×

Selenskyj in Brüssel: Kann nicht mit leeren Händen heimkommen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die EU auf einen gemeinsamen Kampf gegen Russland eingeschworen und zugleich weitere Waffenlieferungen von den Mitgliedstaaten gefordert.

Agentur
sda
09.02.23 - 16:49 Uhr
Politik
Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht während der Pressekonferenz im Rahmen des EU-Gipfels. Foto: Olivier Matthys/AP/dpa
Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht während der Pressekonferenz im Rahmen des EU-Gipfels. Foto: Olivier Matthys/AP/dpa
Keystone/AP/Olivier Matthys

«Ich habe kein Recht, ohne Ergebnisse nach Hause zu kommen», sagte der 45-jährige Staatschef am Donnerstag bei einem Besuch in der belgischen Hauptstadt. Dort hielt er zunächst eine emotionale Rede im Europaparlament, ehe er die Staats- und Regierungschefs der EU zu Gesprächen bei einem Gipfeltreffen traf. Am Vortag war er bereits in London und Paris gewesen.

Anders als noch in London forderte Selenskyj in Brüssel nicht offensiv die Lieferung von Kampfjets. Dennoch machte er deutlich, dass sein Land darauf im Kampf gegen Russland darauf angewiesen ist. Er werde dem Thema bei Gesprächen in Kleingruppen der Staats- und Regierungschefs «die notwendige Aufmerksamkeit widmen». Grundsätzlich brauche es mehr Tempo bei der Militärhilfe der Europäischen Union, ebenso forderte er weitere Sanktionen etwa gegen die russische Drohnenindustrie oder den IT-Bereich.

Konkreten Fortschritt gab es ihm zufolge bereits am Vortag. Sein Besuch in London habe die Entscheidungen über die Lieferung weitreichender Waffen und die Ausbildung von Piloten näher gebracht, sagte Selenskyj. «Das ist wirklich ein gewisser Schritt zur Lieferung von Kampfflugzeugen.»

Auch sein Treffen mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron am Mittwochabend in Paris bezeichnete Selenskyj als «sehr stark» und «sehr wichtig». Er sei allen dankbar, die begriffen, wie sehr die Ukraine etwa Artilleriegeschütze, moderne Panzer, weitreichende Raketen und eine moderne Luftwaffe brauche.

Unmittelbar vor seiner Europa-Reise hatte Selenskyj sich in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview des «Spiegel» und der französischen Zeitung «Le Figaro» noch über die Zögerlichkeit des Kanzlers beschwert: «Ich muss ihn zwingen, der Ukraine zu helfen und ihn ständig überzeugen, dass diese Hilfe nicht für uns ist, sondern für die Europäer.»

EU-Ratspräsident Charles Michel rief die Mitgliedstaaten zu weitreichender Militärhilfe für die Ukraine auf und forderte «maximale Unterstützung». Es bestehe Bedarf an Munition, Artillerie, Raketen, Fahrzeugen, Verteidigungssystemen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte: «Wir müssen mehr tun.» Neue Zusagen der EU oder ihrer Mitgliedstaaten wurden zunächst jedoch nicht öffentlich.

Von der Leyen bekräftigte zumindest, dass ihre Behörde in den kommenden Tagen das zehnte Sanktionspaket gegen Russland vorschlagen werde. Dieses wird der Deutschen zufolge etwa Exporte im Wert von mehr als 10 Milliarden Euro unterbinden, was den russischen Militärapparat und die russische Wirtschaft weiter schwächen wird. Zudem umfasse das Paket weitere Sanktionen gegen eine Reihe von politischen und militärischen Führern. «Wir werden gegen Putins Propagandisten vorgehen, denn ihre Lügen vergiften den öffentlichen Raum in Russland und im Ausland.»

In seiner Rede an die rund 450 Millionen Bürgerinnen und Bürger der EU im Parlament beschwor Selenskyj vor allem die Einheit zwischen der EU und der Ukraine im Kampf gegen Russland und dankte für die bereits geleistete Hilfe. «Nur unser unweigerlicher Sieg wird die gemeinsamen europäischen Werte wahren», sagte der Präsident, dessen Land der EU möglichst rasch beitreten möchte, in seiner rund 15-minütigen Rede.

Die Abgeordneten begrüssten den Ehrengast mit Jubel und lautem Applaus. Nach seiner Rede applaudierten die Parlamentarier rund eineinhalb Minuten, ehe sowohl die ukrainische als auch die Europahymne gespielt wurden.

Die Ukraine verteidigt sich seit fast einem Jahr gegen eine russische Invasion. Zugleich strebt das osteuropäische Land in die Europäische Union. «Für die Ukraine ist es der Weg nach Hause», sagte Selenskyj, der nicht wie sonst häufig im olivgrünen, sondern im schwarzen Pullover mit dem Schriftzug «United24» auftrat. Dies weist auf die von ihm gestartete gleichnamige Spendenplattform für die Ukraine hin.

In seiner Rede im Parlament hob Selenskyj vor allem den Unterschied zwischen der «europäisch-ukrainischen» und der russischen Lebensweise hervor. «Es wird versucht, den europäischen »Way of life« mit einem totalen Krieg zu zerstören. (...) Wir lassen das nicht zu.» In Russlands brutalem Krieg gehe es nicht nur um Territorium. Zugleich seien Menschenleben in Russland nichts mehr wert. «Wir verteidigen uns gegen die antieuropäischste Kraft der zeitgenössischen Welt. Wir Ukrainer auf dem Schlachtfeld zusammen mit Ihnen.» Selenskyj sprach von einem «historischen Kampf».

Die Europareise Selenskyjs war nach einer USA-Reise im Dezember erst die zweite seit dem russischen Einmarsch am 24. Februar vergangenen Jahres. In Grossbritannien hatte er am Vortag unter anderem Premierminister Rishi Sunak sowie König Charles III. getroffen. Am Mittwochabend kam er dann in Paris mit Macron und Scholz zusammen.

Die Kommentarfunktion wurde für diesen Artikel deaktiviert.
Mehr zu Politik MEHR