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Rentenstreit in Frankreich: Regierung drohen neue Massenproteste

Eine Woche nach dem harten Durchgreifen der französischen Regierung im Streit über die Rentenreform bereitet Frankreich sich auf einen neuen Tag voller Streiks und Massenproteste vor. Landesweit erwarten die Behörden am Donnerstag bis zu 800 000 Demonstrantinnen und Demonstranten. 12 000 Polizisten und Gendarmen sind für den Protest abgestellt. Der Versuch von Präsident Emmanuel Macron, die Wogen in dem Streit mit einem Interview zu glätten, löste bei den Gewerkschaften zusätzlichen Frust aus.

Agentur
sda
23.03.23 - 06:16 Uhr
Politik
Hafenarbeiter vor einer brennenden Barrikade in von Marseille. Foto: Daniel Cole/AP/dpa
Hafenarbeiter vor einer brennenden Barrikade in von Marseille. Foto: Daniel Cole/AP/dpa
Keystone/AP/Daniel Cole

Schon seit Anfang des Jahres wird gegen die schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre gestreikt und protestiert. Vor einer Woche verschärfte sich der Streit um das Vorhaben, als die Regierung unter Präsident Emmanuel Macron den Text in letzter Minute ohne Abstimmung durch die Nationalversammlung drückte. Bei spontanen abendlichen Demonstrationen kam es seitdem vermehrt zu Ausschreitungen. Einige Streiks bei der Müllabfuhr, im Verkehrssektor und bei den Öldepots halten bereits seit Wochen an.

Derzeit liegt das Renteneintrittsalter in Frankreich bei 62 Jahren. Tatsächlich beginnt der Ruhestand im Schnitt aber später: Wer für eine volle Rente nicht lange genug eingezahlt hat, arbeitet länger. Mit 67 Jahren gibt es dann unabhängig von der Einzahldauer Rente ohne Abschlag - dies will die Regierung beibehalten, auch wenn die Zahl der nötigen Einzahljahre für eine volle Rente schneller steigen soll. Die monatliche Mindestrente will sie auf etwa 1200 Euro hochsetzen. Mit der Reform will die Regierung eine drohende Lücke in der Rentenkasse schliessen.

Die Reform wurde mit dem knappen Scheitern zweier Misstrauensvoten gegen die Regierung in der Nationalversammlung am Montagabend verabschiedet. Nun liegt sie beim Verfassungsrat, der Teile der Reform theoretisch kippen könnte. Linke und Rechtsnationale wollen das Vorgehen der Regierung überprüfen lassen, die durch ein beschleunigtes Verfahren die Debattenzeit im Parlament verkürzte und die Reform in einem Haushaltstext unterbrachte. Wann der Verfassungsrat entscheidet, ist noch unklar. Macron will, dass die Reform bis Jahresende in Kraft ist.

Er hatte sich in dem Streit über die Reform lange im Hintergrund gehalten. Am Mittwoch sagte er in einem Interview der Sender TF1 und France 2: «Wir müssen beruhigen» - und deutete Verbesserungen in der Arbeitswelt an. Er fragte dann: «Denken Sie, es macht mir Spass, diese Reform zu machen?» und antwortete: «Nein.» Die Reform sei sehr schwierig. «Wir verlangen von den Menschen eine Anstrengung. Das ist nie beliebt.» Aber: «Zwischen den Umfragen und der Kurzfristigkeit und dem allgemeinen Interesse des Landes entscheide ich mich für das allgemeine Interesse des Landes.» Er bedauere allerdings, nicht von der Notwendigkeit der Reform überzeugt zu haben.

Aus den Reihen der Opposition musste Macron sich im Anschluss Arroganz vorwerfen lassen. Laurent Berger von der Gewerkschaft CFDT warf Macron vor, zu lügen und zu leugnen. Philippe Martinez von der Gewerkschaft CGT sagte: «Entweder kennt er unser (Renten-)System nicht - und das ist schlimm - oder er verarscht uns.»

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