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Botschafter-Eklat: Kritik an Erdogan aus dem In- und Ausland

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat mit der Anordnung, zehn westliche Diplomaten auszuweisen, auch in der Türkei viel Kritik geerntet. Es könne nicht im Interesse des Landes sein, die Sache zu einer noch grösseren Krise zu machen, wurde der ehemalige Präsident Abdullah Gül am Montag in der oppositionsnahen Zeitung Sözcü zitiert. Gül, früher Erdogan-Getreuer, hatte sich bereits zuvor kritisch gegenüber dem Präsidenten geäussert.

Agentur
sda
25.10.21 - 16:49 Uhr
Politik
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan während einer Pressekonferenz. Foto: Francisco Seco/AP/dpa
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan während einer Pressekonferenz. Foto: Francisco Seco/AP/dpa
Keystone/AP/Francisco Seco

Erdogan hatte am Samstag verkündet, er habe das Aussenministerium angewiesen, die Botschafter zehn westlicher Länder - darunter Frankreich, Deutschland die USA - zu unerwünschten Personen («Persona non grata») zu erklären. Sobald das türkische Aussenministerium dies den betroffenen Staaten offiziell mitgeteilt hat, müssen die Botschafter nach dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen ihre Tätigkeit «innerhalb einer angemessenen Frist» einstellen. Bis Montagmittag gab es eine solche Mitteilung nach Angaben des Auswärtigen Amts noch nicht.

Die deutsche Bundesregierung reagierte irritiert auf die von Erdogan angedrohte Ausweisung der Botschafter. Man nehme die Äusserungen «mit Sorge zur Kenntnis und auch mit Unverständnis», sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Eine Reaktion werde es zunächst aber nicht geben.

Die US-Botschaft in Ankara twitterte am Montag lediglich, man halte sich an Artikel 41 des Wiener Übereinkommens. Der weist Diplomaten unter anderem an, sich nicht in innere Angelegenheiten des Empfangsstaats einzumischen. Ein Sprecher des EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell teilte mit, man verfolge die Entwicklungen sehr genau und stufe die Situation als sehr ernst ein. Bisher sei jedoch keines der betroffenen Länder über tatsächliche Massnahmen informiert worden.

Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg äusserte sich zurückhaltend: Bis Ergebnisse der Kontakte zwischen der Türkei und den jeweiligen Ländern bekannt würden, sei es zu früh, darüber zu sprechen. Betroffen sind neben Deutschland und den USA auch Frankreich, Kanada, Finnland, Dänemark, die Niederlande, Neuseeland, Norwegen und Schweden. Der finnische Präsident Sauli Niinistö sagte, über Medien habe man von der türkischen Reaktion gehört, nicht aber auf diplomatischem Wege.

Hintergrund der Äusserungen Erdogans ist eine Erklärung der zehn Botschafter von Anfang vergangener Woche. Darin fordern sie die Freilassung des türkischen Unternehmers und Kulturförderers Osman Kavala. Der 64-Jährige sitzt seit 2017 in Istanbul in Untersuchungshaft, obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) schon 2019 seine Freilassung angeordnet hatte.

Kavala wird beschuldigt, die regierungskritischen Gezi-Proteste in Istanbul 2013 unterstützt und einen Umsturzversuch angezettelt zu haben. Ihm wird ausserdem «politische und militärischen Spionage» im Zusammenhang mit dem Putschversuch von 2016 vorgeworfen. Kritiker sehen die Vorwürfe als politisch motiviert.

Auch im Inland schlägt Erdogan Kritik entgegen. Die Oppositon warf Erdogan Ablenkungsmassnahmen von einer Wirtschaftskrise vor. Selbst in der regierungsnahen Zeitung Sabah forderte ein Kommentator die Regierung dazu auf, andere Lösungen zu finden, um Spannungen in Konflikten mit anderen Staaten abzubauen.

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In der Türkei verschärft sich die gesellschaftliche Situation demnächst enorm. Da ist quer durch fast alle Parteien die Rede davon, dass man sich nicht zum Flüchtlingslager Europas machen lassen soll. Millionen von Syrern die in einer wirtschaftlich schwierigen Situation Konkurrenz um Mindestlohnjobs darstellen bedrohen hier direkt die Kernwählerschaft der AKP.
Man befürchtet jetzt noch mittelfristig eine Million Afghanen die dann in der Türkei festsitzen werden, die eigentlich weiter nach Europa wollen aber bei den Griechen auch kaum noch durchkommen, selbst wenn die Türkei sie durchwinken würde.
Das wird noch ein humanitäres Desaster werden.

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