffenden.

Über hundert Messerstiche

Die Bluttat hatte 2013 in der ganzen Schweiz für Entsetzen gesorgt: Der Leiter eines privaten Kinderheims in Spiez und dessen zufällig anwesende Freundin waren mit über hundert Messerstichen brutal ermordet worden.

Erst 18 Monate später konnte die Polizei zwei mutmassliche Täter festnehmen: einen Vater und seinen Sohn. Der Jüngere hatte zehn Jahre vor der Tat einige Zeit in dem Spiezer Heim verbracht und soll dort aus seiner Sicht ungerechte Strafen erlitten haben. So musste der Bub etwa eingenässte Hosen oder Bettwäsche selber auswaschen.

Dies erzürnte insbesondere seinen reizbaren Vater, der mit dem Heimaufenthalt ohnehin nicht einverstanden war. Schon damals kam es zwischen Heimleiter und Vater zu einer Auseinandersetzung.

Da der Sohn zur Tatzeit noch minderjährig war, unterstand er dem Jugendstrafrecht und stand somit nicht mit seinem Vater vor Gericht. Der Sohn wurde vom Jugendgericht zur Höchststrafe von vier Jahren Freiheitsentzug verurteilt.

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