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Neun Palästinenser bei Militäreinsatz getötet - Warnungen aus Gaza

Bei einer Razzia des israelischen Militärs in Dschenin im Westjordanland sind nach palästinensischen Angaben neun Menschen getötet worden. Dutzende weitere wurden verletzt, darunter vier schwer, wie das Gesundheitsministerium in Ramallah am Donnerstag weiter mitteilte. Es war einer der tödlichsten Militäreinsätze seit Jahren in dem palästinensischen Autonomiegebiet, etwa 80 Kilometer Luftlinie von Jerusalem entfernt.

Agentur
sda
26.01.23 - 16:32 Uhr
Politik
Palästinenser stoßen mit israelischen Streitkräften in der Stadt Dschenin im Westjordanland zusammen. Foto: Ayman Nobani/dpa
Palästinenser stoßen mit israelischen Streitkräften in der Stadt Dschenin im Westjordanland zusammen. Foto: Ayman Nobani/dpa
Keystone/dpa/Ayman Nobani

Dem israelischen Militär zufolge gerieten Einsatzkräfte beim Versuch unter Beschuss, mehrere Mitglieder der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad festzunehmen. Daraufhin sei mit Schüssen geantwortet worden. Drei bewaffnete Verdächtige wurden demnach getroffen, weitere festgenommen. Die Palästinenser würden verdächtigt, einen Terroranschlag geplant zu haben, hiess es. Berichte über weitere Tote würden geprüft.

Medienberichten zufolge handelte es sich bei den Toten um eine 61-Jährige Frau sowie acht bewaffnete Kämpfer. Dschenin gilt als eine Hochburg militanter Palästinenser. Immer wieder kommt es dort zu tödlichen Konfrontationen.

Israelische Medien berichteten unter Berufung auf politische Kreise in Jerusalem, man müsse sich nach dem Einsatz auf eine mögliche Eskalation einstellen. Verteidigungsminister Joav Galant teilte mit, die Sicherheitskräfte seien an den Grenzen zum Westjordanland und dem Gazastreifen in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt worden.

Der Islamische Dschihad ist besonders im Gazastreifen aktiv und verübt von dort aus regelmässig Raketenangriffe auf Israel. Einem Anführer der Organisation zufolge haben «die palästinensischen Fraktionen und ihre bewaffneten Flügel im Gazastreifen ihre Hand am Abzug». Berichten zufolge bemühten sich Ägypten und Katar am Nachmittag um eine Beruhigung.

Im Sommer hatte die israelische Armee eine grossangelegte Militäraktion gegen führende Mitglieder des Islamischen Dschihads gestartet. Diese feuerten daraufhin mehr als 1000 Raketen vom Gazastreifen aus auf israelische Ortschaften. Nach dreitägigen Kämpfen wurde eine Waffenruhe vereinbart. Im Gazastreifen kamen mehr als 40 Menschen ums Leben. Hunderte wurden verletzt.

In einem Statement der im Gazastreifen herrschende Hamas hiess es: «Die israelische Besatzung wird den Preis für das Massaker in Dschenin zahlen.» Eine Antwort werde nicht lange auf sich warten lassen. Die Hamas wird von der EU als Terrororganisation eingestuft.

Im Westjordanland wurde zu einem Generalstreik aufgerufen. An mehreren Orten kam es zu Konfrontationen zwischen Palästinensern und israelischen Soldaten. Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas ordnete drei Trauertage an. Ministerpräsident Mohammed Schtaje rief die internationale Gemeinschaft auf, «dringend einzugreifen, um die palästinensische Bevölkerung zu schützen und das Blutvergiessen an Kindern, Jugendlichen und Frauen zu beenden».

Der UN-Gesandte Tor Wennesland forderte beide Seiten zur Deeskalation auf. «Es ist von entscheidender Bedeutung, die Spannungen unverzüglich abzubauen und weitere Verluste an Menschenleben zu verhindern.» Er sei «zutiefst beunruhigt».

Die Lage im Westjordanland ist schon seit langem sehr angespannt. Seit einer Serie von Anschlägen, die Palästinenser im vergangenen Jahr verübt haben, unternimmt Israels Armee dort vermehrt Razzien. Dieses Jahr wurden bereits 29 Palästinenser in Zusammenhang mit Militäreinsätzen oder eigenen Anschlägen getötet, darunter fünf Jugendliche. Im vergangenen Jahr waren es 172 - so viele wie noch nie seit 2006.

Israel hatte 1967 das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Dort leben heute mehr als 600 000 israelische Siedler. Die Palästinenser beanspruchen die Gebiete für einen unabhängigen Staat Palästina mit dem arabisch geprägten Ostteil Jerusalems als Hauptstadt.

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