Endergebnis polnischer Parlamentswahl erwartet - Zeichen auf Wechsel
Polen erwartet an diesem Dienstag in den Mittagsstunden die Bekanntgabe des Endergebnisses der Parlamentswahl. Nach den Prognosen auf der Grundlage von Nachwahlbefragungen und Teilauszählungen zeichnet sich ein Machtwechsel ab:
Polen erwartet an diesem Dienstag in den Mittagsstunden die Bekanntgabe des Endergebnisses der Parlamentswahl. Nach den Prognosen auf der Grundlage von Nachwahlbefragungen und Teilauszählungen zeichnet sich ein Machtwechsel ab:
Zwar liegt die oppositionelle liberalkonservative Bürgerkoalition (KO) des ehemaligen Ministerpräsidenten und früheren EU-Ratspräsidenten Donald Tusk Prognosen zufolge mit 31 Prozent nur auf Platz zwei, doch die seit acht Jahren regierenden Nationalkonservativen der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) verfehlten die absolute Mehrheit - auch wenn sie mit 36,1 Prozent der Stimmen stärkste Partei werden dürften.
Die KO käme laut Prognosen auf 158 Mandate. Sie könnte mit dem christlich-konservativen Dritten Weg (14 Prozent) und dem Linksbündnis Lewica (8,6 Prozent) eine Koalition bilden. Das Dreierbündnis könnte auf 249 Abgeordnete zählen und hätte eine Mehrheit im Parlament, wenn das offizielle Endergebnis die Ergebnisse von Nachwahlbefragungen des Meinungsforschungsinstituts Ipsos bestätigt. Der PiS wurden 196 Sitze im neuen Parlament vorhergesagt. Die Mehrheit liegt bei 231 der 460 Mandate. Als Koalitionspartner kommt nur die ultrarechte Konfederacja infrage, mit deren 15 Mandaten es laut Prognosen aber ebenfalls nicht für eine Regierungsmehrheit reicht.
Das Kräfteverhältnis im Parlament kann sich noch durch Nuancen von wenigen Prozentpunkten für kleinere Parteien verschieben. Erwartet wird eine langwierige Regierungsbildung.
Auffällig war die hohe Wahlbeteiligung von 73,9 Prozent. Präsident Andrzej Duda sprach von einem «überwältigenden Ergebnis». Es war die höchste Beteiligung seit dem Ende des Kommunismus 1989. Beobachter werten die hohe Wahlbeteiligung auch als Zeichen, dass die Bevölkerung einen Wandel möchte.
Ein möglicher Machtwechsel in Warschau würde auch eine Wende in der polnischen Aussenpolitik bringen. Die nationalkonservative PiS liegt wegen einer Justizreform im Dauerclinch mit Brüssel, das Verhältnis zu Berlin befindet sich auch wegen ihrer Forderungen nach Weltkriegsreparationen in Höhe von 1,3 Billionen Euro auf einem Tiefpunkt. Die drei Oppositionsparteien, die sich unter Tusks Führung zusammentun könnten, stehen für einen proeuropäischen Kurs und eine versöhnlichere Politik gegenüber Deutschland.
Die Vorsitzende der polnischen Grünen, Urszula Zielinska, sieht die bisherige Opposition auf dem Weg zur Bildung einer stabilen Regierung in Warschau. «Wir sind uns in der Opposition über die wichtigsten Punkte einig. Wir werden den Rechtsstaat wiederherstellen», sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Dienstag). Zwar werde die PiS versuchen, die Oppositionsparteien zu spalten, um mit allen Mitteln noch eine Mehrheit zusammenzubekommen. «Aber das wird ihr nicht gelingen.»
EU-Parlamentsvizepräsidentin Katarina Barley (SPD) sieht in dem nach den Prognosen erwarteten Ergebnis der Parlamentswahl auch eine Stärkung von Demokratie und Rechtsstaat in der EU. «Diese Wahl ist auch ein Signal an die anderen Autokraten in der EU. Am Ende setzt sich der Rechtsstaat durch», sagte die SPD-Politikerin der «Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten» (Dienstag).
Ohne die PiS-Regierung im Europäischen Rat verlöre etwa Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban einen bedeutenden Verbündeten, sagte Barley, die im kommenden Jahr als SPD-Spitzenkandidatin in die Europawahl geht. «In aktuellen Vertragsverletzungsverfahren könnte er nicht mehr auf Rückendeckung aus Warschau zählen. Das wäre ein entscheidender Schritt hin zu einer stärkeren Rechtsstaatlichkeit in Europa.»