Selenskyj: Ukraine will Pufferzone in Russland schaffen
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat erstmals ein konkretes Ziel für den Vorstoss seiner Truppen in der westrussischen Region Kursk genannt. «Die Schaffung einer Pufferzone auf dem Territorium des Aggressors», sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat erstmals ein konkretes Ziel für den Vorstoss seiner Truppen in der westrussischen Region Kursk genannt. «Die Schaffung einer Pufferzone auf dem Territorium des Aggressors», sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache.
Angesichts der schweren Kämpfe dort sowie im Osten der Ukraine bat er die westlichen Partner um schnellen Nachschub an Waffen und Munition. «Der Krieg kennt keine Ferien», sagte Selenskyj vor allem an die Adresse der USA, Grossbritanniens und Frankreichs.
Die ukrainischen Soldaten leisteten zwar «hervorragende Arbeit», so Selenskyj. «Aber wir müssen die Versorgung durch unsere Partner beschleunigen, wir bitten darum.» Die Ukraine brauche Lösungen, sie sei vor allem auf ein rechtzeitiges Eintreffen der zugesagten Hilfepakete angewiesen.
In Deutschland geht indes angesichts knapper Kassen die Diskussion um die Quellen künftiger Ukraine-Hilfen weiter.
Ukrainer im Osten unter Druck
Vor allem in den Gebieten rund um den Donbass schienen die ukrainischen Einheiten schwer unter Druck zu geraten. Aus einigen Orten mussten sie sich bereits zurückziehen. Gerade die Umgebung von Torezk sei «mehr als nur Verteidigung für die Ukraine, es ist jetzt das Hauptziel unserer Verteidigungsmassnahmen im Allgemeinen, so viel wie möglich von Russlands Potenzial, dem Potenzial für einen Krieg, zu zerstören und ein Maximum an Gegenangriffsarbeit zu leisten», betonte Selenskyj.
Ukrainische Militärs räumten die Schwierigkeiten rund um Pokrowsk ein. «Wir können uns zurückziehen, eine kleine Siedlung aufgeben oder eine kleine Schlacht verlieren», sagte Serhij Zechozkyj, ein Offizier der dort eingesetzten Brigade im Fernsehen. «Aber die Hauptaufgabe besteht darin, den Krieg zu gewinnen.»
Aktuell rückten die russischen Soldaten bei Mykolajiwka vor, um die Versorgungsstrecke zwischen Pokrowsk und Karlowka zu unterbrechen. «Hier versuchen sie, etwas zu erreichen», sagte Zechozkyj. Doch genau an dieser Stelle erwarte das russische Militär «etwas Unerwartetes». Details nannte der Offizier nicht.
Lagebericht des Generalstabs in Kiew
Torezk und Pokrowsk sind die Dauer-Brennpunkte der vergangenen Wochen. Auch der ukrainische Generalstab berichtete von schweren Kämpfen rund um die Orte. Allein bei Pokrowsk seien im Tagesverlauf 24 russische Sturmangriffe registriert worden, teils mit Unterstützung von Kampfflugzeugen. Bei Torezk seien insgesamt 15 russische Attacken abgeschlagen worden. Die Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden.
Zu den Kämpfen in der westrussischen Region Kursk machte die ukrainische Generalität in Kiew keine Angaben. Im Lagebericht heisst es lediglich, dass russische Artillerie und Kampfflugzeuge ukrainische Stellungen rund um Sumy im Osten des Landes angegriffen hätten. Sumy gilt als Zentrum des Nachschubs für die in der Region Kursk kämpfenden ukrainischen Truppen.
«Forbes»: Hohe Materialverluste bei Kursk
Das ukrainische Militär hat bei seinem Vorstoss bei Kursk ungewöhnlich hohe Verluste an wertvoller Technik erlitten, resümierte das Wirtschaftsmagazin «Forbes». Die Verluste an Panzern, gepanzerten Fahrzeugen und schweren Waffen seien überaus hoch und stünden in keinem Verhältnis zu den gleichzeitigen Verlusten auf russischer Seite.
