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«Nieder mit Xi Jinping!»: Proteste gegen Corona-Massnahmen in China

In China hat die strenge Corona-Politik am Wochenende zu den grössten Protesten seit Jahrzehnten geführt. In der Hauptstadt Peking und anderen Millionenstädten gingen Demonstranten zu Hunderten auf die Strassen. Auch in Shanghai waren in der Nacht zum Sonntag vor allem junge Leute zu einem Protestmarsch unterwegs. Auf Videos von dort, die sich trotz staatlicher Zensur im Internet verbreiteten, waren Rufe wie «Nieder mit der Kommunistischen Partei! Nieder mit Xi Jinping!» zu hören. Unter dem jetzigen Staats- und Parteichef verfolgt die Volksrepublik eine strikte Null-Covid-Strategie.

Agentur
sda
27.11.22 - 13:44 Uhr
Politik
Anwohner legen Blumen und Kerzen nieder für die Opfer eines Brandes in einem Wohnhaus in der Stadt Urumqi. Aus Protest gegen die strengen Corona-Maßnahmen der chinesischen Regierung sind in der Provinz Xinjiang im Nordwesten des Landes Hunderte Menschen…
Anwohner legen Blumen und Kerzen nieder für die Opfer eines Brandes in einem Wohnhaus in der Stadt Urumqi. Aus Protest gegen die strengen Corona-Maßnahmen der chinesischen Regierung sind in der Provinz Xinjiang im Nordwesten des Landes Hunderte Menschen…
Keystone/CHINATOPIX/AP/Uncredited

Solche offenen Proteste sind in dem autoritär regierten Riesenland mit mehr als 1,4 Milliarden Einwohnern extrem ungewöhnlich. Für die Menschen, die offen ihre Meinung äussern, sind sie überaus riskant. Auslöser des öffentlichen Unmuts in mehreren Metropolen war der Brand in einer Wohnung in der Millionenstadt Ürümqi im Nordwesten des Landes am Donnerstagabend mit mindestens zehn Toten. Viele sind der Meinung, dass die Rettungsarbeiten durch die strengen Corona-Massnahmen behindert wurden.

Trotz des harten Vorgehens der Behörden steigen die Corona-Zahlen weiter an: Am Sonntag registrierte die nationale Gesundheitskommission mit mehr als neuen 39 000 Fällen den vierten Tag in Folge einen Rekordwert. Jede einzelne Ansteckung führt dazu, dass ganze Wohnsiedlungen abgeriegelt und sämtliche Infizierte in Quarantäne-Krankenhäuser gebracht werden. Während der Rest der Welt mit dem Virus lebt, hält China an seiner Strategie fest. Auch nach fast drei Jahren Pandemie sind die Grenzen weitestgehend geschlossen.

Auch auf dem Campus der Tsinghua-Universität in Peking - der Alma Mater von Xi Jinping - versammelten sich am Sonntag mehrere Hundert Studenten. Auf Videos war zu sehen, wie sie leere Blätter Papier in die Luft hielten - aus Protest gegen die Repressionen, mit denen der Staat gegen kritische Stimmen vorgeht. Eine junge Frau sagte: «Wenn wir uns aus Angst nicht zu Wort melden, enttäuschen wir unser Volk. Als Tsinghua-Studentin würde ich dies für den Rest meines Lebens bereuen.» Die Menschenmenge entgegnete daraufhin euphorisch, dass sie keine Angst haben solle.

Anderswo in Peking durchbrachen Bewohner in mehreren Nachbarschaften Zäune ihrer Wohnanlagen und forderten ein Ende der Lockdowns. In Shanghai kam es auch am Sonntag trotz viel Polizei und weiträumigen Absperrungen wieder zu Protesten mit mehreren hundert Teilnehmern. Auf Videos war zu sehen, wie Demonstranten abgeführt wurden. Bis auf wenige Supermärkte sind praktisch alle Geschäfte in der Metropole geschlossen. Die Strassen sind bis auf lange Schlangen vor PCR-Teststationen menschenleer.

Zu Protesten kam es auch in Städten wie Wuhan, Chongqing und Ürümqi. Bei dem Wohnungsbrand in Ürümqi in der Provinz Xinjiang waren mindestens zehn Menschen getötet und weitere neun verletzt worden. Etliche Anwohner kritisierten in sozialen Netzwerken, dass die rigiden Corona-Massnahmen den Kampf gegen das Feuer erschwert hätten. Bewohnern sei die Flucht ins Freie durch abgeschlossene Wohnungstüren erschwert worden.

Angesichts der steigenden Corona-Zahlen befindet sich China nach Meinung von Beobachtern in einer Sackgasse. Die Gesundheitskommission rechtfertigt sich damit, dass eine Öffnung viele Tote zur Folge hätte. Auch Ärzte warnen, dass das Gesundheitssystem hoffnungslos überlastet wäre, sollte sich das Virus frei verbreiten. Doch in der Bevölkerung wächst der Ärger. Für den schnellen Anstieg werden die neuen Omikron-Varianten verantwortlich gemacht, die sich leichter verbreiten.

Die Regierung steht auch in der Kritik, weil deutlich wird, dass die Behörden seit Ende 2019 die meisten Kapazitäten für ständige Massentests und Lockdowns genutzt haben. Vorbereitungen für einen Weg aus der Pandemie wurden nur unzureichend getroffen. Die Impfquote für die Bevölkerung liegt bei rund 90 Prozent, doch gibt es ausgerechnet bei den Alten erhebliche Impflücken: Nur 40 Prozent der Menschen über 80 haben bisher zwei Impfungen und einen Booster erhalten.

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