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Polens starker Mann Kaczynski beschwört die hässlichen Deutschen

Wenn es um Deutschland geht, wird Jaroslaw Kaczynski besonders boshaft. So auch im niederschlesischen Legnica, wo der mächtige Chef von Polens nationalkonservativer Regierungspartei PiS am Wochenende eine anderthalbstündige Rede hielt. Deutschland strebe die Vorherrschaft in Europa an, warnte Kaczynski sein Publikum. Und legte nach: Die Deutschen wollten heute mit friedlichen Mitteln das erreichen, was sie sich einst mit militärischen Mitteln vorgenommen hätten.

Agentur
sda
04.12.22 - 15:18 Uhr
Politik
ARCHIV - Jaroslaw Kaczynski, Vorsitzender der nationalkonservativen Regierungspartei PiS, wettert gegen Deutsche. Foto: Hubert Mathis/ZUMA Wire/dpa
ARCHIV - Jaroslaw Kaczynski, Vorsitzender der nationalkonservativen Regierungspartei PiS, wettert gegen Deutsche. Foto: Hubert Mathis/ZUMA Wire/dpa
Keystone/ZUMA Wire/Hubert Mathis

Die Anspielung auf Nazi-Deutschland ist typisch Kaczynski. Seit Monaten tourt er Wochenende für Wochenende durchs Land und wettert gegen Deutschland. Dahinter verbirgt sich vor allem ein innenpolitisches Kalkül: Die PiS ist in Umfragen im Sinkflug, und Kaczynski hofft, dass antideutsche Töne ihr Wähler bringen.

In Legnica teilte der 73-Jährige auch gegen Brüssel aus. Glaubt man Kaczynski, dann verbirgt sich hinter der EU ein Plan der Deutschen, einen «Europäischen Staat» zu schaffen, wo sie das Sagen haben werden. Seine Partei aber sehe die Stärke Europas in der Unterschiedlichkeit und der Souveränität der einzelnen Länder, betonte Kaczynski. «Und eine Situation der Dominanz, eine Situation, in der einer der europäischen Staaten - heute neben Russland der grösste - mit friedlichen Mitteln jene Pläne verwirklicht, die er einst mit militärischen Mitteln durchsetzen wollte, ist ein Weg in die Krise und ins Unglück.» Das betreffe sowohl Polen und Europa. «Und auch dieses Land selbst, nämlich Deutschland.»

Kaczynski hat kein Regierungsamt inne. Und doch gilt er als der starke Mann in Polens Politik. Polnische Medien schreiben gerne, er steuere sowohl Regierungschef Mateusz Morawiecki als auch Präsident Andrzej Duda «vom Rücksitz aus». Gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Lech gründete Jaroslaw Kaczynski 2001 die PiS. Lech Kaczynski wurde später polnisches Staatsoberhaupt, 2010 kam er beim Absturz der Präsidentenmaschine in Smolensk ums Leben.

Wie Kaczynskis «Steuern vom Rücksitz» aussieht, bekam kürzlich Polens Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak zu spüren. Der war zunächst auf das Angebot von Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) eingegangen, Polens Luftraum durch die Verlegung von deutschen Patriot-Luftabwehrraketen zu schützen. Einen Tag später meldete sich Kaczynski zu Wort. Die deutsche Luftabwehr sollte besser in der Ukraine stationiert werden als in Polen, schlug er vor. Artig wiederholte Blaszczak die Idee kurz darauf. Und Kaczynski hatte sein Ziel erreicht: Einmal mehr hatte Warschau die Deutschen ordentlich vor den Kopf gestossen. Zudem nutzt die PiS-Regierung ihre Forderung nach mehr als 1,3 Billionen Euro Reparationen für die im Zweiten Weltkrieg erlittenen Schäden zur Stimmungsmache gegen Berlin.

In Polen steht die nächste Parlamentswahl im kommenden Herbst an. Ob die seit 2015 regierende PiS die Wahl ein drittes Mal in Folge gewinnen kann, ist fraglich. Die Polen stöhnen unter einer horrenden Inflationsrate, im November lag sie bei fast 18 Prozent.

Die Umfragen führt derzeit die liberalkonservative Oppositionspartei Bürgerplattform (PO) des früheren EU-Ratspräsidenten Donald Tusk. Zu dessen Amtszeit als polnischer Regierungschef lief es gut zwischen Warschau und Berlin. Grund genug für Kaczynski, auch Tusk das Mäntelchen des bösen Deutschen umzuhängen: «Wir haben in Polen eine deutsche Partei», sagte er Mitte November bei einem Auftritt in der Kreisstadt Pabianice mit Blick auf die PO.

Schon einmal hat es der PiS in einem schmutzigen Wahlkampf genützt, Donald Tusk mit Deutschland zu verbinden. Als der Danziger 2005 im Präsidentenwahlkampf gegen Lech Kaczynski antrat, brachten die PiS-Strategen die Geschichte von Tusks «Grossvater in der Wehrmacht» in Umlauf. Tusks Grossvater Jozef war 1944 als KZ-Häftling zur Wehrmacht rekrutiert worden, er lief nach kurzer Zeit zu polnischen Truppen über. Der Trick der PiS verfing: Tusk verlor die Wahl.

Die Besessenheit, mit der Kaczynski und seine Getreuen gegen Deutschland und die angeblich von Deutschland dominierte Opposition hetzen, treibt seltsame Blüten. Als am vergangenen Donnerstag bei der WM in Katar Deutschlands Nationalelf gegen Costa Rica antrat, bat Vize-Umweltminister Jacek Ozdoba um eine Sitzungspause im polnischen Parlament - damit die Abgeordneten von Tusks Partei «das Spiel ihrer deutschen Mannschaft» gucken könnten.

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