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Ständerat sagt Ja zu Staatstrojanern

Die Strafverfolgungsbehörden sollen Trojaner in Computer einschleusen dürfen, um Skype-Gespräche von Kriminellen mithören zu können. Der Ständerat hat als Erstrat Gesetzesänderungen gutgeheissen, mit welchen der Bundesrat die Überwachung ans Internet-Zeitalter anpassen will.

Südostschweiz
19.03.14 - 18:10 Uhr

Bern. – Die Beratungen über das totalrevidierte Gesetz zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) hatten bereits vergangene Woche begonnen. Zur Debatte steht ausschliesslich die Überwachung im Rahmen von Strafverfahren. Justizministerin Simonetta Sommaruga betonte gleich zu Beginn, mit dem Nachrichtendienst, der präventiven Überwachung und dem Bespitzeln von unbescholtenen Bürgern habe dies nichts zu tun.

Das Abhören von Telefongesprächen im Rahmen von Strafverfahren ist schon heute möglich. Im vergangenen Jahr wurden in über 10'000 Fällen solche Aktionen angeordnet. Weil sich die Telekommunikation in den letzten Jahren stark verändert hat, will der Bundesrat nun aber die Regeln anpassen.

Verschlüsselung als Schutz

Heute können sich Kriminelle mit verschlüsselter Internet-Telefonie einer Überwachung entziehen. Um in solchen Fällen mithören zu können, sollen die Strafverfolgungsbehörden künftig Government Software (GovWare) einsetzen dürfen, auch «Staatstrojaner» genannt. Schon heute lassen die Gerichte solche Programme zu, doch ist die Rechtslage umstritten.

Mit der Gesetzesrevision will der Bundesrat Klarheit schaffen. Die Schnüffelsoftware soll nur zum Einsatz kommen, wenn es um die Aufklärung schwerer Straftaten geht, beispielsweise um Mord oder Menschenhandel. Der Deliktkatalog ist enger gefasst als der Katalog für die traditionelle Überwachung.

Grundrechte tangiert

Kritiker befürchten dennoch, dass der Schutz der Privatsphäre mit der Legalisierung von GovWare zu stark eingeschränkt wird. In der Güterabwägung zwischen der Wahrung der Grundrechte und der Bekämpfung von Kriminalität möchten sie im Zweifelsfall den Grundrechten den Vorrang geben.

Im Ständerat äusserte sich Anita Fetz (SP/BS) kritisch. Die Überwachung Krimineller dürfe nicht zum «Killerargument» gegen die Wahrung der Grundrechte werden, warnte sie. Deutschland verzichte offenbar auf Staatstrojaner, weil ein grundrechtskonformer Einsatz nicht möglich sei.

Gefahr des Missbrauchs

Fetz befürchtet insbesondere, dass die Software von Dritten missbraucht werden könnte, um auf Computern Daten zu manipulieren. Ein Antrag gegen die Staatstrojaner lag dem Ständerat aber nicht vor, die kleine Kammer folgte dem Bundesrat und hiess die gesetzliche Grundlage für die Staatstrojaner gut.

Justizministerin Simonetta Sommaruga räumte ein, es gehe um einen ausserordentlich sensiblen Bereich, um einen Eingriff mit beträchtlichem Gefahrenpotenzial. Die Regeln seien aber strikt.

Keine Computer-Durchsuchung

Kommissionssprecher Stefan Engler (CVP/GR) betonte, die Verhältnismässigkeit werde durch eine unabhängige richterliche Behörde garantiert. Ausserdem dürfe die Software nur zur Echtzeitüberwachung von Kommunikation eingesetzt werden.

GovWare kann sowohl auf Computern als auch auf Mobiltelefonen eingeschleust werden. Technisch könnte damit auf sämtliche Daten zugegriffen werden, die in einem Gerät gespeichert sind. Es sollen jedoch nur die Daten aus dem Fernmeldeverkehr beschafft werden dürfen, also aus dem E-Mail-Verkehr und der Telefonie. Die Online-Durchsuchung eines Computers wäre nicht erlaubt.

Fernmeldefirmen weiterhin entschädigen

Umstrittener als die Staatstrojaner war im Ständerat die Frage, ob Fernmeldeunternehmen, welche Überwachungen ermöglichen müssen, weiterhin für ihren Aufwand entschädigt werden sollen. Den Entscheid dazu fällte der Ständerat bereits letzte Woche: Er möchte bei der heutigen Regelung bleiben.

Nach geltendem Recht gehen die für die Überwachung nötigen Anlagen zulasten der Unternehmen. Diese erhalten aber eine angemessene Entschädigung für die Kosten, die bei der Durchführung einer konkreten Überwachung entstehen. Ausserdem müssen die Behörden, welche die Überwachung angeordnet haben, eine Gebühr für die Leistungen entrichten.

Randdaten länger aufbewahren

Zu diskutieren gab auch die Aufbewahrungsdauer der Randdaten. Das sind Daten, die verraten, wer an wen Postsendungen verschickt hat, wer wie lange mit wem am Telefon gesprochen hat oder wo ein Mobiltelefon zu einem bestimmten Zeitpunkt verwendet worden ist. Die Telefon-Randdaten sollen nach dem Willen des Bundesrates und des Ständerates künftig zwölf statt sechs Monate aufbewahrt werden. Beim Postverkehr soll es nach dem Willen des Ständerates bei sechs Monaten bleiben.

Wie bisher soll eine Überwachung auch angeordnet werden können, um eine vermisste Person zu suchen. Neu soll es zudem möglich sein, nach flüchtigen Straftätern zu fahnden. Der Ständerat stimmte dem BÜPF am Mittwoch mit 30 zu 2 Stimmen bei 4 Enthaltungen zu. Nun muss sich noch der Nationalrat damit befassen. (sda)

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