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Thema Wolf: Es brodelt unter Schweizer Naturschutzvereinen

Die Tierrechtsbewegung will die Naturschutzorganisationen dazu bringen, auf eidgenössischer Ebene eine neue Volksabstimmung zu wagen.

Südostschweiz
03.12.22 - 14:00 Uhr
Politik
Der Wolf in der Schweiz: Seine Verbreitung hat deutlich zugenommen und damit die Debatte um das Wildtier.
Der Wolf in der Schweiz: Seine Verbreitung hat deutlich zugenommen und damit die Debatte um das Wildtier.
Bild Marco Schmidt / Keystone

Von Benjamin Rosch

Wann immer die Sprache auf ihn kommt, gehen die Wogen hoch. Kaum ein Thema bietet derzeit die bessere Projektionsfläche für einen angeblichen Graben zwischen Stadt und Land in der Schweiz: der Wolf. In der Wintersession überstrahlt die doppelte Bundesratswahl vom nächsten Mittwoch fast alles. Aber nur einen Tag später wird sich das Parlament über einen neuen Umgang mit dem prominentesten Schweizer Wildtier streiten. Allein: Die Chancen stehen nicht schlecht, dass am Ende doch das Volk wieder das letzte Wort haben wird. Aber der Reihe nach.

Ein Kompromiss von kurzer Dauer

Am 27. September 2020 hat das Stimmvolk die Jagdgesetzrevision mit rund 52 Prozent der Stimmen abgelehnt. Sie hätte unter anderem präventive Abschüsse vorgesehen – für den Tierschutz ein rotes Tuch. Seither ist viel passiert: Der Wolfsbestand hat deutlich zugenommen und mit ihm Meldungen von Rissen in Schafsherden, sogar von Angriffen auf Mutterkühe. Mehr denn je sind die Fronten zwischen Wolfsgegnern und -befürworterinnen verhärtet.

«Die jetzige Vorlage aus dem Ständerat geht nicht nur gegen den Tierschutz, sondern auch gegen den erklärten Volkswillen.»

Roberto Babst, Präsident Wildtierschutz Schweiz

Dabei hatte es vor einigen Monaten noch nach einem grossen Kompromiss ausgesehen: Alpwirtschaft, Bauern- und Naturschutzverbände hatten sich auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt und dazu ein Papier veröffentlicht. Der Ständerat wollte davon allerdings nichts wissen und verabschiedete eine restriktivere Vorlage. Dass wenig später auch der Bauernverband vom Kompromiss abwich, wirkt bis heute nach. Im Herbst verabschiedete der Ständerat einen neuen Entwurf, um dem Wolf auf den Pelz zu rücken – wieder sind präventive Abschüsse vorgesehen. Unter Tierschützern brodelt es.

«Das können wir nicht akzeptieren»

«Die jetzige Vorlage aus dem Ständerat geht nicht nur gegen den Tierschutz, sondern auch gegen den erklärten Volkswillen», sagt Roberto Babst, Präsident von Wildtierschutz Schweiz. Ihm ist die Enttäuschung über das Ende des Kompromisses anzumerken. «Das können wir nicht akzeptieren», sagt er über die Vorschläge aus dem Stöckli.

Er ist nicht allein. Ähnlich klingt es bei verschiedenen kleineren Vertretern aus dem Lager der Tierrechtsbewegung. Die Interessensgruppe Wild beim Wild etwa oder jene Gruppe von Aktivistinnen wie Astrid Wallier, die in Graubünden eine «Jagdrevolution» anzetteln wollten. Unter diesen Organisationen geistert ein kürzlich verabschiedetes «Wolfs-Manifest» herum, und dem Vernehmen nach planen sie eine Aktion auf dem Bundesplatz.

Auch ihnen ist klar: Alleine fehlt ihnen die Schlagkraft, ein allfälliges Referendum zu erzwingen, geschweige denn einen Volksentscheid zu ihren Gunsten zu erzielen. Aber sie setzen Druck auf die grossen Verbände wie den WWF oder Pro Natura, sich entsprechend zu positionieren. David Gerke von der Gruppe Wolf Schweiz bestätigt diesen Eindruck. «Noch haben die verschiedenen Organisationen keine roten Linien definiert. Sollte die Vorlage aber wie vom Ständerat beschlossen durchkommen, wird ein Referendum ernst diskutiert.»

Der WWF hofft auf den Nationalrat

Jonas Schmid vom WWF spürt den Druck aus jener Ecke der Tier- und Umweltschutzbewegung. Er sagt: «Noch läuft der parlamentarische Prozess und wir hoffen, dass der Nationalrat die Vorlage aus dem Ständerat korrigiert. Am Ende werden wir sehen, welche Lösung auf dem Tisch liegt.» Das sei weder eine Zu- noch eine Absage zu einem möglichen Referendum. Pro Natura als federführender Verein im Kampf gegen das Jagdgesetz war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Klar ist: Den grossen Umweltschutzverbänden wäre es noch so recht, wenn sie einen weiteren Abstimmungskampf vermeiden könnten. So etwas verschlingt Ressourcen – und im Zusammenhang mit den Umwälzungen im Energiebereich oder der Landwirtschaft kämpfen sie auch noch an anderen Fronten, unter anderem mit einer Biodiversitätsinitiative. So wie die Debatte vergangenen Sommer lief, wird der Einsatz für den Wolf ausserdem nicht einfacher. Die Frage hingegen ist, ob es auch die Basis verstehen würde, wenn sich die grossen Verbände in diesem emotionalen Thema gegen eine Volksabstimmung wehren würden – nachdem sie zuletzt an der Urne siegreich waren, notabene.

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