Bei dem Vordringen über offenes Gelände seien die Fahrzeuge vielfach Luft- und Artillerieangriffen ausgesetzt, entsprechend seien die Verluste«doppelt so hoch wie sonst», berief sich das Blatt auf Analysten. Allerdings, wenn die Ukraine das eroberte Gebiet halten könne, wäre dies die Verluste wert. Selenskyj hatte wiederholt über russische Raketen- und Artillerieangriffe aus dem Gebiet Kursk gegen Ziele im Osten der Ukraine geklagt.
Lukaschenko spricht von Truppenaufmarsch an Grenze
Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hat eigenen Angaben zufolge grössere Truppenverbände an die Grenze seines Landes zur Ukraine verlegen lassen. Als Grund dafür nannte er starke Truppenansammlungen auf ukrainischer Seite. Dort habe Kiew bis zu 120.000 Soldaten stationiert, behauptete er in einem Interview des russischen Fernsehkanals «Rossija», aus dem die Staatsagentur Belta zitierte. «Und angesichts dieser aggressiven Politik haben wir unser Militär entlang der gesamten Grenze stationiert, so wie es im Kriegsfall der Fall wäre.» Lukaschenko, der auch als letzter Diktator Europas bezeichnet wird, kooperiert eng mit Kremlchef Wladimir Putin.
Nach Ansicht der ukrainischen Grenztruppen greift Lukaschenko «zu aggressiven Aussagen, die nicht der Realität entsprechen». Von Verstärkungen auf belarussischer Seite sei zudem nichts erkennbar, sagte Andrij Demtschenko, Sprecher der Grenztruppen.
Minsk ist nicht aktiv am Krieg gegen die Ukraine beteiligt. Allerdings hat Lukaschenko im Februar 2022 den Vorstoss russischer Truppen aus Belarus heraus in die Ukraine erlaubt. Nach schweren Rückschlägen und Verlusten beim versuchten Vorstoss nach Kiew mussten sich diese russischen Einheiten zurückziehen.
Debatte um Ukraine-Hilfen in Deutschland
Unterdessen stösst das Vorgehen der Ampel-Koalition bei der weiteren Finanzierung der Ukraine-Hilfen auch intern auf Kritik. Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses des Auswärtigen, der Sozialdemokrat Michael Roth, sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montag): «Es ist ein fatales Signal der Bundesregierung in Richtung Ukraine, wenn in den künftigen Haushalten des Bundes keine weiteren Mittel für neue Militärhilfen eingeplant werden.»
Manches deutet darauf hin, ob es wirklich so kommt, blieb am Wochenende allerdings offen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte in einem Brief an Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne) geschrieben, «neue Massnahmen» dürften nur eingegangen werden, wenn in den Haushaltsplänen für dieses und die kommenden Jahre «eine Finanzierung gesichert ist».
Der Brief liegt der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» und der dpa vor. Nach entsprechenden Berichten erklärte allerdings am Samstag das Finanzministerium, dass es weiter gesprächsbereit sei. Bedarfe müssten aber konkret gemeldet und nachvollziehbar sein – bislang liege keine Meldung vor. Grundsätzlich setzt die Bundesregierung darauf, dass die Ukraine künftig stärker mithilfe von Zinsen aus eingefrorenem russischen Staatsvermögen unterstützt werden kann.
Aussenausschuss-Chef Roth sagte: «Die ukrainische Armee ist erstmals seit Monaten wieder in der Offensive, das Land braucht nun den vollen Rückhalt seines wichtigsten militärischen Verbündeten in Europa, Deutschland. Stattdessen wirkt die Debatte über die künftige Finanzierung der Militärhilfen wie ein verkappter Rückzug Deutschlands aus der Verantwortung. Wir können unsere Sicherheit nicht von Haushaltszwängen abhängig machen.» Die 50 Milliarden Dollar aus einem Hilfsfonds der G7-Staaten, der sich auch aus Zinsen eingefrorener Vermögen füllen soll, seien «bei Weitem nicht genug».