Chilenen stimmen zum zweiten Mal gegen neue Verfassung
Bereits zum zweiten Mal haben die Chilenen in einem Referendum den Vorschlag für eine neue Verfassung abgelehnt.
Bereits zum zweiten Mal haben die Chilenen in einem Referendum den Vorschlag für eine neue Verfassung abgelehnt.
Die Wählerinnen und Wähler stimmten am Sonntag mehrheitlich gegen den Vorschlag der rechten Opposition, nachdem sie bereits vor über einem Jahr einem sehr progressiven Entwurf eine Absage erteilt hatten. 55,7 Prozent lehnten den Entwurf des von konservativen Parteien dominierten Verfassungsrats ab, wie das Wahlamt am Montag mitteilte. 44,2 Prozent stimmten demnach für das neue Grundgesetz.
Nach dem zweiten gescheiterten Versuch, eine neue Verfassung zu verabschieden, will die Regierung das Projekt nun vorerst aufgeben. «Der Prozess sollte Hoffnung wecken, aber stattdessen hat er zu Frust und Ärger geführt», sagte Präsident Gabriel Boric. «Das Land hat sich polarisiert und geteilt. Die Bürger verlangen Dialog und Konsens, aber vor allem Taten. Wir müssen aus unseren Schützengräben herauskommen und uns auf die Lösung der Probleme konzentrieren, denen die Chilenen jeden Tag ausgesetzt sind.»
Kritiker - darunter auch die linke Regierung des südamerikanischen Landes - hatten bemängelt, dass die neue Verfassung bei bestimmten Grundrechten sogar noch einen Rückschritt gegenüber dem aktuellen Text darstelle. Mit der entworfenen Verfassung hätte das Recht auf Abtreibung eingeschränkt, die sofortige Ausweisung von Ausländern veranlasst und steuerliche Vorteile für Hausbesitzer festgeschrieben werden können.
«Wir sind bei dem Versuch gescheitert, die Menschen davon zu überzeugen, das der neue Entwurf besser als die aktuelle Verfassung ist», sagte der Vorsitzende der rechten Republikanischen Partei, José Antonio Kast. «Die Chilenen haben gesagt, dass sie diese lange Verfassungsdebatte beenden wollen. Dieser Wille erlaubt es uns, die Verunsicherung zu beenden und die Hoffnung, die Ordnung, den Frieden und den Fortschritt, den wir verloren haben, wiederzuerlangen.»
Es war bereits der zweite Versuch, Chile eine neue Verfassung zu geben. Im vergangenen Jahr hatten die Wähler einen sehr progressiven Verfassungsentwurf mit grosser Mehrheit abgelehnt. Er hätte ein Recht auf Wohnraum, Bildung und Gesundheit garantiert, eine Frauenquote von 50 Prozent in allen Staatsorganen festgeschrieben und den indigenen Gemeinschaften ein Selbstbestimmungsrecht eingeräumt. Das ging vielen Menschen in dem konservativen Land offenbar zu weit.
Die aktuelle Verfassung von 1980 stammt noch aus der Zeit der Militärdiktatur unter General Augusto Pinochet. Die Aufgaben des Staates sind darin auf ein Minimum reduziert, das Bildungs-, Gesundheits- und Rentensystem weitgehend privatisiert. Eine neue Verfassung war eine der Hauptforderungen bei sozialen Proteste 2019.