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Kardinal Marx entschuldigt sich nach Missbrauchsgutachten

Als Reaktion auf das erschütternde Missbrauchsgutachten im Erzbistum München und Freising hat Kardinal Reinhard Marx Betroffene wie Gläubige erneut um Entschuldigung gebeten und eine Erneuerung der Kirche gefordert.

Agentur
sda
27.01.22 - 12:23 Uhr
Politik
dpatopbilder - Kardinal Reinhard Marx wird im jüngsten Missbrauchsgutachten aus München selbst Fehlverhalten im Umgang mit zwei Fällen vorgeworfen. Foto: Sven Hoppe/dpa-Pool/dpa
dpatopbilder - Kardinal Reinhard Marx wird im jüngsten Missbrauchsgutachten aus München selbst Fehlverhalten im Umgang mit zwei Fällen vorgeworfen. Foto: Sven Hoppe/dpa-Pool/dpa
Keystone/dpa-Pool/Sven Hoppe

«Wir sehen ein Desaster», sagte Marx am Donnerstag in München mit Blick auf das vor einer Woche vorgelegte Gutachten zum sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen im Erzbistum. «Wer jetzt noch systemische Ursachen leugnet und einer notwendigen Reform der Kirche in Haltungen und Strukturen entgegentritt, hat die Herausforderung nicht verstanden.»

Personelle Konsequenzen zog Marx dabei zunächst nicht. Jeder Verantwortliche solle selbst prüfen, wo er sich schuldig gemacht und welche Folgen er daraus zu ziehen habe, sagte er.

Die Gutachter werfen auch dem Erzbischof selbst zwei Fälle von Fehlverhalten beim Umgang mit Verdachtsfällen vor. Er werfe sich vor, dass er engagierter hätte handeln können und ein einem Fall nicht aktiv auf Betroffene zugegangen zu sein, sagte Marx. Es sei für ihn persönlich unverzeihlich, die Betroffenen übersehen zu haben. «Ich war und bin nicht gleichgültig.» Marx bot dem Papst allerdings nicht, wie von manchen erwartet, ein zweites Mal seinen Rücktritt an, betonte jedoch: «Ich klebe nicht an meinem Amt.»

Allerdings seien Reformen für ihn unabdingbar, betonte Marx: «Es gibt keine Zukunft des Christentums in unserem Land ohne eine erneuerte Kirche!» Nach der Lektüre des Gutachtens sei er erneut erschüttert und erschrocken, vor allem über das Leid der Betroffenen, aber auch über Täter und Beschuldigte und über das Verhalten von Verantwortlichen. «Für mich ist die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs Teil einer umfassenden Erneuerung und Reform, wie das der Synodale Weg aufgegriffen hat.»

Das vom Erzbistum München und Freising selbst in Auftrag gegebene Gutachten der Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) war zu dem Ergebnis gekommen, dass Fälle von sexuellem Missbrauch in der Diözese über Jahrzehnte nicht angemessen behandelt worden waren. Es wirft auch den ehemaligen Erzbischöfen Friedrich Wetter und Joseph Ratzinger, dem heute emeritierten Papst Benedikt XVI., konkret und persönlich Fehlverhalten in mehreren Fällen vor. Insgesamt sprechen die Gutachter von mindestens 497 Opfern und 235 mutmasslichen Tätern, sie gehen aber von einem deutlich grösseren Dunkelfeld aus.

Marx gilt als enger Vertrauter von Papst Franziskus, er leitet den Päpstlichen Wirtschaftsrat. Von 2014 bis 2020 war Marx Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.

In Deutschland gehören noch knapp 27 Prozent der Bevölkerung der katholischen Kirche und gut 24 Prozent den evangelischen Landeskirchen der EKD an. Jahr für Jahr verlieren die grossen Kirchen hunderttausende Mitglieder. Mehr als 40 Prozent der Bevölkerung sind laut Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid) ohne Religionszugehörigkeit.

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Entschuldigungen und Beten, ist das alles, was die Kirchenmächtigen dazu zu sagen haben!? Warum decken diese Herren fehlbare Personen, die immer weiter in anderen Pfarreien ihre Schandtaten ausüben können? Solche, nach meiner Meinung nach Verbrechen, müssen angezeigt und die Personen bestraft werden! Währe es nicht angebracht, dass man geschändete Personen wenigstens grosszügig finanziell entschädigt? Ein materielles Entgegenkommen für die Schandtaten ist ja nur ein kleiner Beitrag abgesehen von den psychischen Problemen der Geschädigten. Ich habe gelesen, dass der Vatikan alleine über 17 Milliarden Franken Vermögen hortet! Also Bitte verantwortliche Kirchenobrigkeit, hier seid ihr gefordert!
Koni Bürge, Arosa

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