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Panne, Inszenierung oder Cyber-Krieg?

Christian Levrat, David Roth und Barbara Schmid-Federer: Dutzende prominente Politiker hatten am Dienstag für ein paar Stunden keinen Zugang zu ihrem Facebook-Profil. Warum ist unklar.

Südostschweiz
21.11.13 - 09:00 Uhr

Von Dennis Bühler und Milena Caderas

Bern. – Dienstagabend, Vollversammlung der Juso Zürich. Rund 40 Jungpolitiker haben sich im Sekretariat der SP Zürich eingefunden. Plötzlich erreicht das 23-jährige SP-Geschäftsleitungsmitglied Fabian Molina ein SMS. Ob er auch Probleme mit seinem Facebook-Profil habe, wird er gefragt. Vier der versammelten Jungpolitiker können nur noch feststellen, dass ihr Profil gesperrt wurde. Sie werden aufgefordert, Facebook einen Identitätsnachweis vorzulegen, falls sie ihren Zugang wiedererlangen wollen. Der Ärger über das soziale Netzwerk ist gross.

Gleich wie Molina geht es auch SP-Parteipräsident Christian Levrat, Juso-Chef David Roth, den Zürcher SP-Nationalrätinnen Jacqueline Badran und Jacqueline Fehr, dem Glarner SP-Gemeinderat und «1:12-Erfinder» Marco Kistler sowie diversen national weniger bekannten Politikern aus mehreren Kantonen. Doch auch mindestens zwei nahmhafte bürgerliche Politikerinnen sind betroffen: Die Zürcher CVP-Nationalrätin Barbara Schmid-Federer und Brenda Mäder, die Ex-Präsidentin der Schweizer Jungfreisinnigen. Dazu der «Tages-Anzeiger»-Journalist Reda El Arbi.

«Ist das für euch Demokratie?»

In Rekordzeit kommt auf Twitter eine Debatte der Empörten ins Rollen. Die jungen Politiker, denen ein Teil ihrer Online-Identität geraubt wurde, diskutieren unter dem Hashtag (#) «Abzockerhack». Sie verdächtigen den Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, für die Sperrungen verantwortlich zu sein, und wittern eine politische Kampagne gegen die Initianten der 1:12-Initiative. «Angst und keine Argumente und deshalb den Gegner mundtot machen?», fragt einer. «Ist das für euch Demokratie?»

Nach zwei, drei Stunden ist für die meisten der Spuk vorbei. Am späten Dienstagabend werden die Profile wieder freigeschaltet. «Thank you for submitting your ID», schreibt Facebook den Usern. «Es scheint, als wurde dieses Problem mit Deinem Konto behoben.» Was aber ist überhaupt passiert?

Eine gleichzeitige Sperrung mehrerer Profile bekannter Politiker sei in der Schweiz noch nie vorgekommen, sagt Social-Media-Experte Thomas Hutter. Allerdings sei es ziemlich einfach, ein Profil sperren zu lassen. «Wenn ein paar Dutzend Facebook-Nutzer ein Profil als verdächtig melden und angeben, es handle sich um ein Fake-Profil, wird es automatisch prophylaktisch gesperrt», sagt er. Möglich sei auch, dass die Nutzer der später gesperrten Profile in letzter Zeit sehr viele Facebook-Nachrichten verschickt hätten, die von den Rechnern fälschlicherweise als Spam erkannt wurden. Etwa, um für die Abstimmungen vom kommenden Sonntag zu mobilisieren.

Hutter schliesst aber auch nicht aus, dass die Befürworter der 1:12-Initiative die Sperrungen selbst initiert haben, um kurz vor dem Urnengang noch einmal Publizität in den sozialen und herkömmlichen Medien zu erhalten. Betroffene Politiker weisen dies zurück. Der Bündner SP-Grossrat Sascha Müller sagt: «Zum Hintergrund der Sperrung wissen wir nichts.» Für Molina ist klar: «Das war ein Warnschuss. Ich werde mich nun bei Experten informieren, wie ich mich gegen solche Angriffe wehren kann.»

Die Bürgerlichen Barbara Schmid-Federer und Brenda Mäder glauben hingegen nicht an eine «Verschwörung». «Ginge es gegen 1:12, wäre ich wohl nicht auserwählt worden», sagt Schmid-Federer, eine erklärte Gegnerin der Initiative. Gleich sieht dies Mäder, die die 1:12-Initiative ebenfalls ablehnt. «Ich kann mir vorstellen, dass es eine Einzelperson war, die gewisse Politiker nicht mag und sich mit IT auskennt», sagt sie. «Fast täglich erhalte ich Zuschriften oder Posts von Privatpersonen, die meine Meinung nicht teilen oder einfach mal Dampf ablassen und mich beschimpfen wollen.»

«Facebook prüft die Informationen»

Und was sagt eigentlich Facebook: Panne oder politischer Cyber-Krieg? «Facebook prüft derzeit die vorliegenden Informationen. Profile, Konten und Seiten können aus unterschied-  lichen Gründen nicht mehr auf Facebook sein – sei es weil die Menschen ihr Konto selbst löschen oder deaktivieren, sei es aufgrund von Spam oder weil sie gegen die Richtlinien von Facebook verstossen haben.»

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